Geesthacht. Linie 8800 heißt mit dem Fahrplanwechsel X82. Nur: Besonders schnell ist sie nicht. Und es gibt noch einen gravierenden Nachteil.
Der neue Winterfahrplan des HVV tritt zwar erst am 11. Dezember in Kraft, eine Neuerung für Geesthacht schlug aber schon hohe Wellen im Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung. Auslöser der kollektiven Verärgerung war eine Mitteilung, die der Ausschussvorsitzenden Gerhard Boll (Grüne) mit in die Versammlung gebracht hatte. Er ist auch Mitglied im Fahrgastbeirat des HVV. „Ich habe erfahren, dass für den Fahrplanwechsel eine neue Buslinie eingeführt wird, ein Expressbus von der Oberstadt nach Bergedorf.“ Er solle schneller in Bergedorf ankommen und bekomme die Liniennummer X82.
Die erste Fahrt ist gleich am Sonntag des Fahrplanwechsels um 8.01 Uhr. Die Frequenz am Sonntag ist zunächst stündlich, steigert sich dann aber zum Beginn des Berufsverkehrs am Montag auf alle 20 Minuten. Das klingt zunächst gut – anhand seiner Stimmlage war jedoch herauszuhören, dass da für Boll ein Haken bei ist.
Expressbus X82: Insgesamt fallen im Verlauf der Strecke vier Haltestellen weg
Zwei Haltestellen auf dem Weg zum Bergedorfer Bahnhof würden dann weniger angefahren, verkündete Gerhard Boll den Wermutstropfen. Bergstraße und Waldstraße an der Geesthachter Straße werden künftig ausgelassen. An den Haltestellen hingen am Sonntag noch keine Informationen über die Umstellung aus. In Bergedorf fallen dann im weiteren Verlauf der Strecke mit den Haltestelle Vierlandenstraße und Am Hafen ebenfalls zwei Haltestellen weg.
Erst im Sommer hatte es einen runden Tisch zum Informationsaustausch gegeben, ärgerte sich Gerhard Boll. Diese Treffen fanden früher regelmäßig im Jahr statt, dieser am 27. Juni war der erste nach der Corona-Pause. Teilnehmer sind üblicherweise Vertreter der Fraktionen, aus der Verwaltung, Senioren- und Umweltbeirat sowie von VHH und HVV und auch vom Kreis. Der Fachgebietsleiter des Kreises für Regionalentwicklung und Verkehrsinfrastruktur, Andy Yomi, war diesmal allerdings nicht dabei, er war verhindert.
Geesthachter Verwaltung fühlt sich „völlig überfahren“
„Da haben sie im Juni überhaupt nichts von erzählt. Das ist kein guter Stil, dass man uns nicht einbindet und uns nicht beraten lässt. Ich würde gern sehen, dass uns so etwas vorgelegt wird“, ärgerte sich Gerhard Boll. Für weitere Empörung sorgte Dagmar Poltier von der Geesthachter Fachbereichsleitung des Fachbereichs Umwelt und Bauen. „Wir wurden im letzten Monat informiert, sollten uns innerhalb von 14 Tagen mit einer Stellungnahme äußern. Wir hatten keine Gelegenheit für eine Prüfung und haben eine Verlängerung für die Abgabe der Frist beantragt“, sagt sie. Dagmar Poltier sieht dringenden Beratungsbedarf: „Wir fühlen uns vollkommen überfahren.“ „Das ist bemerkenswert, wo wir uns bemühen, den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Das ist eine weitere Unbotmäßigkeit“, ergänzte Petra Burmeister (SPD).
Denn erst vor drei Wochen war bekannt geworden, dass Geesthacht 313.000 Euro an den Kreis nachzahlen muss für den innerstädtischen Busverkehr der Jahre 2011 bis 2015. Für 2016 bis 2022 droht eine noch deutlich höhere Summe. Der Kreis übernimmt die Abrechnung mit den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein und kassierte bis jetzt nur Abschläge. „Wenn Sie einverstanden sind, werden wir den Kreis auffordern, den Fahrplan erst dann umzusetzen, wenn hier eine Beratung stattgefunden hat“, meinte Gerhard Boll.
Die Kosten der Linie tragen der Kreis und Hamburg
„Der Wechsel ist so beauftragt und wird so durchgeführt. Man könnte es erst beim nächsten Wechsel vielleicht wieder rückgängig machen“, sagt Tobias Frohnert, der Sprecher des Kreises. Hinzu kommt: Die Geesthachter verfügen über wenig Druckmittel. „Hier handelt es sich um eine überregionale Linie des Kreises, der die Kosten trägt, wie auch das Land Hamburg ab der Landesgrenze“, erklärt Tobias Frohnert. Soll heißen: Geesthacht kann zwar eine Stellungnahme abgeben und Wünsche äußern, aber ansonsten wenig mitbestimmen. Tobias Frohnert: „Wir versuchen natürlich, die Wünsche der Kommunen zu berücksichtigen.“
Das Informationsdefizit gegenüber der Stadtverwaltung hat laut Tobias Frohnert den Ursprung im jüngsten Treffen am 27. Juni. Zum Auftakt nach der längeren Corona-Pause war ausgerechnet Andy Yomi nicht dabei. „Geesthacht hatte Einladungsschreiben versandt ohne vorherige Abfrage nach Verfügbarkeit, wie es bisher üblich gewesen war“, meint Tobias Frohnert. „Und Andy Yomi hatte für diesen Tag bereits andere Termine.“ So war ausgerechnet der wohl wichtigste Mann für die Zusammenarbeit mit den Kommunen nicht dabei, und dieser hakelige Wiederbeginn der Info-Treffen habe sich dann offenbar als roter Faden fortgesetzt, so die Erklärung.
