Geesthacht. Der Kampf um den Bahnanschluss von Geesthacht nach Bergedorf wird härter. Es gab sogar Gerüchte über Sabotage. Was passiert ist.

Kommt jetzt sogar die Polizei ins Spiel? Das Verhältnis wird ruppiger zwischen Befürwortern des Bahnanschlusses von Geesthacht nach Bergedorf und seinen Gegnern. Das zeigte sich bei den Jubiläumsfahrten der AKN-Triebwagenam Wochenende 15./16. Juni auf dieser Strecke.

Die Mitglieder der Facebook-Gruppe „Nein zur Reaktivierung der Bahnstrecke Bergedorf-Geesthacht“ (291 Mitglieder) sind erbost wegen einer Klebe-Attacke gegen ihre Plakate. „Jemand hat in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag die zwischen Börnsen und Bergedorf aufgehängten Banner mit Aufklebern versehen“, ärgert sich Frank Schmidt, Administrator der Gruppe.

Mitten drauf: Ein Bahnanschlussfreund klebte seine Meinung auf die Protestplakate der Kritiker zwischen Börnsen und Bergedorf.
Mitten drauf: Ein Bahnanschlussfreund klebte seine Meinung auf die Protestplakate der Kritiker zwischen Börnsen und Bergedorf. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Boshafterweise mit Sekundenkleber, was ein Ablösen ohne Beschädigung des Untergrundes schwierig macht. Etwa 15 Plakate sind betroffen, alle wurden mit mindestens zwei Aufklebern bedacht. Dabei wurden auch Grundstücke betreten. Die Gruppe will besprechen, wie es weitergeht, ob Anzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch erstattet wird.

Befürworter des Bahnanschlusses gingen mit Aufklebern gegen Protestplakate vor

Wer für die nächtliche Klebeaktion verantwortlich ist, liegt bei Begutachtung der Plakate auf der Hand. Es dürfte sich um ein Mitglied oder zumindest einen Sympathisanten des Verkehrsclubs Deutschland e.V. (VCD) handeln. „Geesthacht-Bergedorf Ja“ steht in großen Buchstaben vor der Silhouette eines Zuges auf den viereckigen Aufklebern. Und unten rechts ist ähnlich einer Unterschrift die Abkürzung VCD gesetzt.

Der Verein setzt sich für eine ökologische Verkehrswende ein, steht nach Eigenaussage für eine „klimafreundliche, sichere und gesunde Mobilität“. Frank Schmidt postete die Tat umgehend in seiner Facebook-Gruppe. „Was ist das für ein Demokratieverständnis gegenüber anderer Meinung?“, ärgert er sich. Noch am Sonntag sei eine Reaktion des VCD erfolgt, berichtet er. „Ein Vorstand hat sich bei mir gemeldet und entschuldigt“, erzählt der Börnsener.

Aufkleber sind versehen mit dem Kürzel VCD – das steht für Verkehrsclub Deutschland

Wer konkret für die Klebe-Attacke verantwortlich sei, ließe sich demnach nicht mit Sicherheit klären, aber wahrscheinlich handele es sich nur um eine einzige Person. „Der VCD hat versprochen, die Aufkleber am Dienstagabend zu entfernen“, sagt Frank Schmidt. Mit Aceton solle es angeblich funktionieren. Ob es zu dieser Aktion komme, wolle man abwarten. Sollte nichts passieren, wird besprochen, ob man sich an die Polizei wendet.

Nicole Stößel (l.), Ievgeniia Kriazh sowie Carsten Westharp und Lisa Grundtke-Westharp (r.) protestieren am Sander Damm.
Nicole Stößel (l.), Ievgeniia Kriazh sowie Carsten Westharp und Lisa Grundtke-Westharp (r.) protestieren am Sander Damm. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Etwa 30 Bahnanschlussgegner hatten sich am vergangenen Wochenende ins Zeug gelegt, um bei den Sonderfahrten der AKN-Triebwagen vom Hamburger Hauptbahnhof und Bergedorf-Süd nach Geesthacht Flagge zu zeigen. Die Fahrten fanden anlässlich der Feiern zur Verleihung des Stadtrechtes an Geesthacht vor 100 Jahren statt.

Nicole Stößel nutzte die Rotphasen an der Kreuzung von Curslacker Heerweg und Rothenhauschaussee, um Flyer an Autofahrer zu verteilen.
Nicole Stößel nutzte die Rotphasen an der Kreuzung von Curslacker Heerweg und Rothenhauschaussee, um Flyer an Autofahrer zu verteilen. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

An den Kreuzungspunkten an der Düneberger Straße, Curslacker Heerweg und am Sander Damm/Weidenbaumsweg, an denen die Bahnanschlussgegner bei Realisierung der Pläne ein besonders großes Verkehrschaos befürchten, schwenkten sie ihre Protestschilder bei Durchfahrt der AKN-Züge und verteilten Flyer an Passanten und an die vor den Gleisen haltenden Autofahrer.

