Geesthacht. Zusammen mit der Uni Lübeck entwickeln Geesthachter Analyse-Spezialisten noch bessere Methoden, um Betrügern auf die Spur zu kommen.
Der wirtschaftliche Schaden, den Lebensmittelbetrug verursacht, liegt nach Schätzungen bei 10 bis 50 Milliarden Euro jährlich weltweit. Ein großes Problem sowohl für die Lebensmittelindustrie als auch für Verbraucher, die nicht die Qualität erhalten, für die sie bezahlt haben, weil vermeintlich „gute“ Produkte gestreckt wurden. Bei Olivenöl, Honig und Wein wird besonders gern gepanscht, aber auch bei Gewürzen, Kräutern und tierischen Lebensmitteln.
Der Bedarf nach exakten Analysen ist also reichlich vorhanden. Mehr Gegenwind für Betrüger gibt es nun aus Geesthacht. Weil sich Lebensmittelbetrug lohne, seien die Fälscher erfinderisch, weiß Dr. Burkhard Schütze vom LADR Zentrallabor Dr. Kramer & Kollegen. „Da wollen wir zukünftig mithalten, ähnlich wie die Dopingfahnder im Sport“, sagt der Abteilungsleiter für Lebensmittelanalytik.
In Geesthacht erdacht: Neues Verfahren, um Panscher zu entlarven
Um den Grad von Fälschungen, aber auch ungewollten Verunreinigungen – etwa durch Produktionspannen – zuverlässiger auf die Spur zu kommen, hat das LADR-Zentrallabor unter der Geschäftsführung von Prof. Dr. Jan Kramer und das Institut für Chemie und Metabolomics der Universität zu Lübeck unter der Direktion von Prof. Dr. Thomas Peters eine Forschungskooperation vereinbart. Ziel: Die Reinheit von Gewürzen, Kräutern und Co. zweifelsfrei zu erkennen oder Authentizität zu belegen.
Es geht bei dem gemeinsamen Forschungsprojekt – Laufzeit bis 2023 – darum, zwei bisher schon bei Lebensmitteluntersuchungen eingesetzte Verfahren zu kombinieren und so zu noch eindeutigeren Ergebnissen zu kommen. Die Idee wurde in Geesthacht geboren, die Eingebung entstand durch den Austausch im Verband „Foodregio,“ einem Netzwerk der norddeutschen Ernährungswirtschaft, in dem auch LADR und die Lübecker Uni Mitglieder sind. Die Forschung zur Koordination der Verfahren übernimmt Tobias Saberniak, ein beim LADR-Labor in Geesthacht angestellter Doktorand.
Geesthachter und Lübecker Labor arbeiten zusammen
In Lübeck wird mittels der „Nuclear Magnetic Resonance (NMR) Spektroskopie“ untersucht, in Geesthacht mit „Next Generation Sequencing“ (NGS). Beim NMR wird die Probe einem extrem starken Magnetfeld ausgesetzt. So lassen sich Moleküle unterschiedlicher Herkunft identifizieren – und Rückschlüsse ziehen, ob ein Wein tatsächlich aus der deklarierten Rebsorte gekeltert wurde. Vergleichs-Datenbanken liegen bisher nur für flüssige Lebensmittel vor wie Fruchtsäfte, Wein oder Honig.
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Beim NGS wird auch die aus der Corona-Diagnostik bekannte PCR-Methode verwendet. So wie hierbei aus einer Menge vorgefundener DNA – in der Abstrichprobe befindet sich neben dem Erbmaterial der Coronaviren auch das von Bakterien – dann ausschließlich die Virus-DNA „herausgefischt“, vermehrt und identifiziert wird, das funktioniert auch bei der Analyse von Gewürzen.
Lebensmittelanalyse: 5000 Pflanzenarten in einer Datenbank
„Nehmen wir als Beispiel die Untersuchung einer Oregano-Probe, so befindet sich darin natürlicherweise auch Teile anderer Pflanzen, die auf dem Feld wachsen“, erklärt Dr. Schütze. Mittels des aufwendigen NGS-Verfahren wird aus allen in der Probe enthaltenen Pflanzenarten das Erbmaterial extrahiert, vermehrt und anschließend identifiziert.
Es lassen sich gleichzeitig DNA-Sequenzen verschiedener Pflanzenarten ermitteln, auch wenn diese nur in sehr geringen Mengen in der Probe enthalten sind. Die Identifizierung erfolgt mittels einer Datenbank mit mehr als 5000 Pflanzenarten.
Lebensmittel im Laborg: Bessere Analysen für Wirtschaft und Verbraucher
Zunächst gilt es, feste Lebensmittel so aufzubereiten, dass sie per NMR untersucht werden können. Das geschieht in Lübeck. Dann werden die Proben mittels der sensitiven NGS-Analytik im LADR-Zentrallabor in Geesthacht analysiert. Dr. Schütze: „Im Kern wollen wir drei Dinge: erstens, pflanzliche Beimischungen sicher nachweisen, zweitens, nicht erwünschte Beimischungen mengenmäßig präzise bestimmen und drittens, die umfassenden Auswertungen der Ergebnisse digital beschleunigen und vereinfachen.“
Einen positiven Effekt hätten die besseren Analysen nicht nur für Wirtschaft und Verbraucher. Möglicherweise führen die aufwendigen Tätigkeiten in Geesthacht auch zu einem Aufbau von Arbeitsplätzen. „Das ist richtig harte Arbeit im Labor“, weiß Dr. Burkhard Schütze. Er schätzt, dass unter anderem „einige technische Assistenten mehr“ gebraucht werden könnten.