Geesthacht. Was will der Investor? Mehrheit der Politiker wirbt für bessere Versorgung und Gewerbesteuern. Grüne warnen vor Zwei-Klassen-Medizin.
In Geesthachts Politik tobt ein Streit um eine neue, zweite Radiologie in der Elbestadt. Während Befürworter für eine Aufwertung des Standortes und Gewerbesteuereinnahmen werben, wollen die Gegner geklärt sehen, wie diese betrieben werden soll und ob sie nur Privatpatienten durchleuchten kann, weil sie ohne kassenärztliche Zulassung bleibt.
Ein Investor bekundet Interesse, eine Radiologie in Geesthachts neuem Gewerbegebiet Nord II anzusiedeln. An der Leibnitzstraße (zweigt von der Mercatorstraße ab) will er 20 Arbeitsplätze schaffen. Für die Stadt würden lukrative Gewerbesteuereinnahmen abfallen, zudem der Gesundheitsstandort gestärkt, so die Ankündigung von Ulf Hahn, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Herzogtum Lauenburg (WFL) im Geesthachter Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung.
Geesthachts Politiker streiten um mögliche, zweite Radiologie
Dass sich die WFL, der die etwa ein Dutzend Parzellen in der Nähe des Heidbergrings gehören, überhaupt an dieses Gremium wandte, liegt an planungsrechtlichen Bedenken: Im Ausschuss sollte geklärt werden, ob so eine Ansiedlung im Gewerbegebiet überhaupt zulässig ist.
Insbesondere die Grünen haben Zweifel, ob eine zweite Radiologie Geesthacht nicht mehr schadet als nützt. Vor allem weil der Investor mit angestellten Ärzten arbeiten will, die privatärztlich tätig sind. Dies erfuhr die Fraktion von Monika Schliffke, der Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein: Der Bedarf in der Region rechtfertige keine kassenärztliche Zulassung für eine zweite Radiologie in Geesthacht.
Grüne: "Forderung einer Zwei-Klassen-Medizin"
Grünen-Fraktionschef Ali Demirhan warnte vor einem trojanischen Pferd, das man sich nach Geesthacht holen würde: „Wenn keine Kassenpatienten behandelt werden, kann so eine Ansiedlung an der Stelle mehr Nachteile für unsere Stadt bringen. Sie fördert die Zwei-Klassen-Medizin, zerstört bestehende medizinische Strukturen in der Stadt und setzt durch die Randlage auch unsere Fußgängerzone unter Druck.“ Aus Sicht der Grünen gehört eine Radiologie, wenn sie denn kommen soll, in die Nähe der Innenstadt.
Mit den Stimmen von Linken und BfG (Bürger für Geesthacht) hatten die Grünen im Ausschuss dafür gesorgt, dass die Debatte – anders als vorgesehen – in öffentlicher Sitzung erfolgte. Um mehr Informationen zu bekommen, hatten die Grünen zudem drei Experten aus dem Wirtschaftsbeirat eingeladen: die Vorsitzende Christina Bischof-Deichnik (Sonnen-Apotheke), Prof. Jan Kramer (Labor Dr. Kramer) und Carsten Schwab (Geschäftsführer Johanniter-Krankenhaus).
Schwab bezweifelt, dass eine zweite Radiologie wirtschaftlich ist
Deren Unabhängigkeit zweifelte FDP-Vertreterin Dagmar Strauer an, weil sie nur von einer Partei eingeladen wurden. Dem widersprach Jan Kramer entschlossen. „Ich bin gebeten worden, hier Stellung zu nehmen. Außerdem bin ich Labormediziner und habe kein Eigeninteresse an einer Radiologie.“ Da das Johanniter-Krankenhaus mit der Conradia-Radiologie zusammenarbeite, die den einzigen kassenärztlichen Sitz in der Region habe, erwartet Prof. Kramer einen „Kampf um knappes qualifiziertes Fachpersonal“, wenn sich eine radiologische Großpraxis in Geesthacht ansiedele.