„Es wird dazu führen, dass einige auf das Auto umsteigen“
Die Linie 8800 gestaltet sich etwas kompliziert. Sie hat wechselnde Startpunkte, die auf verschiedenen Routen zunächst den Geesthacht ZOB ansteuern. Von der Oberstadt wird in Nähe des Kreisels beim Hochhaus aus losgefahren, andere Startpunkte sind in Lauenburg, am Geesthachter ZOB und am Helmholtz-Zentrum. Von der Oberstadt zum Bergedorfer Bahnhof sind es 17 Haltestellen, die Fahrt dauert 33 Minuten.
„Die Idee, dass man eine Beschleunigung rein bekommt, ist ja sicher sinnvoll. Aber in Düneberg führt es zur Verschlechterung. Hier müssen die Pendler nun fünf bis sieben Minuten früher losgehen. Es wird bei einigen dazu führen, dass sie ins Auto umsteigen“, erwartet Gerhard Boll. Von der Haltestelle Waldstraße aus ist die nächste Haltestelle gut 350 Meter entfernt entweder bei der Post oder an der Düneberger Straße, von der Bergstraße aus ist der Schäferstrift etwa 320 Meter entfernt. „Und das alles für eine Gesamtzeitersparnis von vielleicht ein bis zwei Minuten.“
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Doch damit irrt er. Eine Gesamtzeitersparnis – sie findet sich im neuen Fahrplan ab 12. Dezember ab Geesthachter ZOB gar nicht. Angegeben wird zum Teil die gleiche Fahrtzeit wie zurzeit: nämlich 21 Minuten. Ein Beispiel: Der neue X 82 startet am Montag, 12. Dezember, um 6.58 Uhr am ZOB, steuert dann nur noch die Haltestellen An der Post, Düneberger Straße, Schäferstrift und Besenhorst an, dann geht es auf die A 25, um 7.14 Uhr wird nach der Ausfahrt Bergedorf am Lehfeld gehalten, von da aus geht es schnurstracks weiter ohne weitere Haltestellen, und um 7.19 Uhr wird der Bergedorfer Bahnhof erreicht.
Das Rätsel über gleiche Fahrtzeiten löst das Kleingedruckte
Beim alten Fahrplan funktioniert es mit dem 8800 so: Abfahrt Geesthachter ZOB um 6.54 Uhr, An der Post wäre er um 6.56 Uhr, Waldstraße 6.57 Uhr, Düneberger Straße 6.59 Uhr, Bergstraße 7.00 Uhr, Schäferstrift 7.01 Uhr, Besenhorst 7.02 Uhr, dann geht es auf die A 25, nächster Halt ist der Lehfeld in Bergdorf (7.12 Uhr) und Vierlandenstraße (7.15 Uhr). Um 7.19 Uhr hält der Bus am Bergedorfer Bahnhof.
Der Rätsels Lösung für die gleiche Fahrtzeit zeigt das Kleingedruckte. Rechts oben auf dem Aushang an der Waldstraße etwa steht: Umleitungsfahrplan ab 12.06.2022. Grund sind die Bauarbeiten am Bergedorfer Bahnhof gewesen. „Mit dem Fahrplanwechsel endet die sechsmonatige Sperrung des ZOB in Bergedorf. Die Fahrbahnsanierung wurde pünktlich beendet“, teilt HVV-Sprecher Rainer Vohl mit. Bis dahin fuhren die Busse wegen der Bauarbeiten eine verkürzte Strecke, deswegen die gleiche Zeit. Verglichen mit der „normalen“ Strecke des 8800 würde sich nun eine bis vier Minuten schnellere Verbindung mit dem X-82 ergeben, rechnet Rainer Vohl vor.
Die Fahrt in die Hamburger City soll von Geesthacht aus schneller werden
Hintergrund der Umstellung sei, den nicht ans Schienennetz angebundenen Geesthachtern von der Oberstadt aus in Kombination mit dem RE 1 (fährt zum Beispiel montags 6.58 Uhr, 7,28 Uhr, 7.58 Uhr usw.) ab Bergedorf eine schnelle Verbindung in die Hamburger City anzubieten. Der Regionalexpress benötigt für die Fahrt nur zehn Minuten. Im Übrigen werde nur der 8800 in den Xpress-Bus umgewandelt. Die Busse von den anderen Startorten fahren wie gewohnt unter dem alten Liniennamen nach Bergedorf. „Bis die Menschen es verstanden haben, dürfte einigen der Bus vor der Nase wegfahren“, meint Gerhard Boll.
Die neuen Fahrplandaten und Fahrplanauskünfte sind unter der Webseite www.hvv.de, über die HVV-App und über die HVV-Infoline 040/19 449 erhältlich. Einen gedruckten Fahrplan gibt es nicht mehr. „Die Fahrpläne werden immer häufiger auch unterjährig verändert, um Kundenwünschen schnell Rechnung tragen zu können. Damit waren die gedruckten Bücher häufig schon nach wenigen Wochen nicht mehr aktuell“, teilt der HVV mit.