Geesthacht. Was die Genehmigung für den Standort Geesthacht und darüber hinaus bedeutet und warum sich Atomkraftgegner weiter engagieren werden.

Donnerstag, 20. Juni 2024: ein historischer Tag in der Geesthachter Stadtgeschichte. Auch, wenn es noch über ein Jahrzehnt dauern wird, bis von außen etwas zu sehen sein wird: Das Datum markiert den Beginn des Verschwindens des Atomkraftwerkes in Krümmel.

Wie werden die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Geesthacht sein? Grundsätzlich positiv, das ist für Alexander von Strombeck gar keine Frage. Der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Geesthacht (WVG) sieht den Prozess des Rückbaus als Riesenchance für den Standort und darüber hinaus.

Historischer Tag: Am 20. Juni erhielt das AKW Krümmel die Genehmigung zum Rückbau

„Wir hoffen, dass die Geesthachter Unternehmen und Handwerker sich am Rückbau beteiligen können“, sagt er. Viele der Aufträge dürften durch Ausschreibungen vergeben werden. Die Krümmel GmbH & Co KG ist eines der Mitglieder in der WVG. Alexander von Strombeck hofft, dass die lokale Wirtschaft „vom kurzen Dienstweg“ profitieren wird.

Es ließe sich so aus erster Hand erfahren, was für ein Bedarf auf uns zukomme, und es ließe sich mitteilen, was man anbieten könne, meint der Vorsitzende. Auf einer der nächsten Sitzungen der WVG soll das Thema angegangen werden.

WVG-Vorsitzender sieht eine Riesenchance für die Wirtschaft

„Wir bauen da ein tolles Knowhow auf. Es wird in Zukunft ja noch häufiger vorkommen, dass irgendwo auf der Welt solche Kraftwerke zurückgebaut werden müssen. Wenn wir es schaffen, da in den nächsten 15, 20 Jahren eine Expertise aufzubauen, ist es durchaus auch eine Chance für Geesthachter Unternehmen“, ist von Strombeck optimistisch.

Mit den technischen Herausforderungen, wie man Atommüll entsorgt, hatte von Strombeck bereits beruflich in Geesthacht zu tun. „Das war theoretisch, aber in Schweden wird das wirklich gemacht“, erzählt er. Dort kommt bei der Vorbereitung zur Endlagerung eine Technik zum Tragen, wie sie es auch bei Riftec an der Mercatorstraße gibt.

In Brunsbüttel arbeiten Hunderte von Gewerken beim Rückbau zusammen

Das Unternehmen ist eine Auslagerung aus dem GITZ auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums, Alexander von Strombeck ist einer der Gründer, mittlerweile aber ausgeschieden.

Ein paar Jahre weiter mit den Erfahrungen, was so ein Rückbau für eine Kommune bedeutet, ist Brunsbüttel. „Natürlich bindet der Rückbau Arbeitsplätze. Es sind Monteure und Fremdfirmen vor Ort“, berichtetet Bürgermeister Martin Schmedtje. Beim Rückbau des Atomkraftwerks Brunsbüttel arbeiten seit 2019 Hunderte Gewerke zusammen.

Das größte Industriegebiet Schleswig-Holsteins vor der Tür

„Eine wirtschaftliche Belebung für die Stadt sei allerdings nur schwer messbar, da es an der gesamten Westküste und auch in Brunsbüttel sehr boome“, sagt er. „Wir haben hier das größte Industriegebiet Schleswig-Holsteins vor der Tür beziehungsweise im Stadtgebiet. Weitere Unternehmen planen ihre Ansiedlung. Es sind regelmäßig viele Monteure in der Stadt und geben auch ihr Geld hier aus. Der angemietete Wohnraum fehlt allerdings den einheimischen Bürgern“, meint er.

Das Kernkraftwerk Krümmel hat von 1984 bis 2009 Strom produziert, ist seit Ende 2019 brennstofffrei, es befinden sich weder Brennelemente noch Brennstäbe in der Anlage. „Damit sind 99 Prozent des radioaktiven Inventars aus der Anlage entfernt“, heißt es auf einer Informationsseite von Vattenfall.

