Lauenburg. Förderwirrwarr, fallende Erdgaspreise und steigendes Misstrauen gegen Politik sorgen für Zurückhaltung. Was Verbraucherschützer raten.
Fährt die Ampelkoalition die Heizungswende vor die Wand? Statt der für 2024 erwarteten 500.000 neuen Wärmepumpen könnten es zum Jahresende 200.000 sein. Den Verweis auf die eingebrochene Baukonjunktur lässt der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) nicht gelten. Während die Installationszahlen für Wärmepumpen im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 52 Prozent weggebrochen sind, die für Solarkollektoren sogar um rund 60 Prozent, ist der Verkauf aller „Wärmeerzeuger“ nur um 29 Prozent gesunken.
Der Einbruch bei umweltfreundlichen Technologien ist rund doppelt so groß wie bei herkömmlichen Heizungen. Das gilt für die im Neubausektor beliebten Wärmepumpen und noch mehr für Solarkollektoren, die vor allem bei Sanierungen punkten. Nach dem Willen der politisch Verantwortlichen hätte es umgekehrt sein müssen – mindestens.
Wärmepumpen und Solar: Verkaufszahlen brechen ein
Doch der von Bundesfinanzminister und Sparkommissar Christian Lindner (FDP) gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz durchgesetzte Sparkurs ist es nicht allein. Noch 2022/23 mussten sich Interessenten gedulden, die Unternehmen konnten zeitnah viele Anfragen nicht erfüllen, die Lager waren leer, Fachpersonal Mangelware. Inzwischen sind die Lager mit Wärmepumpen gut gefüllt, weil die Industrie die Produktion massiv hochgefahren hat. „Kunden, die noch vor einem Jahr gedrängelt haben, schieben jetzt ihrer Entscheidung auf die lange Bank, oder entscheiden sich gegen die Heizungswende“, berichtet ein Firmeninhaber.
Viele seien verunsichert. Seinen Namen möchte der erfahrene Unternehmer nicht in der Zeitung lesen. „Die Kunden erklären mich doch für verrückt, wenn ich sage, dass auch ich es nicht mehr schaffe, mich täglich auf dem Laufenden zu halten.“
Auch Experten haben Probleme, auf dem Laufendem zu bleiben
Und dies ist wichtig, wie selten zuvor. Die Zuständigkeit für die Gewährung von Fördermitteln hat am Jahresanfang gewechselt. Von der Bafa (Bundesamt für Außenwirtschaft) zur Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Nach zwei Monaten Startschwierigkeiten können Anträge bei der KfW inzwischen zwar gestellt werden, ausgezahlt sollen die Fördermittel jedoch erst von Herbst 2024 an. Je nach Förderkulisse geht es dabei schnell um 30.000 Euro und mehr: Unsicherheit ob, wann und in welcher Höhe mit Zahlungen zu rechnen ist, schreckt viele ab.
Wirwarr läst Immobilienbesitzer verzweifeln
Hinzu kamen eigentümliche Einschränkungen, die Hauseigentümer verzweifeln ließen. Wer allein im eigenen Haus wohnte, konnte einen Förderantrag für eine klimafreundliche Heizung stellen. Wer aber auch nur einen Mieter mit im Haus hatte, etwa seinen erwachsenen Sohn oder die eigene Tante, nicht. Seit dieser Woche dürfen auch Besitzer von Mehrfamilienhäusern oder Mitglieder von Wohneigentümergemeinschaften Förderanträge stellen.
Die bestehen aus einer Grundförderung (30 Prozent der förderfähigen Gesamtkosten) und möglichen Boni, etwa eine Art Turbo-Prämie, einem Effizienzbonus und einigem mehr. Doch die Zahl der gestellten Förderanträge hat sich zum Vorjahr mehr als halbiert. Waren es von Januar bis April 2023 noch rund 47.000, sind es dieses Jahr im gleichen Zeitraum nach Angaben der KfW gerade 21.000. 2022 waren es im gleichen Zeitraum mehr als 120.000 gewesen.
Förderung? Betriebe setzen auf externe Experten
„Es liegen Anfragen vor, damit sie zum Auftrag werden, müssen wir uns für jeden Kunden individuell Gedanken machen, was das Beste für ihn ist“, sagt Hennig Reimers, Geschäftsführer der Lauenburger Firma Meyer Haustechnik. Für die Frage der passenden Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen setzt er vor allem auf externe Expertise. „Viele Kunden haben einen Energieberater, der auch die jeweiligen Förderanträge stellt. Geht es etwa um die Dämmung von Dach oder Fassade, geht es nicht ohne, wenn Fördergeld beantragt werden soll.“
Anders für Solarkollektoren oder Wärmepumpen: Hier würden auch die jeweiligen Hersteller in die Pflicht genommen. Am wenigsten Probleme hätten andere Investoren. Reimers: „Wir haben auch Kunden, die trotz Beratung sagen, wir installieren auf jeden Fall – und zwar ohne Förderung.“ Auf der anderen Seite hätten gerade ältere Menschen häufig eine Hemmschwelle. Die Frage laute allzu häufig: „Warum soll ich jetzt diesen Aufwand treiben?“
Hemmschwelle ist gestiegen: Warum jetzt dieser Aufwand?
