Schwarzenbek/Lauenburg. Lage der Gastronomie bleibt schwierig. Schadet die Zwickmühle aus steigenden Kosten und fehlendem Personal auch dem Tourismus?
Gegen den fortschreitenden Personalmangel in der Gastro-Brancheverlangt die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) ein Einstiegsgehalt von mindestens 3000 Euro nach absolvierter Ausbildung. Problem: Zwölf Euro gesetzlicher Mindestlohn reichen nicht für ein auskömmliches Einkommen – andererseits erleben Lokale und Restaurants schon jetzt, dass die deutlich gestiegenen Preise der vergangenen Jahre immer mehr Kunden abschrecken.
Gewerkschaft NGG fordert 3000 Euro Einstiegsgehalt
„Wenn wir Berufsanfängern mindestens 3000 Euro im Monat zahlen, was sollen dann erfahrene Kräfte erhalten? 4000 Euro oder besser doch 5000 Euro? Und woher soll das Geld kommen?“, fragt Sandra Steenbock (Braaker Krug), Tochter des Stormarner Dehoga-Vorsitzenden Dirk Steenbock.
Über die bereits bestehende Kostenentwicklung hinaus müssten die Preise um mindestens weitere 20 Prozent steigen, um die geforderten Lohnerhöhungen auszugleichen, schätzt die erfahrene Gastronomin. „Das Problem ist, die Gäste zahlen keine 20 Euro für eine Pizza.“
„Die Gäste zahlen keine 20 Euro für eine Pizza“
Wirte reagieren auf den Personalmangel, indem sie Öffnungszeiten verringern. Nach der überstandenen Corona-Pandemie haben viele sich gescheut, zu alten Öffnungszeiten zurückzukehren, konnten dies auch gar nicht, weil reichlich Personal in andere Branchen abgewandert ist. Viele, die vor Corona in Restaurantküchen, als Kellner oder im Zimmerservice tätig waren, haben längst eine Beschäftigung etwa in Supermärkten oder Geschäften gefunden – bei vergleichbarem Gehalt aber ohne Nacht- und Sonntagsarbeit.
Wachsender Personalmangel, weiter steigende Einkaufspreise, dazu die Gefahr, dass für Essen in Gaststätten vom kommenden Jahr an wieder ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gefordert wird – anstatt der ansonsten üblichen sieben Prozent für Nahrungsmittel: Hotels und besonders Gastronomie leiden unter dem Kostendruck und sinkenden personellen Kapazitäten.
Tourismus-Experten fürchten negative Folgen
Menschen, die gern auch mal mittags essen gehen möchten, erleben derzeit, dass viele Gaststätten das Mittagsgeschäft abschreiben, erst zum Abend öffnen. Die Restaurants sind in der Zwickmühle, auch wenn die Inhaber den Personalmangel ausblenden. Ihr Dilemma: Weiter steigende Preise lassen sich nur eingeschränkt an die Kunden weitergeben, und angesichts der weiter hohen Inflation schränken diese ihre Ausgaben deutlich ein.
Im Kreis Herzogtum Lauenburg fürchten Verantwortliche auf Dauer negative Folgen für den wichtigen Tourismussektor. Wer etwa eine Radreise durch den Kreis unternimmt, vielleicht entlang der Elbe, oder wer die malerische Lauenburger Altstadt besucht, ist gut beraten, frühzeitig die Frage zu klären, wo sich tagsüber der Hunger stillen lässt. Täglich steuern Besucher die Touristeninfo der Stadt an, um sich schlau zu machen.
Die Suche nach einem Lokal, das mittags geöffnet hat
„In der Regel können wir helfen, Lauenburg steht noch besser da als viele andere“, sagt Tourismusmanagerin Mareike Bodendieck. Aber montags und auch dienstags sei das Angebot schon deutlich ausgedünnt. „Die Corona-Pandemie hat manchen den Todesstoß versetzt, andere haben ihre Öffnungszeiten weiter eingeschränkt.“
Als feste Größen in der Schifferstadt sieht Veranstaltungsmanager Andy Darm neben wenigen anderen „Schifferbörse, Schifferhaus und den Rufer, dazu den Altstadt-Imbiss nahe der Hitzlerwerft“. Das angesehene Bellevue dagegen sei vielen Touristen zu weit, bedauert Andy Darm: „Nur wenige wollen von unserer Altstadt nach oben laufen.“
Organisatoren werben für Fischmeile um Lauenburger Gastronomen
Das Problem zeigt sich auch bei der beliebten Lauenburger Fischmeile. Wurde sie noch vor wenigen Jahren von Lauenburger Gastronomen bestückt, waren es zuletzt nur noch wenige, so Darm: „Es heißt dann, wir müssen mit unserem Personal erstmal unsere Geschäfte öffnen.“
Jetzt schließen andere Anbieter aus dem Umland oder Hamburg die Lücken, sagt Darm: „Wer sein Geschäft auf Jahrmärkten und Volksfesten sieht, tut sich damit leichter.“
Keine Touristen? Dann wird das Gastro-Angebot dünn
Anders als der Tourismusmagnet Lauenburg weist das etwa eineinhalbmal größere Schwarzenbek nur eine geringe Zahl Gaststätten auf. Wenn dann noch Schröders Hotel wie derzeit Betriebsferien macht, können sich Hungrige entscheiden, ob sie es beim örtlichen Italiener oder Chinesen versuchen wollen.
