Lauenburg / Ratzeburg. Mit Plus von sieben Prozent Übernachtungen ist der Kreis im Aufwind. Corona scheint überwunden, aber die Betriebe plagen andere Sorgen.
Einen deutlichen Zuwachs für den Tourismus im Kreis Herzogtum Lauenburg hat das Statistikamt Nord für das Jahr 2023 verzeichnet. Ein Plus von rund sieben Prozent steht all den Befürchtungen entgegen, der erkennbare Aufschwung bei Auslandsreisen nach Ende der Corona-Pandemie werde sich mit schwindenden Zahlen auf Ziele in Deutschland durchschlagen.
In Hamburg betrug das Plus für 2023 sogar 8,4 Prozent der erfassten Übernachtungen. Das Bild ist jedoch tatsächlich schief, und die Probleme für Beherbergungsgewerbe und Gaststätten sind andere.
Herzogtum Lauenburg: Tourismus trotzt Problemen – Zahlen weisen nach oben
Positiv: Auch für 2024 ist bislang kein Einbruch erkennbar. Die Buchungszahlen zu Ostern seien im Herzogtum gut gewesen, sagt Günter Schmidt, Geschäftsführer der Herzogtum Lauenburg Marketing Gesellschaft (HLMS). Die Entwicklung gleiche in etwa der im Vorjahr. Schmidt ist zuversichtlich: „Wir haben die Folgen der Pandemie komplett überwunden.“
Auswirkungen hat dagegen die Rückkehr zu einem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent in der Gastronomie zum Jahresanfang. Die massive Anhebung können Lokale und Gasthöfe nur zum Teil an die Kunden weitergeben. Proteste gegen die Ungleichbehandlung von Gaststätten einerseits, Schnellimbissen und Lieferdiensten andererseits – sie zahlen weiterhin nur den für Lebensmittel üblichen Steuersatz von sieben Prozent – haben in Berlin keine Wirkung gezeigt.
Kohlrouladen und Labskaus kehren zurück
Wer seine Speisekarte anpasst, etwa anstelle teurer Spezialitäten vermehrt Hausmannskost und saisonale Produkte anbietet, erlebt gelegentlich Überraschungen, berichtet ein Insider. „Selbst gemacht lässt sich bei den Gästen auch mit Kohlrouladen, mit grünen Heringen und Bratkartoffelgerichten punkten.“
Eine Erkenntnis, die auch Mareike Bodendieck, Chefin der Tourist-Information Lauenburg, teilt. „Regionale und saisonale Produkte liegen im Trend.“ Manche Klassiker, die früher das ganze Jahr über auf der Karte standen, werden jetzt nur noch zur Saison aufgetischt. Vorausgesetzt, sie sprengen nicht den Preisrahmen der Kunden. Andere, zeitlose Gerichte erfahren eine Renaissance, weiß Bodendieck, etwa Labskaus.
Personalmangel: Lokale machen früher zu – oder schließen ganz
Deutschlandweit große Probleme bereitet dagegen der Fachkräftemangel. In der Pandemie haben sich viele Menschen umorientiert, arbeiten jetzt in anderen Dienstleistungsbranchen oder im Einzelhandel. Viele Gaststätten, aber auch Hotels und Pensionen, haben ihr Angebot und ihren Service beziehungsweise ihre Öffnungszeiten eingeschränkt, andere Betriebe haben angesichts der Personalnot ihre Türen für immer geschlossen.
Belastung für Köche und Kellner steigt
„Mehr Arbeit wird aktuell von weniger Köchinnen, Kellnern und Rezeptionistinnen geschultert“, sagt Anne Widder von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Das gelinge nur, weil Abstriche im Angebot gemacht würden: „Entschlackte Speisekarten, weniger Zimmer, dafür mehr Ruhetage. Der Personalmangel macht vielen Hotels und Restaurants im Herzogtum zu schaffen.“
Schlechte Bezahlung und ungünstige Arbeitszeiten sind aus Sicht der NGG die Hauptverantwortlichen für die Situation. Die Lage werde noch dadurch verschlimmert, dass sich nur wenige für eine Berufsausbildung in Hotels oder Gastronomie entscheiden. Zugleich brechen weit überdurchschnittlich viele Auszubildende ihre Lehre ab, warnt die Gewerkschaftssekretärin. Eine bundesweite Mitgliederbefragung habe einen Wert von 52 Prozent Abbrechern im Hotel- und Gaststättenbereich ergeben, damit eine Zahl weit über vielen anderen Branchen.
