Geesthacht. Am 3. Mai 1928 wird der historische Ortskern der Stadt bei einem Feuer vernichtet. Es ist die zweite große Brandkastastrophe nach 1887.
Das Gesicht hat Berichterstatter der Bergedorfer Zeitung am 3. Mai 1928 gegen die Flammenglut verborgen, als er sich um kurz nach halb vier Uhr nachmittags den Weg durch Geesthacht bahnt. „Überall Trümmer, überall Flammen, überall Schreien, Krachen und Splittern, wohin das Auge sieht und das Ohr hört! Man hat den Eindruck, als stehe ganz Geesthacht in Brand“, schreibt er tags darauf in einem Sonderbericht über das Feuer. Überschrift: „An der Stätte des Grauens.“
Der 3. Mai 1928 ging als zweiter großer Brand in die Geschichte der noch jungen Stadt ein, die die Stadtrechte erst 1924 erhalten hatte. Bei der Brandkatastrophe verlor Geesthacht seinen historischen Ortskern aus dem 17. Jahrhundert fast vollständig. Innerhalb von gut drei Stunden brannten 16 Wohn- und diverse Wirtschaftsgebäude in der Bergedorfer Straße, Am Markt, in der Neuen Straße (heute Schillerstraße) sowie in Fähr-, Elb-, Sand- und Hafenstraße nieder.
Brandkatastrophe Geesthacht: „Überall Trümmer, überall Flammen“
22 Familien wurden obdachlos. Bürger kamen nicht ums Leben, viele erlitten jedoch Verbrennungen und leichte Verletzungen. Der Sachschaden war immens, belief sich auf mehr als 500.000 Reichsmark. Zum Vergleich: Laut der 1929 aufgestellten Jahresabschlussrechnung gab die Stadt 1928 insgesamt knapp 770.000 Reichsmark aus.
Das Unheil hatte sein Lauf um kurz vor 15 Uhr in der Fährstraße 3 genommen, als das strohgedeckte Haus von Gustav Holert Feuer fing. Vermutlich durch einen undichten Schornstein. Anhaltspunkte für eine Brandstiftung, über die ältere Bürger noch 70 Jahre später munkelten, weil die Betroffenen angeblich die hohen Versicherungssummen kassieren wollten, förderte die anschließende Untersuchung nicht zutage.
Verkettung unglücklicher Umstände führt zur Brandkatastrophe
An jenem 3. Mai 1928 begünstigten auf jeden Fall die Umstände die Ausbreitung des Feuers. Eine „kolossale Trockenheit“, böiger und drehender Wind, ein defekter Verteiler in der Meldezentrale, eine unzureichende Wasserversorgung, zu wenige Löschgeräte und geschlossene Bahnschranken ließen den Hausbrand zur Feuersbrunst werden.
Zudem hatten die Geesthachter aus dem Brand vom 28. August 1887 offenbar nichts gelernt. Viele Häuser im Stadtkern waren noch mit Stroh- und Reet gedeckt. Und genau diese wurden Opfer der Flammen, während andere hart gedeckte Gebäude im Zentrum nur leicht beschädigt wurden.
Unter den Häusern, die bis auf die Grundmauern niederbrannten, war auch das alte Pastorat der St.-Salvatoris-Kirche, in dem 1928 die Stadtverwaltung ihren Sitz hatte. „Das alte Pastorat war ein Baukunst-Denkmal, das sich mit dem Hof Eggers in Kirchwerder vergleichen lässt“, sagt Helmut Knust, der Vorsitzende der Ortsgruppe des Heimatbunds und Geschichtsvereins. Es stand dort, wo inzwischen der Teich des Stadtparks ist.
Beinahe wäre auch St. Salvatoris abgebrannt
Nur wenige historische Gebäude, wie die St.-Salvatoris-Kirche von 1685 und das 1723 gebaute Krügersche Haus (heute Tourist-Info und Museum) blieben erhalten. „Vor beiden Häusern standen Laubbäume, die den Funkenflug abgewehrt haben. Das ist auch ein Grund, warum um Kirchen herum meist große Bäume stehen – als natürlicher Brandschutz“, ergänzt Helmut Knust. Und doch wäre es um die St.-Salvatoris-Kirche beinahe geschehen gewesen.
Der starke Wind aus nordöstlicher Richtung drehte erst nach Norden, später gen Südosten und trieb so die Funken über den Ortskern. Gegen 18 Uhr waren auf einer Länge von zwei Kilometern Feuerwehrleute im Einsatz. Um eine weitere Ausbreitung des Brandes zu verhindern, besprengten sie noch nicht brennende Häuser mit Wasser – zum Teil mit Handdruckspritzen.