Ohne Touristen ist die Bandbreite an deutscher Küche noch deutlich geringer als etwa an der Elbe. Immerhin hat Schröders Hotel auch mittags für hungrige Kunden geöffnet.
Schließt ein Landgasthof, ist es meist für immer
Ganz schwierig wird die Situation, wenn auf dem Land Wirte ihre Lokale oder Gaststätten aufgeben. Etwa weil Kosten explodieren, ihnen Kunden wegbleiben oder sich keine Mitarbeiter oder Nachfolger finden lassen. „Was erst mal geschlossen ist, bleibt in der Regel zu“, bestätigt Anke Asmus (46). Die Vollblutgastronomin betreibt nicht nur die Gaststätte Hans Heitmann in Wotersen – sie ist auch Vorsitzende der Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Kreis Herzogtum Lauenburg.
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Die Corona-Pandemie habe viele Wirte zur Aufgabe gezwungen, andere hätten sich mit äußerster Mühe noch über Wasser halten können. „Steigen jetzt Kosten und Gehälter weiter, werden noch mehr Wirte aufgeben müssen“, weiß Asmus. „Auch zwölf Prozent Verteuerung könnte ich nicht komplett an die Gäste weitergeben“, sagt Asmus mit Blick auf die Gefahr, dass die Mehrwertsteuer wieder angehoben wird.
Die Furcht: Höhere Preise vertreiben die Gäste
Es drohe eine unheilvolle Spirale: „Wenn wir die Preise anziehen, bleiben immer mehr Gäste weg. Dann haben wir nichts gewonnen.“ Manche Gäste hätten schon jetzt deutlich reduziert, bestätigt die Dehoga-Chefin: „Statt früher einmal in der Woche kommen manche jetzt einmal im Monat zum Essen oder noch seltener.“
Auch in der Gaststätte Hans Heitmann wurden die Öffnungszeiten reduziert. Montag und Dienstag sind Ruhetage, an den weiteren Wochentagen öffnen sich die Türen, von Familienfeiern abgesehen, erst um 17 Uhr. Nur am Wochenende ist von 12 Uhr an geöffnet.
Geöffnet wird, solang das Personal reicht
Noch konsequenter der Braaker Krug. Das Personal reiche nur für eine Schicht am Tag. Um im Schnitt mit acht Stunden auszukommen, sind die Öffnungszeiten am Wochenende auf 12 bis 20 Uhr beschränkt. Mittwochs öffnet die Gaststätte von 12 bis 15 Uhr, donnerstags von 17 bis 20.30 Uhr. „Das stößt bei manchen Gästen auf Unverständnis“, bedauert Sandra Steenbock. „Doch selbst mit Aushilfen können wir keine zwei Schichten besetzen.“
Der Vorstoß der NGG, dem Personalmangel mit deutlichen Lohnerhöhungen zu begegnen, halten beide Gastronominnen für wenig hilfreich, weil kaum finanzierbar. Doch mit Abwarten lassen sich die Probleme nicht lösen.
Ausbilder werden in Nachmittagsseminaren
Anke Asmus hat vergangenes Jahr ein spezielles Angebot im Kreis Herzogtum Lauenburg genutzt. Sie hat mit sechs anderen Gastronomen sowie einem Touristikexperten ihren Ausbilderschein gemacht: Nach der bestandenen Ausbildereignungsprüfung darf sie nun Köche, Küchenkräfte wie auch Service-Personal selbst ausbilden. „Ausbilder-Seminare werden häufig abends angeboten, doch für Gastronomen ist dies keine Lösung“, stellt Asmus klar.
Mit den anderen hat sie jeweils montags nachmittags im BBZ Mölln für drei Stunden die Schulbank gedrückt. Und darf sich jetzt selbst um die dringend benötigten Nachwuchskräfte kümmern. „Seit vergangenem Jahr bilde ich eine Servicekraft aus. Und dieses Jahr ist junger Mann dazugekommen, der bei mir eine Ausbildung zum Koch absolviert.“