Geesthacht. Verkehrsminister Wissing und Madsen werden an ihr Klimagewissen erinnert. Der Bau bringe viele Nachteile, auch für eine Bahnanbindung.

Jetzt wird es ernst. Für den Kampf gegen den Bau der Geesthachter Ortsumgehung beginnt die letzte Runde. Ab Mittwoch, 15. Mai, liegt der Planfeststellungsbeschluss in zwölf Ämtern aus. Werden keine Rechtsmittel eingelegt, kann mit den Arbeiten für die Trasse begonnen werden. Vorhabenträger sind die Autobahn GmbH des Bundes und der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein.

Als vorletzten Schritt – vor möglichen Klagen – haben Gegner der Ortsumgehung in letzter Minute einen offenen Brief verfasst, den sie an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) als auch an sein Länderpendant Claus Ruhe Madsen (CDU) im Kieler Ministerium senden.

Kampf um Ortsumgehung geht in die letzte Runde – Planfeststellungsbeschluss liegt aus

Appelliert wird an das Klimagewissen der Minister. „Auch in Deutschland hinken wir unseren Klimazielen im Verkehrssektor hinterher. Trotz der sich zuspitzenden Klimakrise wird Politik wie vor 40 Jahren gemacht und die dringend notwendige Verkehrswende nicht vorangebracht“, heißt es in dem Schreiben, das Ali Demirhan und Sonja Higgelke von den Geesthachter Grünen aufgesetzt haben.

Unterzeichner sind zudem Jürgen Ziemer vom BUND und die Betreiber der Reitanlage Pfeiffer aus Escheburg. Die Zufahrt von der B404 zur A25 würde laut Planungsvariante über eine vom Pferdehof erst im Jahr 2018 gebaute große Reithalle führen, die abgerissen werden müsste.

Für die Reitanlage Pfeiffer wäre der Bau existenzgefährdend

Das Grundstück neben dem Pfeifferschen Hof ist in Besitz der Autobahn GmbH des Bundes. Hier könnte gebaut werden.
Das Grundstück neben dem Pfeifferschen Hof ist in Besitz der Autobahn GmbH des Bundes. Hier könnte gebaut werden. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Ein durch die Planungsbehörde erstelltes Gutachten bescheinigt Familie Pfeiffer zudem, dass die Ortsumgehung in dieser Form für den Betrieb existenzgefährdend ist. Allerdings wird gerade ein neues Gutachten erarbeitet, das noch nicht fertiggestellt ist. „Das erste passte den Planern wohl nicht“, ärgert sich Britta Pfeiffer.

Der Naturschutzbund aus Geesthacht agiert nicht geschlossen, sonders überlässt es den Mitgliedern, wer sich engagieren möchte. Jens Gutzmann zum Beispiel will die Umgehung nicht. Vor einem Jahr hat er Einwände des Nabu gegen die Planung des Projektes mit erarbeitet.

„Planung für klimawandelbefeuernde Ortsumgehung sofort stoppen“

Aufgefordert im Brief werden „die Verantwortlichen für den Verkehr im Bund und im Land Schleswig-Holstein, die Planungen für die klimawandelbefeuernde Geesthachter Ortsumgehung zu stoppen und sich mit den geplanten Gesamtkosten für diese elf Kilometer-Straße – über 160 Millionen Euro Kosten – für eine klimafreundliche Verkehrswende und die dringend notwendige Bahnanbindung der Stadt Geesthacht sowie in den Ausbau des ÖPNV- und Radverkehrs einzusetzen“.

„Das ist kein Beitrag zur Verkehrswende, sondern eine rückständige Verkehrspolitik“, schimpft Ali Demirhan. Nur: Es scheint unwahrscheinlich, dass das Schreiben auf den letzten Metern in den Ministerien für ein Umdenken sorgen wird. Das ist den Verfassern klar. „Wir wollen noch einmal das Bewusstsein in die Öffentlichkeit transportieren, dass nicht die erhoffte Entlastung stattfinden wird“, sagt Sonja Higgelke.

