Lauenburg. Die große Resonanz auf die Umfrage zum künftigen Lauenburger Zentrum überraschte die Stadtplaner. Was nun aus den Vorschlägen wird.

Im Dezember 2021 kam die gute Nachricht: Lauenburg kann mit rund einer Million Euro aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ rechnen. Das mit 250 Millionen Euro ausgestattete Förderprogramm soll helfen, den Strukturwandel in den Innenstädten auszugleichen. Von dem Geld soll in Lauenburg ein Citymanagement auf die Beine gestellt werden. Allerdings nicht am grünen Tisch, sondern unter einer breit angelegten Bürgerbeteiligung.

Das ist auch der Grund, warum das Projekt noch immer in den Kinderschuhen steckt. Das Büro Stadt + Handel aus Dortmund soll zunächst ein Konzept erarbeiten. Nach einer Impulsveranstaltung und mehreren Vor-Ort-Begehungen starteten Stadtplaner im März dieses Jahres eine Bürgerbefragung. Von der großen Resonanz darauf wurden selbst die Experten überrascht: Etwa 800 Bürger beteiligten sich an der Onlineumfrage. Und auch während der Gewerbemesse im vergangenen Monat war der Stand des Planungsbüros dicht umringt. Hier sammelten die Stadtplaner weitere Vorschläge.

Die Hälfte der Befragten wünscht sich Einkaufserlebnisse zurück

Dabei waren auch auf den ersten Blick provokante Thesen, die angekreuzt werden konnten. Die Befragten konnten sich zum Beispiel zwischen zwei konträren Ansichten entscheiden: „Handel war gestern – von wegen! Die Innenstadt von Lauenburg/Elbe bleibt in erster Linie ein Ort zum Einkaufen“ oder „Innenstadt? Das ist doch von gestern! Die Innenstadt von Lauenburg/Elbe entwickelt sich zum attraktiven Wohnstandort für Jung und Alt“. Wer wollte, konnte dann auch noch seiner Fantasie freien Lauf lassen und drei Visionen aufschreiben, was das Lauenburger Stadtzentrum im Jahre 2035 ausmachen soll.

Eine erste Auswertungsrunde gab es jetzt unter Beteiligung von Vertretern des Dortmunder Büros, Mitarbeitern der Stadtverwaltung sowie des Lauenburger Behindertenbeauftragten Siegfried Betge. Auch ein Vertreter der Gesellschaft für Ortsentwicklung und Stadterneuerung (GOS) war an dem Expertengespräch beteiligt. „Etwa die Hälfte der Lauenburger wünschen sich nach der Umfrage den Einzelhandel in das Stadtzentrum zurück“, fasst Bürgermeister Thorben Brackmann seinen Eindruck zusammen. Kein Wunder, meint er. „Die Leute erinnern sich gern an Zeiten, in denen viele Fachgeschäfte und vor allem das Kaufhaus Burgdorf das Stadtzentrum prägten“, sagt er.

Auch während der Gewerbemesse klebten viele Lauenburger ihre Wünsche für ein lebenswertes Stadtzentrum an die Pinnwand des Büros Stadt + Handel aus Dortmund.  
Auch während der Gewerbemesse klebten viele Lauenburger ihre Wünsche für ein lebenswertes Stadtzentrum an die Pinnwand des Büros Stadt + Handel aus Dortmund.   © Stadt Lauenburg | Stadt Lauenburg

Leerstand auch als Chance begreifen

Doch die Zeiten haben sich geändert. 5000 Einzelhandelsläden werden nach Erwartungen des Handelsverbands Deutschland (HDE) in diesem Jahr schließen. Damit hätten zum Jahresende seit 2020 insgesamt 46.000 Läden deutschlandweit dichtgemacht. Das Ladensterben in Lauenburg in den vergangenen zehn Jahren ist demnach kein Einzelfall. Und es ist kaum damit zu rechnen, dass dieser Trend umgekehrt werden kann.