Von den 540.000 Tonnen Abfall gelten nur bis zu drei Prozent als radioaktiv

Von den beim Rückbau anfallenden etwa 540.000 Tonnen Abfall müssten laut Vattenfall nur bis drei Prozent als radioaktiver Abfall endgelagert werden. Der weitaus größte Teil der Abfälle besteht aus Bauschutt.

Die bei den vorbereitenden Arbeiten anfallenden etwa 700 Tonnen unbedenklicher Dämmstoffe von Rohrleitungen dürfen bereits seit ein paar Jahren auf der Mülldeponie in Wiershop entsorgt werden. Das Abfallwirtschaftszentrum der Buhck-Gruppe gilt als einer von landesweit nur vier geeigneten Plätze zur Deponierung von nichtradioaktiven Abfällen aus dem Rückbau.

Mülldeponie in Wiershop nimmt bereits Dämmstoffe auf

Für die Deponie in Wiershop sind auch nach der Genehmigung keine großen Veränderungen zu erwarten. „Welche Mengen für die Deponie anfallen, ist bereits seit Jahren bekannt, daran wird sich nichts ändern“, sagt Thomas Buhck.

Insofern gebe es auch keinen Anlass, sich jetzt Gedanken über einen Ausbau machen zu müssen. Der Geschäftsführer der Wiershoper Deponie ging 2019 davon aus, dass maximal 20.000 bis 30.000 Tonnen aus Krümmel über einen Zeitraum von 20 Jahren deponiert werden müssten – das wären 1000 bis 1500 Tonnen pro Jahr.

Regionaler Arbeitskreis tauscht sich über die neue Sachlage aus

Er regt an, sich nach der Sommerpause mit dem regionalen Arbeitskreis zusammenzusetzen, um die neue Situation zu besprechen. Dort sind die umliegenden Kommunen beteiligt, Naturschutzverbände, das Amt Hohe Elbgeest und auch die Buhck-Gruppe. Dass die Genehmigung nun da ist, nimmt Thomas Buhck gelassen hin. „Das war ja klar, dass es irgendwann den Bescheid geben wird“, sagt er.

Die Initiatoren für diesen Arbeitskreis sind zwei in Geesthacht stadtbekannten Atomkraftgegner. Gerhard und Bettina Boll reklamieren für sich, die Anstoßgeber gewesen zu sein. „Wir haben immer versucht, mit allen Beteiligten zu reden und eine Diskussionskultur zu schaffen“, sagt Gerhard Boll. „Es ist schon ein besonderer Moment“, meint er zur Erteilung der Rückbaugenehmigung.

Probleme bleiben: Zwischenlager ist noch für Jahrzehnte auf dem Gelände

Aber Gründe für ein Engagement gebe es trotzdem für die nächsten Jahre noch genug. „Der hochstrahlende Müll ist nach wie vor im Zwischenlager auf dem Gelände, der bleibt ja noch Jahrzehnte da“, sagt Gerhard Boll. Außerdem regt er als Vertreter der Naturschutzorganisation BUND an, bei Vattenfall zu erreichen, dass das Gelände, wo möglich, mit Photovoltaik-Kollektoren ausgerüstet wird.

Und es gibt eine weitere Aufgabe für die Atomkraftgegner. Denn was oft in Vergessenheit gerät: Das Werk in Krümmel ist nicht der einzige Atom-Standortort in Geesthacht. Auch das Helmholtz-Zentrum Hereon hat die Stilllegung des Forschungsreaktors FRG-1, den Abbau der Forschungsreaktoranlage und des „Heißen Labors“ beantragt sowie einen Antrag gestellt für Errichtung und Betrieb einer Halle für die Zerlegung des Reaktordruckbehälters des Nuklearschiffs „Otto Hahn“, bestätigt das vom Umweltministerium in Kiel.

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„Zurzeit werden die Antragsunterlagen und das Sicherheitsgutachten von unserer atomrechtlichen Genehmigungsbehörde geprüft und ein entsprechender Genehmigungsbescheid erstellt. Ein verlässlicher Termin für die Erteilung der Genehmigung kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genannt werden, da dieser auch von den Ergebnissen der Prüfung abhängt“, heißt es aus dem Ministerium.