„Von dem in unmittelbarer Nähe brennenden Gehöft in der Elbstraße ging ein wahrer Funkenregen auf Dach und Turm der Kirche nieder, und zum Schrecken aller Anwesenden begann es plötzlich an verschiedenen Stellen des Daches zu qualmen“, schrieb der Berichterstatter der Bergedorfer Zeitung. Doch hier gelang der Feuerwehr trotz schlechter Ausstattung die Rettung.
Nach dem Brand bekam Geesthacht eine Wasserversorgung
Die Wasserversorgung in Geesthacht war 1928 unzureichend. Das war bereits nach dem Brand von 1887 aufgefallen, als sogar 39 Wohnhäuser abbrannten. Der Ruf nach einer Feuerlösch-Ringleitung, wie seitdem immer wieder von der Hamburger Feuerkasse und vom Hamburgischen Staat gefordert (Geesthacht gehört bis 1937 zur Hansestadt), wurde erst nach der Brandkatastrophe von 1928 erhört.
1930 entstanden das Pumpwerk Richtweg und ein unterirdisches Rohrleitungsnetz samt 22 über das Stadtgebiet verteilter Hydranten. Aus der Feuerlösch-Ringleitung sollte 1931 die städtische Wasserversorgung hervorgehen.
Am 3. Mai 1928 waren dagegen noch von Pferden gezogene Wasserwagen im Einsatz. Die 80 Feuerwehrleute, unterstützt von Kameraden aus Altengamme und Neuengamme, waren völlig überfordert. „An allen Ecken und Ende loderte es auf, und kaum hatte man an einer Stelle mit den Rettungsarbeiten begonnen, als bereits wieder Notschreie von anderen Punkten ertönten“, berichtete die Bergedorfer Zeitung. Es dauerte damals aber eine geschlagene Stunde, bis die Bergedorfer Feuerwehr um 16.05 Uhr in Geesthacht eintraf.
Bahnschranken versperren Hamburger Feuerwehr den Weg
Noch länger brauchte die Hamburger Feuerwehr, die mit drei Löschzügen erst um 16.50 Uhr am Ort des Geschehens helfen konnten. Ihnen waren, wie beim Brand von 1887, geschlossene Bahnschranken am Übergang Bergedorf-Sande zum Verhängnis geworden, wo ein Güterzug rangierte. „Als eine Folge daraus wurden die Bahngleise in Bergedorf schneller als geplant auf einen Damm gelegt“, sagt Helmut Knust. Gegen 20 Uhr hatten die Feuerwehrleute den Brand unter Kontrolle.
Schon am folgenden Tag kam die Geesthachter Stadtvertretung zu einer Notsitzung zusammen und bildete einen Notstandsausschuss. Es war der Beginn einer großen Hilfsaktion. An den Brandstellen wurde Spendendosen aufgehängt, Zeitungen veröffentlichten Spendenaufrufe. 14 Banken und Sparkassen öffneten ein Konto „Hilfswerk Geesthacht“.
1928 geht als Schicksalsjahr in die Geesthachter Geschichte ein
Für Geesthacht bedeutete der Verlust des alten Ortskerns zwar einen immensen Schaden, der Brand hatte neben der neuen Wasserversorgung aber auch positive Effekte. Die Feuerkasse ersetzte die meisten Häuser zum Neubauwert, andere Besitzer erhielten günstige Darlehen. Gleichzeitig entstanden städtische Wohnungen am Richtweg, Hörner Weg und Keil. Durch die Baumaßnahmen sank die Zahl der Arbeitslosen von 494 Personen am Jahresanfang auf 223 im August.
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Der große Brand war indes nur der Auftakt des Geesthachter Schicksalsjahres 1928. Im Mittelpunkt stand dabei die vor Ort starke Kommunistische Partei, die in Geesthacht bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft im Februar auf 41,5 Prozent kam. Auch deshalb trug Geesthacht den Beinamen „Klein Moskau“.
Harmlos war, dass die Kommunisten die Bergedorfer Straße (erfolglos) in Karl-Marx-Straße umbenennen wollten und eine rote Stadtfahne samt Stadtwappen forderten, um sie später mit einem Sowjetstern ergänzen zu können. Doch als am 30. September die Stadtvertretung neu gewählt wurde, kam es zwischen etwa 3000 Kommunisten und Sozialdemokraten zur „Schlacht am Runden Berge“, mit drei Todesopfern – aber das ist Stoff für eine andere Geschichte.