52 Prozent Abbrecher in der Ausbildung? Im Herzogtum sieht‘s besser aus
Aktuelle Daten habe er zwar nicht, die Quote von mehr als 50 Prozent Abbrechern scheine ihm jedoch mit Blick auf den Kreis Herzogtum Lauenburg viel zu hoch, hält Günter Schmidt dagegen. „Unser Netzwerk funktioniert. Abbrechern in einem Betrieb können wir häufig einen Ausbildungsplatz in einem anderen vermitteln, wo sie ihre Ausbildung fortsetzen können.“
Die Bereitschaft zu einer Ausbildung in dem Sektor steige zudem wieder, sagt Schmidt: „Wir haben wieder mehr Azubis, in Hotels, in Gaststätten und auch Köche.. Den Einbruch infolge der Corona-Pandemie überwinden wir.“
Fehler im System: Statistik liefert schiefes Bild
Die Übernachtungsstatistik des Landes weist traditionell eine deutliche Schieflage auf. 691.000 Übernachtungen nennt sie für den Kreis Herzogtum Lauenburg im Jahr 2023. „Die offiziellen Daten beinhalten aber nur die Zahlen aus Betrieben mit zehn Betten und mehr“, erläutert Schmidt. Hinzu kämen etwa 600.000 Übernachtungen auf Campingplätzen und geschätzt 200.000 in kleineren Betrieben und Privatzimmern.
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Als gesichert gilt dagegen die unterschiedliche Verteilung der durchschnittlichen Übernachtungsdauer über den Kreis. Sie liegt im Norden mit fünf in Ratzeburg und 4,3 in Mölln etwa doppelt so hoch als im Süden mit 2 bis 2,2 in Lauenburg und Geesthacht, so Schmidt.
„Zum Urlaub an den Seen im Norden kommen noch die Übernachtungen in der Kurstadt Mölln“, erläutert Mareike Bodendieck. Im Süden profitieren Lauenburg wie auch Geesthacht von der Lage an der Elbe, der relativen Nähe zu Hamburg mit guten Busverbindungen wie auch vom wachsenden Radtourismus entlang der Elbe.
Mehr Anfragen, als Lauenburg Zimmer bietet
Der weiteren Saison sieht die Expertin mit Optimismus entgegen. Für den Sommer rechnet sie mit einer Buchungssituation, wie sie sich in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt hat. „Wir könnten dann regelmäßig mehr Gäste unterbringen, als Zimmer in Lauenburg zur Verfügung stehen.“
Neu sei allerdings die Furcht vieler Gastronomen. Sie bangen mit Blick auf Elbbrückensperrung und Hangabrutsch an der B209 (Hafenstraße) um die Erreichbarkeit ihrer Betriebe in den wichtigsten Wochen des Jahres. Mareike Bodendieck setzt darauf, dass die Schifferstadt auch für Autofahrer erreichbar bleibt. „Wir profitieren zugleich davon, dass viele Radtouristen Lauenburg ansteuern, die kommen zu uns durch.“
Wald, Seen und Elbe: Die Mischung macht‘s
Günter Schmidt sieht den Kreis gegenüber Mitbewerbern durch einen Mix im Vorteil, der sich im Land kaum anderswo bietet. „Wir haben nicht nur unsere schönen Seen, die Elbe und den Elbe-Lübeck-Kanal. Eine solches Nebeneinander von Wasser und viel Wald findet sich in Schleswig-Holstein sonst nirgendwo.“
Lauenburg punktet mit Altstadt und zwei Jugendherbergen
Die Stadt Lauenburg wiederum punktet nicht nur mit ihrer historischen, malerischen Altstadt sowie mit der Lage an der Elbe und am Beginn des Kanals nach Lübeck, weiß Bürgermeister Thorben Brackmann. Mit gleich zwei Jugendherbergen verfügt die Schifferstadt über Frequenzbringer, um die sie viele beneiden.
„Die Jugendherberge am Sportplatz wird von vielen Jugendgruppen und Sportlern angesteuert“, so Brackmann. Die Zündholzfabrik mit ihrem schönen Blick auf die Elbe spreche eine andere Klientel an. „Die tolle Ausstattung erinnert kaum mehr an eine Jugendherberge, wie sie viele Menschen aus der Vergangenheit kennen. Hier fühlen sich Eltern mit ihren Kindern in speziellen Familienzimmern ebenso wohl wie Radwanderer, die in Lauenburg Station machen.“