Diese Zweifel kennt auch Thorsten Klentzau, Chef der Wasser- und Wärmetechnik Lauenburg (WWL). Verantwortlich für den bundesweit großen Rückgang besonders im Bereich Wärmepumpen sei aber vor allem die Baukonjunktur: „Der massive Einbruch im Wohnungsneubau schlägt gerade auf die Wärmepumpen massiv durch.“
Dazu kommen häufige Änderungen in Fördermodalitäten und Bedingungen sowie gestiegene Verunsicherung. „Die einen sagen mit Blick auf die Zukunft, dies sei ihnen aktuell zu wackelig, andere probieren es aus“, erläutert Klentzau. Wachsende Probleme hätten Interessenten mit der Frage, ob am Ende des Verfahrens auch tatsächlich Fördergeld fließt. Adhoc-Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit, Förderprogramm von einem auf den nächsten Tag zu beenden, weil der jeweilige Topf leer war, lässt viele an der Verlässlichkeit zweifeln.
Heizungswende in Trippelschritten
Eine weitere Frage ist, ob die eigene Immobilie für die Umstellung auf eine Wärmepumpe überhaupt geeignet ist – ohne sechsstellige Zusatzinvestitionen in Wärmedämmung von Fassade und Dach und ohne neueste Energiesparfenster. Klentzau: „Im Prinzip lässt sich jedes Haus darauf umrüsten. Es gibt ja auch Hybrid-Lösungen, etwa in Kombination mit einer hocheffizienten Gas-Brennwert-Heizung.“
Eine solche Modernisierung widerspricht jedoch nicht nur der reinen Lehre vom Abschied von allen fossilen Energieträgern. Das Setzen auf Gas werde auf Dauer sehr kostspielig, warnt Tom Janneck, Leiter des Referates Energiewende und Nachhaltigkeit bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Wer weiterhin Gas nutzen will, müsse in Zukunft auf grünen Wasserstoff oder Biogas umstellen. Beides wird weiter knapp sein.
Wettbewerb um grünen Wasserstoff treibt die Preise
Die Industrie soll für viele Prozesse auf teuer produzierten grünen Wasserstoff umstellen, es wird schon schwierig, diesen Bedarf zu decken. „Auch zu Biogas stellt sich die Frage der Verfügbarkeit“, sagt Janneck. Ein Grund: Der Nutzung vor Ort soll Vorrang gegeben werden. „Statt etwa Biogasanlagen aufwendig ans Gasnetz anzuschließen, soll der Verstromung Vorrang gegeben werden.“
Überhaupt scheint es dem Experten angesichts der Mammutaufgabe Energiewende noch nicht hinreichend kommuniziert, dass nicht alles, was wünschenswert oder sinnvoll scheint, auch finanziert werden kann. „Es wird Entscheidungen geben müssen, wo, was gebaut wird.“ Ein jeweils flächendeckender Ausbau von Strom-, Gas- und Wärmenetzen ist eine Illusion.
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Stronetze zu schwach für mehr Wärmepumpen und Ladesäulen
Für den gewünschten Durchbruch der Wärmepumpe ist dies kein gutes Vorzeichen: Auch in Schleswig-Holstein gibt es weiter Regionen, in denen das vorhandene schwache Stromnetz einem deutliche Mehr an energiehungrigen Wärmepumpen oder leistungsfähigen Ladesäulen für E-Autos entgegensteht.
Die einbrechenden Verkaufszahlen haben aus Jannecks Sicht primär andere Gründe. Änderungen der Förderbedingungen und Unsicherheit hinsichtlich der Auszahlung von Fördersummen trügen dazu bei. Neben grundsätzlichen Bedenken gegen die Wärmepumpentechnologie seien dies jedoch vor allem gegenüber 2022 deutlich gefallene Erdgaspreise sowie das Hoffen darauf, dass der Ausbau der Wärmenetze in den Kommunen voranschreite.
Der werde angesichts der hohen Kosten jedoch weit weniger Regionen erschließen. Zudem machten sich viele Menschen, wie im Falle der Gasnetze auch, falsche Vorstellungen zu den Kosten, so Janneck. Die Entgelte für Gasnetze würden sich vervielfachen und Fernwärmeversorgung erweise sich schon aktuell, ohne forcierten Ausbau, vielerorts als deutlich teurer.