Hamburg. Die Preisvorteile beim Immobilienerwerb im Umland sind durch Fahrtkosten teilweise erst nach mehr als 100 Jahren aufgezehrt.

Erste Preissenkungen bei Immobilien in Hamburg haben nichts an dem großen Preisunterschied zwischen der Hansestadt und dem Umland geändert. Eine neue Studie der Postbank und dem Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut (HWWI), die dem Abendblatt exklusiv vorliegt, zeigt die deutlichen Kostenvorteile im Umland. Der Analyse zufolge kostet eine 120 Quadratmeter große Wohnung aus dem Bestand in Hamburg im Schnitt 829.280 Euro, wenn man neben dem reinen Quadratmeterpreis die Grunderwerbsteuer und die Notargebühren, aber keine Maklercourtage berücksichtigt.

Für eine ebenso große Wohnung im Umland fallen die Preise deutlich günstiger aus. In Pinneberg werden dafür 533.488 Euro fällig und in Ahrensburg 573.076 Euro. Das sind in dieser Untersuchung die teuersten Standorte im Speckgürtel. Noch günstiger sind die Immobilien im südlichen Umland. In Stade kostet die 120 Quadratmeter große Wohnung 451.625 Euro. Die Preisvorteile belaufen sich also auf bis zu rund 378.000 Euro. 120 Quadratmeter Eigenheim in der Metropole sind ohnehin nicht leicht zu finden.

Wohnen Hamburg: Kostenvorteil wird durch das Pendeln aufgezehrt

„Dabei haben wir berücksichtigt, dass die Immobilien in den verkehrsgünstigen Zentren des Umlandes teurer sind als im Schnitt des Landkreises“, sagt Studienautorin Dörte Nitt-Drießelmann vom HWWI. Dafür gibt es einen Aufschlag von 20 Prozent auf den durchschnittlichen Quadratmeterpreis, der in den Preisen in der Grafik schon berücksichtigt ist. Während der Quadratmeterpreis in Hamburg fast 6500 Euro erreicht, liegt die Preise in Stade und Geesthacht noch deutlich unter 4000 Euro je Quadratmeter. In den meisten Städten im Umland müssen mehr als 4000 Euro je Quadratmeter Wohnfläche ausgegeben werden. In den vergangenen Jahren sind die Preise im Umland stärker gestiegen als in Hamburg, dennoch bleibt es bei einem beträchtlichen Preisunterschied.

Doch wer sich trotz Arbeitsstelle in der Hamburger Innenstadt für das Umland entscheidet, darf nicht vergessen, dass durch den Umzug in den Speckgürtel für den verlängerten Arbeitsweg zusätzliche Kosten für Benzin oder Zugticket anfallen und mehr Zeit eingeplant werden muss. Das HWWI hat eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Pendelkosten beziffern lassen. Die neue Studie der Postbank zeigt, wie viele Jahre sich der Immobilienerwerb im Umland rechnet und wann der Kostenvorteil durch das Pendeln aufgezehrt ist. Dabei wurde auch der Faktor Homeoffice berücksichtigt, der den Immobilienerwerb im Umland noch lohnender macht.

Denn weniger Präsenzzwang im Büro durch mehr Homeoffice macht es Arbeitnehmern zudem oftmals leichter, auch größere Entfernungen zur Arbeitsstätte in Kauf zu nehmen. Mehr Homeoffice verringert Pendelzeiten und -kosten. Mit diesem Faktor gibt es nur 130 statt 220 Pendeltage pro Jahr. Es pendelt in der Modellrechnung stets nur ein Ehegatte nach Hamburg, der andere arbeitet vor Ort. Die Immobilie wird in der jeweiligen Stadt und nicht im Umland erworben.

Wohnen Hamburg: Lohnt sich der Umzug ins Umland?

Wenn zwei Tage in der Woche im Homeoffice gearbeitet werden kann, zahlt sich die Ansiedelung im Umland über sehr lange Zeiträume aus. In Pinneberg und Seevetal sind es mehr als 100 Jahre. Selbst wenn Homeoffice nicht möglich ist, sind es noch mehr als 60 Jahre. In beide Städte benötigt man nicht mehr als rund 20 Minuten mit dem ÖPNV vom Hamburger Hauptbahnhof aus. Die Entfernung liegt bei 22 (Pinneberg) und 26 (Seevetal) Kilometern, während man bis nach Bad Segeberg 62 Kilometer pendelt.