Entlastung für Geesthachter Ortsmitte sehen die Kritiker als zu gering an

So dürfte den Kritikern des umstrittenen Bauwerkes nur der Klageweg bleiben. Fachanwälte werden die Unterlagen in den kommenden Tagen genauestens unter die Lupe nehmen. Potenzielle Kläger wie Hohenhorn, der BUND und die Familie Pfeiffer haben dabei denselben im Einsatz.

„Die Entlastung auf der Geesthachter und Berliner Straße durch die Ortsumgehung ist zu gering, um diesen massiven Eingriff zu rechtfertigen. Außerdem werden Straßen im Norden und Osten Geesthachts und umliegende Gemeinden mit verstärktem Verkehr belastet“, mahnt der Brief an die Minister. „Probleme entstehen dann ganz neu für Hohenhorn, Grünhof oder auch den Richtweg“, erklärt Ali Demirhan.

Gewinner und Verlierer – Verkehr verteilt sich nach Bau der Umgehung anders

In der Tat weist eine Tabelle für die anzunehmende Verkehrsverteilung neben Gewinnern der Maßnahme wie den Anwohner entlang der B5 von Besenhorst im Westen bis zum Nordwesten von Grünhof-Tesperhude auch viele Verlierer auf.

So ist zu erwarten, dass der Verkehr auf dem Weg zu den Anschlussstellen Geesthacht-Nord, südlich von Hamwarde und nach dem Ende der Umgehungsstraße Richtung Lauenburg stärker zunehmen wird. Denn der Verkehr wäre nicht weg, sondern nur woanders.

Einschränkungen beim Ausbau der Bahnstrecke– Gleis muss einspurig bleiben

Die Pfeiler der zu bauenden Geesthangbrücke würden einen zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke verhindern.
Die Pfeiler der zu bauenden Geesthangbrücke würden einen zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke verhindern. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

„Das ist eine ganz harte Nummer, die da auf Geesthacht zukommt“, findet Jürgen Ziemer. Die Stadt werde richtiggehend zugebaut. „Geesthacht wäre dann von einem hohen Damm umgeben.“ Er prangert eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit an, weil es immer schwieriger werde, zur Erholung in die Natur zu kommen.

Zudem weist er auf Folgen für die Bahnstrecke zwischen Geesthacht und Bergedorf hin, die unter der gigantischen Straßenbrücke zum Geesthang hindurchführt. „Es ist auch ein Rückschlag für den Bahnausbau, weil die Gleise nur einspurig zwischen den Pfeilern eingeplant sind. Und die Höhe darunter reicht nicht, um eine Elektrifizierung durchzuführen.“

Ein Monat bleibt Zeit, um Widerspruch einzulegen

Jens Gutzmann führt noch einen Punkt an, von dem er findet, dass er bisher nicht genug beachtet wurde: „Das ist die graue Energie, die da drinsteckt“, sagt er. Gemeint sind die großen Mengen an CO₂-Ausstoß, die bei der Herstellung des Betons entstehen und durch die Bauarbeiten.

Nach Auslegungsende am 28. Mai bleibt ein Monat Zeit, um Widerspruch einzureichen. Das gut 600 Seiten dicke Papier ist im Geesthachter Rathaus zu lesen vom 15. bis zum 28. Mai, Montag, Mittwoch und Freitag nach Terminvereinbarung, dienstags von 7.30 bis 12 Uhr sowie donnerstags von 8.30 bis 12 Uhr und von 14 bis 18.30 Uhr im Raum 407b. Die Unterlagen dürfen abfotografiert werden, Kopien sind nicht möglich. Online sind die Unterlagen auf planfeststellung.bob-sh.de einsehbar.

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Weitere Ämter in der Umgebung mit dem ausliegenden Planfeststellungsbeschluss sind das Amt Hohe Elbgeest, das Amt Schwarzenbek Land in Schwarzenbek, das Amt für Stadtentwicklung und Ordnung der Stadt Lauenburg, das Amt Lütau in Lauenburg, das Amt Büchen und in Hamburg das Bezirksamt Bergedorf.

Zerschneidung von Lebensräumen: Die Landschaft nördlich von Geesthacht würde durch die Ortsumgehung viel von  ihrem ländlichen Charme verlieren.
Zerschneidung von Lebensräumen: Die Landschaft nördlich von Geesthacht würde durch die Ortsumgehung viel von ihrem ländlichen Charme verlieren.