Geesthacht. Die Kuhtränke ist ein einzigartiges Kleinod und lebenswichtig für den Erhalt des Grasfrosches. Wie Naturschützer helfen.
Auch kleine Wesen von der Länge eines Fingernagels und dem Querschnitt eines Bindfadens können ziemlich schwer werden. Zweimal muss Sonja Higgelke von den Geesthachter Grünen die großen Eimer mit den Kaulquappen absetzen auf dem Weg zum Auto. Die Masse macht es. Tausende der bis zu drei Wochen alten Winzlinge wimmeln im Wasser in ihren Behältern herum.
Die Lage ist dramatisch. Die Tierchen müssen umgesiedelt werden, sie würden sonst in wenigen Wochen tot sein. Auch Friedhelm Ringe und Edeltraut Vollbrandt von der Geesthachter Ortsgruppe des Naturschutzbundes (Nabu) schleppen jeder zwei volle Eimer durch den Geesthachter Stadtwald nördlich des Silberberges zu ihren Fahrzeugen.
Große Sorgen um Geesthachts einziges Hochmoorparadies
Die Babys des Grasfrosches stammen aus der Kuhtränke, der letzten Wasserfläche im Stadtwald. Nur hier findet der Grasfrosch noch eine Babystube. Es ist das allerletzte Refugium. Eine zweite Chance für die Eiablage gibt es nicht mehr.
Bis vor etwa vier Jahren wurde ein Gartenteich auf einem Privatgrundstück in der Nähe von ihnen ebenfalls zum Laichen genutzt. Der ist nun verfüllt. Nun wandern alle Grasfrösche zu dem kleine Feuchtbiotop mitten im Wald. Der Nabu hat in diesem Jahr weit über 20 Laichballen gezählt.
Die Tümpelchen trocknen schneller aus, als die Frösche erwachsen werden
Aber die Zeit läuft auch hier gegen die Amphibie. Überall schwinden die Bestände. „In drei Wochen steht nur noch ein Zentimeter Wasser in der Kuhtränke“, sagt Friedhelm Ringe. Die Handvoll kleiner Tümpelchen, nie länger als einen Meter, trocknet seit vier Jahren schneller aus, als sich der Froschlaich entwickeln kann.
Erst Mitte Mai pflegen die Jungfrösche an Land zu krabbeln, um sich fortan im Wald durchzuschlagen. Das ist mittlerweile zu spät. Es wird trockener im Frühjahr. „Die Kuhtränke füllt sich nur noch im Winterhalbjahr auf“, sagt Friedhelm Ringe. Gespeist werden die kleinen Wasserlöcher ausschließlich aus Regenwasser. Und das wurde zuletzt zunehmend rar ab Ende März.
Zuwenig Nass, um den Laich von sechs Weibchen durchzubringen
Zwei der Schlenken wurden zwar etwas vertieft, dort sammelt sich das allerletzte Wasser, wenn der Rest drumherum schon verschwunden ist. Es bedeutet aber zu wenig Nass, um den Laich von ungefähr sechs Weibchen durchzubringen. Die Kaulquappen würden sich die Nahrung wegnehmen.
Die kleinen Quappen ihrerseits sind unter anderem begehrte Happen für Marder, Fuchs, Igel und Ringelnattern. Auch Vögel wie Amseln verschmähen sie nicht, die Wasserläufer, eine Unterart der Wanzen, stechen sie an. „Nur etwa fünf Prozent der Kaulquappen eines Laichs überleben“, erklärt Friedhelm Ringe.
Der Teich an der Hansastraße spielt eher keine Rolle beim Amphibienschutz
So hat der Nabu nach dem Erkennen des Problems im vergangenen Jahr damit begonnen, soviel Laich und Quappen wie möglich in Eimern abzuschöpfen. Zum Aussetzen werden sie aufgeteilt auf vier Teiche im Industriegebiet Mercatorstraße sowie einem im Finkenweg Ost.
Der Teich an der Hansastraße dürfte laut Friedhelm Ringe eher keine Rolle beim Amphibienschutz spielen, trotz Sanierung. Früher gab es hier welche, aber der Biologe erwartet nicht, dass sie zurückkehren. „Es ist zu weit weg vom Waldrand, und es sind viel zu viele Straßen dazwischen“, sagt er.
Die Kuhtränke als Hochmoor ist ein echtes Kleinod für Geesthacht
„Zu sagen, die Kuhtränke sei etwas Besonderes, ist untertrieben“, meint Friedhelm Ringe. „Es ist ein echtes Kleinod, Geesthachts zweites zusammen mit den Besenhoster Binnendünen“, ordnet er die Einmaligkeit des sensiblen Areals als Ökosystem ein, das auch im Südkreis ihresgleichen sucht.
Es handelt sich um ein Hochmoor, knapp 100 Jahre alt. Einige seltene Pflanzen wachsen hier. Das ungefähre Alter lässt sich ableiten aus der Dicke der Schichten. Eine Stabmessung ergab 2023 eine Tiefe von 80 Zentimetern. Ein Hochmoor wächst pro Jahr um bis zu einem Zentimeter auf den Ablagerungen in die Höhe, daher der Name.
Früher zierte ein großflächiger Heideteppich die Dünenlandschaft
In der kleinen Senke wächst an den Rändern noch Heide. Vor dem 2. Weltkrieg prägte Erika die Dünenlandschaft auf großer Fläche. Die Kuhtränke – früher diente sie der Rindererfrischung – hat als einziger Tümpel dieser grandiosen Landschaft überlebt. Die anderen Wasserlöcher verschwanden im Zuge der Aufforstung in den 1950er-Jahren.
Die Kuhtränke wurde bei der Bewaldung ausgelassen, um auf drei Hektar Fläche eine Erinnerung zu behalten, wie es hier mal ausgesehen hatte. Auch das letzte Stückchen wäre längst von Bäumen verdrängt, würde der Nabu nicht jährlich einige Arbeitsstunden zur Pflege ableisten.
- Becher oder Waffel? Hier können Eisfans sparen
- Jugendsport ohne Gewinner und Verlierer: genial oder absurd?
- Baustellenfalle: Rehe am Schleusengraben eingesperrt
Die Nabu-Mitglieder schneiden Adlerfarn und Pfeifengras zurück, nur deswegen hält die sonnenliebende Heide durch. Auch das willkommene Torfmoos wächst da, wo Licht ist. Es speichert Wasser wie ein Schwamm und überlebt lange Trockenzeiten, wird dann zum Bleichmoos und sieht aus wie tot. Doch mit etwas Regen kehrt schlagartig die grüne Vitalität zurück.
Ein Vorbild für Naturschützer angesichts des kläglichen Zustandes der Flora und Fauna in diesem Land. „Aufgeben darf man nicht“, sagt Edeltraut Vollbrandt.