Geesthacht. Darauf haben in Geesthacht viele gewartet. Vattenfall hatte den Antrag vor neun Jahren eingereicht. Wie es jetzt weitergeht.

Das Warten hat ein Ende: Das AtomkraftwerkKrümmel hat am Donnerstag, 20. Juni, die Genehmigung für die Stilllegung und den Abbau erhalten, rund einen Monat früher als erwartet. Die Unterlagen wurden an die Betreibergesellschaft Vattenfall übergeben. Der Geschäftsführer der Kernenergiesparte in Deutschland, Ingo Neuhaus, und der Krümmeler Kraftwerksleiter Thorsten Fricke haben die Papiere in Kiel vom Leiter der Atomaufsichtsbehörde, Andreas Wasielewski, ausgehändigt bekommen.

„Mit der heute erteilten Genehmigung geht der ehemals größte Siedewasserreaktor der Welt in die Abbauphase. Die Betreibergesellschaft Vattenfall hat die Antragsstellung sicherheitsgerichtet und konstruktiv vorangebracht. Genau diese Herangehensweise wird auch den sicheren Abbau des Kernkraftwerks gewährleisten. Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen auf der Anlage sichere und erfolgreiche Rückbauarbeiten. Sie leisten den Menschen in unserem Land einen wichtigen Dienst“, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Bündnis 90/Grüne).

Atomkraftwerk Krümmel: Jetzt kann der Rückbau beginnen

Den Antrag für Stilllegung und Rückbau des Kernkraftwerks Krümmel hatte Betreiber Vattenfall bereits im August 2015 beim Land Schleswig-Holstein eingereicht. Doch das Verfahren zur Genehmigung für den Rückbau aus dem Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur zog sich.

Im zweiten Quartal könne mit einer Genehmigung gerechnet werden, hieß es schließlich vom Umweltministerium im Januar 2023 als Antwort auf eine kleine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Christopher Vogt. Als es nicht dazu kam, setzt er im Februar 2024 nach und fragte nach den Gründen. „Mangel an Fachpersonal“, hieß es aus dem Ministerium.

Abbauarbeiten sollen etwa 15 Jahre in Anspruch nehmen

Die Abbauarbeiten in Krümmel werden laut Ministerium und Vattenfall voraussichtlich rund 15 Jahre in Anspruch nehmen. Ingo Neuhaus: „Mit der jetzt erteilten Genehmigung wird das Kraftwerk vom Nachbetrieb in die Stilllegung übergehen. Dies ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur ‚grünen Wiese‘ an der Stelle des Kraftwerks. Bei den Abbauarbeiten können wir auf Erfahrungen zurückgreifen, die wir im Kernkraftwerk Brunsbüttel gewonnen haben. Dort haben wir 2019 mit dem Abbau begonnen.“

Was danach auf und mit der Fläche geschehen soll, ist nicht festgelegt. Das Grundstück gehört Vattenfall, „und wer weiß, was in 15 Jahren sein wird“, sagt Karsten Wulff, der Referent für Kommunikation des Standortes. Für ihn geht der Alltag am Freitag, 21. Juni, ganz normal weiter. Soll heißen: Der Empfang einer 11. Schulklasse aus Hamburg im Besucherzentrum steht an. „Man freut sich eher still“, sagt er.

Was auf der Fläche folgt, ist bisher nicht festgelegt

Geesthacht Bürgermeister Olaf Schulze spekulierte auf der Ratsversammlung im November 2019 darüber, ob der Standort des Kernkraftwerks nicht ein Standort der grünen Wasserstoffproduktion und -speicherung werden könne. Dazu steht er fünf Jahre später immer noch: „Das wäre schon noch eine Option“, sagt er. „Wir können uns freuen, dass es vorangeht“, meint der Bürgermeister aus Sicht der Stadt zur Genehmigung.

Vorbereitende Arbeiten solche, die rückgängig zu machen sind, falls der Rückbau untersagt würde – durften vor Erteilung der Genehmigung erledigt werden. Dazu gehörten im Nachbetrieb zum Beispiel, dass die Brennelemente in das Zwischenlager am Standort Krümmel transportiert und die umfangreiche Systemdekontamination durchgeführt wurde, um die Strahlung zu minimieren. Kraftwerksleiter Torsten Fricke räumte allerdings bei einem Informationsabend zum Stand des Rückbaus im Januar Oberstadt-Treff Geesthacht ein, dass die sinnhaften Tätigkeiten allmählich ausgingen.

Strahlenschutz hat während des gesamten Abbaus oberste Priorität

Diese Sorgen sind nun vorbei. Der Strahlenschutz besitzt während des gesamten Abbaus oberste Priorität. Alle Abbauschritte des Kernkraftwerks werden daher eng von der atomrechtlichen Aufsicht überwacht. Viele Teilschritte, wie etwa der Abbau von Systemen, bedürfen einer Zustimmung der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde, damit die Rahmenbedingungen und das Ziel der Strahlenminimierung bestmöglich eingehalten werden. Für das Genehmigungsverfahren erhebt das Land von der Betreibergesellschaft Vattenfall eine Gebühr in Höhe von einer Million Euro.

Auch, wenn die Genehmigung nun erteilt ist: So schnell beginnen die „richtigen“ Arbeiten nicht auf dem Gelände. „Gewisse Auflagen in der Genehmigung müssen noch erfüllt werden“, erklärt Karsten Wulff. „Wir benötigen auch Fachfirmen, die erst im letzten Quartal zur Verfügung stehen“, erklärt Vattenfall-Sprecherin Barbara Meyer-Buckow.

Bis außen am Kraftwerk Abbauarbeiten zu sehen sind, vergehen einige Jahre

Bis außen am Kraftwerk Abbauarbeiten zu sehen sind, werden einige Jahre vergehen, der Abbau wird von innen nach außen durchgeführt. Begonnen wird mit dem Reaktordruckbehälter. Die Arbeiten werden von einem Konsortium von Fachfirmen ausgeführt. Die Spezialisten stehen ab Oktober 2024 zur Verfügung, um den ersten Teil des Reaktordruckbehälters auszubauen und zu zerlegen. Dieser Teil der Abbauarbeiten sollen 2027 abgeschlossen werden.

Die Brennstäbe aus dem Wasserbecken sind entfernt. 99 Prozent des radioaktiven Inhaltes haben das Kraftwerk bereits verlassen.
Die Brennstäbe aus dem Wasserbecken sind entfernt. 99 Prozent des radioaktiven Inhaltes haben das Kraftwerk bereits verlassen. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Mit dem Entfernen des letzten Brennelements 2017 und der letzten Einzelbrennstäbe 2019 haben rund 99 Prozent des radioaktiven Inventars das Kraftwerk verlassen. Von dem verbleibenden Rest befinden sich wiederum mehr als 90 Prozent im Reaktordruckbehälter und seinen Einbauten. Die einzelnen Abbauarbeiten müssen jeweils im atomrechtlichen Verfahren beantragt werden.

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Die Reaktorsicherheitsbehörde wird den Genehmigungsbescheid im Amtsblatt und in den örtlichen Tageszeitungen bekannt geben. Zudem wird der Bescheid im Rathaus Geesthacht und im Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur für zwei Wochen ausgelegt. Im Anschluss haben alle Personen, die Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben haben, die Gelegenheit zur Klage.