Bergedorf. Vorhaben wird von Hamburg und Schleswig-Holstein positiv gesehen. Vorplanungen sollen kritische Fragen beantworten.
Geesthacht ist mit 30.000 Einwohnern die bevölkerungsstärkste Stadt Schleswig-Holsteins ohne Schienenpersonenverkehr. Und die Vision eines Bahnanschlusses zwischen Geesthacht und Bergedorf lebt weiter. Eine Machbarkeitsstudie hat immerhin zwei überlegenswerte Streckenvarianten hervorgebracht. Doch noch steckt alles in den Vorplanungen. Zur Klärung vieler Fragen sind die kommenden zwei Jahre wichtig.
Mit seinem Vortrag im Fachausschuss für Verkehr und Inneres skizzierte Martin Clausing von der Behörde für Verkehr und Mobilität (BVM) den aktuellen Sachstand und betonte den Willen zweier Bundesländer, den Gedanken umzusetzen. Allerdings verzichtete Clausing auf konkretere Angaben zu Lärmschutzmaßnahmen, Übergängen und Haltestellen. Was bei manchem Zuhörer nicht gut ankam.
Mit dem Zug von Bergedorf nach Geesthacht: Kosten und zeitliche Dimension völlig in der Schwebe
Zeitliche oder monetäre Nachfragen kann Clausing zurzeit noch nicht beantworten. Es geht zunächst darum, eine sporadisch durch Güterverkehr genutzte Schienenverbindung zwischen Nettelnburg und Geesthacht auf Personenverkehr umzurüsten – mit allem, was dazugehört, in einer gewachsenen Infrastruktur Bergedorfs. Möglicherweise geschieht das noch in den 2030er-, möglicherweise erst in den 2040er-Jahren. „So schnell es geht“, sagt Clausing. Ziel sei es, irgendwann einen Pendelbetrieb zwischen Bergedorf-Innovationspark-Geesthacht aufzunehmen und auf lange Sicht einen Regionalexpress zwischen Hamburger Hauptbahnhof und Geesthacht einzurichten.
Und das Geld? „Wenn ich jetzt Kosten nennen würde, hauen Sie mir die möglicherweise in einem halben Jahr um die Ohren, wenn sich bestimmte Dinge überholt haben“, erklärt der Behördenreferent. Wirtschaftlichkeit ist in diesem Kontext ein Zauberwort und bedeutet: Lohnen sich alle Umstrukturierungskosten im Gegensatz zum Nutzen der Bahnverbindung?
Verkehrsbehörde und Verwaltung arbeiten an konfliktfreien Bahnübergängen
Ein weiteres Zauberwort des Gastes von der BVM lautet „Konfliktfreiheit“ – und nach „konfliktfreien Lösungen“ suchen insbesondere Verkehrsbehörde und Bergedorfer Verwaltung bei den eingeplanten Übergängen im Bergedorfer Stadtgebiet. Das sind beispielsweise Sander Damm, Vierlandenstraße, Neuer Weg und Curslacker Heerweg. Ob höher legen oder wie auch immer: Diese Punkte müssten laut Clausing „konfliktfrei abgearbeitet und geprüft“ werden. Allerdings: Der Einbau von Lärmschutzwänden und sicherer Bahnübergänge sei insbesondere städtebaulich „schwierig“.
Zudem sei auf der Strecke Bergedorf-Geesthacht auch wichtig, nicht zu viele Haltepunkte einzubauen. Denn auch das spare Transportzeit in Konkurrenz zu anderen Mobilitätsformen und eben auch Geld. Deswegen genieße die etwa auf zwei Jahre taxierte Vorplanung äußerste Priorität, um solche und andere Fragen zu klären. Dazu sitzt im übrigen die AKN Eisenbahn GmbH, das betriebsführende Eisenbahnunternehmen der im Eigentum der VHH stehenden Infrastruktur der Bahnstrecke Nettelnburg-Geesthacht, mit im Boot.