„Je höher die Differenz des Gesamtkaufpreises zwischen Metropole und Umland ausfällt, desto länger rentiert sich für Haushalte ein Umzug in das Umland der Metropole“, sagt Nitt-Drießelmann. „Besonders hohe Kaufpreisunterschiede ergeben sich, wenn die Preise je Quadratmeter stark voneinander abweichen und große Wohnungen mit vielen Quadratmetern gekauft werden.“ Für Ahrensburg und Winsen lohnt sich die Verlegung des Wohnortes bei zwei Tagen Homeoffice in der Woche noch für rund 90 Jahre, während die niedrigsten Werte in Bad Segeberg und Ratzeburg mit rund 40 Jahren erreicht werden.

Wohnen Hamburg: 59 Prozent können nicht im Homeoffice arbeiten

Allerdings hat nicht jeder die Möglichkeit, einen Teil seiner Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. 23 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland arbeiten laut einer Umfrage des DGB sehr häufig im Homeoffice, 59 Prozent nie. Dabei haben Beschäftigte, die digital und mobil arbeiten, mehr Einfluss auf die Gestaltung ihrer Arbeitszeit. Doch auch ohne Homeoffice können Immobilienkäufer lange von dem Kostenvorteil im Umland zehren. In Pinneberg und Seevetal sind es noch mehr als 60 Jahre und in Winsen an der Luhe werden rund 52 Jahre Kostenvorteil erreicht. Deutlich kürzer fällt der Kostenvorteil des Immobilienerwerbs im Umland in Ratzeburg und Bad Segeberg mit rund 24 Jahren aus. In Stade werden 29 Jahre erreicht.

Zur Berechnung der Pendlerkosten ohne Homeoffice wird angenommen, dass eine Person des Haushalts 220-mal im Jahr nach Hamburg pendelt. Die Wege von der Wohnung zum Ausgangsbahnhof und vom Hamburger Hauptbahnhof zur Arbeitsstelle bleiben unberücksichtigt, da auch ein Angestellter in Hamburg Wege zu seiner Arbeit hat. „Zusätzliche Zeiten, die in die Berechnungen einflossen, entstehen also für Pendler nur vom Umland-Bahnhof zum Hamburger Hauptbahnhof“, sagt Nitt-Drießelmann. In die Pendlerkosten fließen die Aufwendungen für das Ticket für Bus und Bahn oder für das Auto ein.

Dazu werden nicht nur Benzin, sondern auch die laufenden Kosten aus Abschreibung und Unterhalt des Autos berücksichtigt. Unter Anrechnung der steuerlichen Vorteile aus der Pendlerpauschale kommen die Experten des HWWI zu einem Kostenaufwand von 43 Cent je Kilometer mit dem Auto und von 12 Cent je Kilometer bei Nutzung des ÖPNV. Bedeutender sind jedoch die Zeitkosten für den längeren Arbeitsweg. „Für den zusätzlichen Zeitaufwand haben wir den durchschnittlichen Bruttostundenlohn in Hamburg im Jahr 2021 angesetzt“, sagt Nitt-Drießelmann. Er liegt exakt bei 26,25 Euro.

Wohnungskauf im Umland nicht schönrechnen

Doch wie hoch die tatsächlichen Pendler-Kosten für die Immobilieneigentümer ausfallen, hängt auch vom individuellen Verhalten ab, das in dieser Modellrechnung nicht berücksichtigt werden konnte. Unterschiedliche Ausschläge bei den Kosten ergeben sich beispielsweise je nach Arbeitszeitmodell, Homeoffice-Regelungen und je nachdem, ob in einem Haushalt ein oder zwei Arbeitnehmer pendeln. Familien sollten berücksichtigen, dass Kinder in der Kita möglicherweise länger betreut werden müssen, während Vater oder Mutter noch in der S-Bahn unterwegs sind oder im Stau stehen. Auch das kostet Geld. Andererseits ist ein Investment in der Großstadt in den meisten Fällen teurer als im Umland. Höhere Anschaffungskosten ziehen höhere Schulden nach sich, so dass die langfristigen monatlichen Belastungen durch Tilgung und Zinszahlung steigen.

„Dennoch sollten sich Immobilieninteressenten den Wohnungskauf im Umland keinesfalls schönrechnen“, sagt Stephan Hellmann, Regionalbereichsleiter und Mitglied der regionalen Geschäftsleitung Nord von der Postbank Immobilien GmbH. „Die Analyse macht deutlich, dass Interessierte den Umzug genau durchdenken sollten. Ist zudem im Umland noch Homeoffice möglich, steigen die Chancen, dass sich der Umzug rechnet.“ Außerdem beruht die Modellrechnung des HWWI auf konstanten Pendlerkosten. Tatsächlich steigen sie aber für Sprit und ÖPNV-Tickets.