Das hätte böse enden können: Dieter Ziems, auf Radtour mit Ehefrau Hannelore, bezog das Rotlicht beim Gleis auf die Kreuzung bei der Rothenhauschausee und fuhr auf die Schienen, als der Zug nahte. Rolf-Peter Stößel von den Bahngegnern informierte die beiden über die Fahrten.
Das hätte böse enden können: Dieter Ziems, auf Radtour mit Ehefrau Hannelore, bezog das Rotlicht beim Gleis auf die Kreuzung bei der Rothenhauschausee und fuhr auf die Schienen, als der Zug nahte. Rolf-Peter Stößel von den Bahngegnern informierte die beiden über die Fahrten. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Fast wäre es am Curslacker Heerweg zu einem schlimmen Unfall gekommen. Ein Senior auf dem Fahrrad hatte das Rotlicht an der Ampel beim Gleis irrtümlich im Zusammenhang mit der Kreuzung zur Rothenhauschaussee gedeutet. „Plötzlich sehe ich keine 100 Meter vor mir den Zug kommen“, sagt er sichtlich geschockt. Es gelingt ihm gerade noch umzukehren.

Auch, dass das Busnetz ausgedünnt werden könnte und dass durch Vibrationen wegen der zum Teil sehr dicht an den Gebäuden vorbeifahrenden Züge Schäden an den Häusern entstehen könnten, beschäftigt die Gegner.

Nicht der schlechteste Arbeitsplatz: Marcel Drowski an der Straße An der Pollhofsbrücke war einer von fünf Streckenposten an den ungesicherten Bahnübergängen.
Nicht der schlechteste Arbeitsplatz: Marcel Drowski an der Straße An der Pollhofsbrücke war einer von fünf Streckenposten an den ungesicherten Bahnübergängen. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Hinzu kommt die Lautstärke, die Sorgen macht. Gar nicht so sehr wegen der Rollgeräusche der Züge, die recht leise unterwegs waren. Aber an den ungesicherten Bahnübergängen wurde ein Warnton abgegeben, und der posaunte ziemlich laut. Was er natürlich auch muss, um gehört zu werden. „Gut 95 Dezibel“, sagte Carsten Westharp. Der Physiker hat Zugriff auf professionelle Messgeräte.

Im Übrigen seien viele für den Bahnanschluss, aber nicht hier, wo alles dicht bebaut sei. Favorisiert wird eine ganz neue Trasse auf dem Geesthang, weil dort wegen der Neubaugebiete mittlerweile die meisten Menschen wohnen würden, so die Argumentation.

Ein außerplanmäßiger Halt am Pollhof heizt die Gerüchteküche an

Die Aktionen waren bei der Polizei angemeldet, ein Beamter schaute regelmäßig nach dem Rechten. Die Stimmung war friedlich. Am Sonntag aber gab es eine weitere Eskalationsstufe im Verhältnis der Bahnanschlussfreunde gegenüber den Kritikern.

Anlass war ein außerplanmäßiger Halt des Akku-Triebwagens in der Nähe des Pollhofs, der sofort die Gerüchteküche gewaltig anheizte. Während die Anschlussgegner an der Bahnschrankenanlage am Sander Damm rätselten, wo bitte der Zug nach Hamburg bleibe, ploppten in den sozialen Netzwerken die ersten Spekulationen auf.

Schlimmstes Szenario: Saboteure hätten Schrauben aus den Schienen gedreht

Da war die Rede von Demonstranten, die die Gleise besetzt hätten, sowie von Gegenständen, die abgelegt worden seien, damit der Zug dagegen fährt. Im Bahnhof Geesthacht meinte jemand zu wissen, dass Saboteure Schrauben aus Schienen gedreht hätten. „Die haben wohl irgendwie Angst, wenn die so ein Bohei machen, das kann doch alles gar nicht angehen“, meinte Frank Schmidt etwas konsterniert. „Wir waren nie in irgendeiner Form an Störungen beteiligt“, stellt er klar.

Offenbar hatte jemand ein Fahrzeug beim Pollhof in Gleisnähe gemeldet, dessen mitgeführtes Werkzeug er verdächtig fand, erklärte AKN-Geschäftsführer Matthias Meyer den Ursprung der Gerüchteküche. Der Zug stoppte, Schienen und Wagen wurden gecheckt. Festgestellt wurde nichts, der Triebwagenführer fuhr zunächst zur Sicherheit erst mal nur auf Sicht weiter. Bereits die nächsten Fahrten liefen wieder nach Plan.

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Für die Anschlussgegner war es die letzte große Aktion des Jahres. Auf den monatlichen Stammtischrunden im Gasthaus Düneberg soll besprochen werden, ob noch Infostände in den Fußgängerzonen von Geesthacht und Bergedorf folgen sollen. Ansonsten wolle man die ersten Teilergebnisse der Wirtschaftlichkeitsprüfung abwarten, die Ende des Jahres vorliegen könnten. Genaueres wird die nächste Vorstellung der Planung zeigen. AKN-Geschäftsführer Matthias Meyer hat sie für Ende des Jahres versprochen.

Die Polizei sah an beiden Tagen nach dem Rechten. Links Frank Schmidt mit seinem Protestplakat.
Die Polizei sah an beiden Tagen nach dem Rechten. Links Frank Schmidt mit seinem Protestplakat. © Dirk Palapies | Dirk Palapies