Viele Konkurrenzprojekte zur Verbindung Geesthacht-Bergedorf
Bestrebungen, die Bahnverbindung umzusetzen, tat zuletzt auch Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks kund: Es handele sich ja immer noch erst um eine Machbarkeitsstudie, so Clausing. Dennoch sei die Realisierung aus Behördensicht wünschenswert. Denn der „Siedlungsdruck“ sowohl in Bergedorf als auch in Geesthacht sei aufgrund solcher Megaprojekte wie dem Innovationsstadtteil Oberbillwerder spürbar. Zudem nutze eine Bahnverbindung Geesthacht-Bergedorf letzten Endes auch den Klimaschutzzielen.
Zur Wahrheit gehöre aber ebenfalls, dass Hamburg und Schleswig-Holstein aktuell jede Menge Schienenprojekte vorantreiben, etwa auf Hamburger Seite der Aus- oder Neubau der U4 und U5, der neuen S-Bahnstrecken S4 und S5 sowie Taktverdichtungen auf den S-Bahn-Strecken nach Harburg und Bergedorf. Dazu ergänzt Martin Clausing: „Letztere bildet auch die Voraussetzung für die Ermöglichung regelmäßiger bahnsteiggleicher Anschlüsse an eine Bahnstrecke Bergedorf-Geesthacht.“ Dazu solle im Regionalverkehr der Metro-Takt eingeführt werden mit dem Ziel, auf den Stadt-Umland-Achsen Taktverdichtungen und neue Streckenrelationen zu erzeugen. „Hierzu gehört auch die Achse Hamburg-Geesthacht“, verdeutlicht der Referent der BVM.
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Derzeit ist auf Grundlage der Machbarkeitsstudie davon auszugehen, dass als „unterstellte Zielfahrzeit“ 20 bis 21 Minuten für den Pendelbetrieb zwischen Bergedorf und Geesthacht angenommen werden – was schneller wäre als die Expressbus-Verbindungen X80/X82. Des weiteren wären durch Zugangsstellen in Bergedorf Innovationspark und Bergedorf Ost diese Punkte im Stadtentwicklungsgebiet besser erreichbar. Und außerdem soll die Verbindung zum Hauptbahnhof für den Infrastrukturausbau zwischen Bergedorf und Geesthacht in der Vorplanung berücksichtigt werden, damit später eine „Aufwärtskompatibilität“, das heißt eine maximale Fahrdauer der Strecke Hamburger Hauptbahnhof und Geesthacht von 30 Minuten erreicht werden kann.
Zu wenig Futter: „Wie sollen wir dem Bürger das erklären?“
Dabei hätten sich einige Vertreter der politischen Landschaft Bergedorfs jedoch schon zum jetzigen Zeitpunkt etwas mehr gewünscht. „Uns fehlt das Futter, nähere Angaben zum Lärmschutz, zu den Bahnübergängen. Wir müssen uns letzten Endes den Fragen der Bürger stellen, ihnen klar machen, dass sich die Bahnverbindung auch wirtschaftlich lohnt, eine gute Sache ist“, findet Petra Petersen-Griem aus der SPD-Fraktion. Noch enttäuschter reagierte Robert Gruber (Die Linke), der „kein einziges konkretes Wort“ zu den komplizierten Themen vernahm. „Akzeptanz entsteht durch konkrete Aussagen. Wie wollen Sie sonst mit den Bürgern ins Gespräch kommen?“
Zufriedenheit indes im Lager der CDU: „Für uns hört sich das alles gut an, wenn noch berücksichtigt wird, dass die Fahrgastzahlen durch zunehmende Besiedelung zunehmen werden und man viele Pkw aus dem Zentrum Bergedorfs heraushalten kann“, sagt deren verkehrspolitischer Sprecher Jörg Froh. Doch auch Froh kennt die eventuelle Schwachstelle mit den Übergängen auf Bergedorfer Territorium. Dazu machte er den Vorschlag, dass jeweils ein Fachsprecher aus jeder Fraktion in einen Arbeitskreis zu dieser und anderen Problematiken entsandt werden könnte – doch auch dafür ist es aktuell noch viel zu früh.