Was die Umfrage aber auch zeigte: Die andere Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass Lebensqualität im Stadtzentrum nicht von der Anzahl von Einkaufsmöglichkeiten abhängt, wie man sie früher kannte. Jens Nussbaum aus dem Büro Stadt + Handel hatte schon während einer früheren Veranstaltung dafür geworben, Leerstand auch als Chance zu begreifen. Warum sollen verwaiste Ladengeschäfte nicht Start-up-Unternehmen einen Raum geben? Auch der Direktverkauf landwirtschaftlicher Produkte findet immer mehr Liebhaber. Ebenso sind Showrooms für den regionalen Onlinehandel denkbar. Und natürlich auch die sogenannten Coworking-Spaces, die neue Formen der Arbeit möglich machen.

Citymanagement nimmt in diesem Jahr die Arbeit auf

Es ist nicht zu übersehen: Es hat sich in letzter Zeit einiges getan, was das Stadtzentrum attraktiver macht. Das Medienzentrum Stappenbeck mit Bücherei und Stadtarchiv ist eröffnet, das angrenzende Stadtcafé fast immer gut besucht. Lange leerstehende Ladengeschäfte sind inzwischen wieder bezogen. Und es gibt nach wie vor Pläne, auf der Brachfläche neben dem Medienzentrum eine sogenannte Markttwiete mit kleinen Ladengeschäften und Wohnungen zu errichten. Die Umbauarbeiten am Lauenburger ZOB sind gerade gestartet. Was fast alle der Befragten sich wünschen: großzügige Grünflächen mit viel Platz, um sich zu treffen. Diesen Ansatz verfolgen die Planer der Lesegärten, die rund um das Medienzentrum vorgesehen sind.

Trotzdem: Von einem lebendigen Stadtzentrum kann noch lange keine Rede sein. Um dafür neue Ideen auf den Weg zu bringen, wird noch in diesem Jahr in Lauenburg ein professionelles Citymanagement angesiedelt. „Die Ausschreibungsfrist ist abgelaufen, es haben sich zwei Büros um dieses Projekt beworben“, sagt der Bürgermeister. Bis Mitte des Jahres soll feststehen, wer sich in Lauenburg darum kümmert, dass das Stadtzentrum eine gründliche Aufwertung erfährt. Dabei soll es in erster Linie um konzeptionelle Aspekte und Marketingaktionen gehen. „Möglich ist es aber auch, kleinere bauliche Maßnahmen zu realisieren, oder für einen gewissen Zeitraum Ladenmieten zu subventionieren“, stellt Brackmann in Aussicht.

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Nächste Runde der Bürgerbeteiligung in diesem Monat

Beispiele dafür gibt es bereits in der Region. Auch der Hamburger Stadtteil Bergedorf profitierte von dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Bereits im März vergangenen Jahres hatten hier zwei Citymanagerinnen ihre Arbeit aufgenommen. Ein halbes Jahr später eröffnete das Künstler- und Handwerkerhaus „Plietsch“ am Bergedorfer Markt. Hier haben nicht nur die beiden Quartiersentwicklerinnen ihr Domizil gefunden. Laut Konzept ist darin Platz für Ausstellungen, Ateliers, Workshops und verschiedene Experimente. Kürzlich eröffnete im „Plietsch“ ein Café, das Genuss und Kultur miteinander vereint.

Ein Risiko gehen die Betreiber damit nicht ein. Sie unterschrieben zunächst einen Vertrag über drei Monate, um zu sehen, wie es anläuft und welche kulturellen Projekte sich tatsächlich umsetzen lassen. Ob sich in Lauenburg ein ähnliches Projekt umsetzen ließe, wird sich zeigen. „Wir hoffen, durch das Citymanagement viele neue Impulse zu erhalten“, sagt Brackmann. Eine nächste Runde der Bürgerbeteiligung soll es noch in diesem Monat geben. Dabei wollen die Stadtplaner aus Dortmund unter anderem die Ergebnisse der Umfrage präsentieren.