Carsten Schwab bezweifelt, dass sich eine zweite Radiologie mit wohl zwei geplanten MRT-Geräten, einem CT und einem Röntgengerät wirtschaftlich betreiben lasse. „Man braucht 20.000 Untersuchungen im Jahr, und wir haben 30.000 Einwohner“, sagte Schwab. Und Bischof-Deichnik merkte an: „Zu glauben, durch eine reine Privatpraxis gibt es eine medizinische Verbesserung für Geesthacht, ist Augenwischerei.“ Für gesetzlich Versicherte würden sich die Wartezeiten nicht verkürzen. Gleichwohl könne eine Radiologie für die Innenstadt eine Verbesserung der Kundenfrequenz bedeuten.
CDU-Fraktionschef will Wettbewerbssituation nicht ausschließen
Wirtschaftsförderer Ulf Hahn wehrte sich gegen Zweifler: Er "arbeite im Sinne der Stadt und nicht an ihrem Willen vorbei". Der Investor habe seine Absicht erklärt, sich um sogenannte Selektivverträge mit Krankenkassen zu bemühen, damit auch Kassenpatienten versorgt werden könnten, ohne selbst dafür zu zahlen. „Ich bin nicht gutgläubig. Die Argumente, die für eine Ansiedlung in der Innenstadt sprechen, lasse ich gelten. Aber beim Thema ,Konkurrenz‘ und ,Abwerben‘ tue ich mich schwer.“
CDU-Fraktionschef Arne Ertelt will eine Wettbewerbssituation in Sachen Radiologie gar nicht ausschließen. Der Investor habe ihm glaubhaft in einem persönlichen Gespräch versichert, nur wirtschaftlich arbeiten zu können, wenn alle Patienten behandelt werden könnten. „Also muss ich davon ausgehen, dass man mit einer Überweisung in die Radiologie gehen können wird. Ansonsten wäre es ja Geld-Versenken des Investors."
Keine geeignete Flächen für eine Radiologie in der Innenstadt
In einer Pressemitteilung feuert die CDU eine Breitseite in Richtung Grüne. „Sie haben alle Register gezogen, um ihrer Rolle als Investorenschreck nachzukommen.“ Die SPD-Fraktion sieht mehr Chancen als Risiken in der Ansiedlung. „Hochwertige Arbeitsplätze, ein verbessertes Untersuchungsangebot und relevante Gewerbesteuerzahlungen“, zählt die Fraktionsvorsitzende Petra Burmeister auf.
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Für eine Radiologie in der Innenstadt fehlten zudem geeignete Flächen. „Da der Investor alternative Ansiedlungsmöglichkeiten in der Region hat, heißt es hopp oder top. Entweder WFL und Geesthachts Politik sagen Ja, oder die Ansiedlung findet in der Nähe statt – dann ohne die positiven Effekte für Geesthacht.“
Vertreter des Investors will in nicht-öffentlicher Sitzung sprechen
Demirhan will sich nicht unter Druck setzen lassen: „Unsere Fraktion vermisst eindeutige Belege und Aussagen, dass das geplante radiologische Institut auch und vor allem Kassenpatienten zugute kommt. Wir wundern uns sehr darüber, dass die Fraktionen von SPD, CDU und FDP das Anliegen so kritiklos begleiten."
Ulf Hahn bot an, dass sich ein Vertreter des Investors – nach Informationen der Redaktion handelt sich um einen privaten Geldanleger – in der nächsten, dann wieder nicht-öffentlichen Sitzung den Fragen der Politiker stellt. Im Stadtplanungsausschuss haben SPD, CDU und FDP mit sieben Stimmen die Mehrheit.
Selbst wenn das Votum negativ ausfallen sollte, das Areal im Gewerbegebiet werde die WfL los. „Wir haben Nachfrage für das Gebiet ohne Ende“, bestätigt Hahn. Drei Flächen sind bereits veräußert: für die Neugründung eines Großhandels, ein ortsansässiges Unternehmen aus dem industriellen Handwerk sowie an einen modernen Gewerbehof.