Hamburg. Anwohner sorgen sich um eingeschlossene Tiere und suchten nach Ansprechpartner. Tierrettungsverein Looki wusste schließlich Rat.

Morgens früh beim Joggen wurden funkelnd-rote Augen im Brombeerbusch entdeckt. Bei der abendlichen Dämmerung dann die Gewissheit: Auf der großen Baustelle zwischen Schleusengraben und Weidenbaumsweg befinden sich Rehe, „mindestens eine Mutter mit Rehkitz“, sagt Sabine Gottscheid. Die Anwohnerin von den Glasbläserhöfen geht mit ihrem Hund Ludwig oft am Bauzaun entlang, der das große Gelände umfasst – und macht sich Sorgen: „Der Zaun hat keine Lücken, die Tiere sind seit Wochen eingesperrt und könnten auf der Suche nach Wasser in einen Graben rutschen.“

Zunächst fragte sie Bergedorfs Revierförster um Rat. Der indes sei nicht zuständig und verwies auf die Polizei, um herauszufinden, ob der Bereich in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk liege. Schließlich fragte Sabine Gottscheid Vanessa Haloui vom Bergedorfer Tierrettungsverein Looki um Rat. Mit den Worten „die Bauzäune kesseln die Wildtiere ein, das darf nicht sein“, alarmierte diese kurzerhand Bergedorfs Amtsveterinär Dr. Thomas Müller mit dem Hinweis, hier werde gegen das Tierschutz- und Naturschutzgesetz verstoßen.

Rehe auf der Baustelle am Schleusengraben eingeschlossen

„Wir waren gleich vor Ort und haben auch Paarhufespuren im Sand gesehen. Die Baustellensicherheit ist natürlich wichtig, aber jetzt müssen wir mal sehen, wie wir eine Lösung finden und die Rehe befreien können“, so der Tierarzt, der sowohl Kontakt mit der Baufirma aufnehmen will als auch den für Wildtiere zuständigen Stadtjäger verständigen wird: „Abschießen wäre nicht die glücklichste Lösung. Vielleicht kommt ein Betäubungsgewehr zum Einsatz, um die Rehe einfangen und woanders aussetzen zu können“, überlegt er.

Spaziergängern bleibt zwischen den Zäunen um die beiden Baugebiete für Schleusengaben-Brücke und Weidensteg-Viertel nur ein schmaler Streifen. Einen Durchlass, etwa für eingesperrte Wildtiere, gibt es (noch) nicht.
Spaziergängern bleibt zwischen den Zäunen um die beiden Baugebiete für Schleusengaben-Brücke und Weidensteg-Viertel nur ein schmaler Streifen. Einen Durchlass, etwa für eingesperrte Wildtiere, gibt es (noch) nicht. © bgz | Anne Strickstrock

Gefahr im Verzug sei allerdings nicht, kein Tier müsse verdursten oder verhungern: „Die sitzen im Busch und kommen bei Dämmerung heraus, trinken aus den Pfützen und haben mit den jetzt sprießenden Pflanzen im Unterholz auch genug zu fressen.“ Überall in Bergedorf gebe es Rehe, auch nah am Stadtrand, „wo sie in den Gärten gern Blumen fressen“, weiß Thomas Müller.

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Das Problem, laut Tierschutzverein Looki, seien die vielen Baustellen überall im Bezirk, nicht nur im künftigen Weidensteg-Viertel, wo mit dem Investor Swiss Life 710 Wohnungen, ein großer Supermarkt und eine Kita entstehen. Dazu kommt nebenan die aktuelle Baustelle für die Brücke, die Ende 2024 über den Schleusengraben führen wird. „Auf anderen Baustellen habe ich zwei verletzte Igel eingesammelt. Und am Curslacker Neuen Deich, wo die Bäume für die Hauni gefällt wurden, lag eine Wildschweinmutter mit Frischling ersoffen im Graben.“

Vanessa Haloui aus Lohbrügge, Vorsitzende des Bergedorfer Tierschutzvereins Looki, kümmert sich auch um verletzte Igel, Waschbären, Eichhörnchen oder – wie hier – ein Nutria.
Vanessa Haloui aus Lohbrügge, Vorsitzende des Bergedorfer Tierschutzvereins Looki, kümmert sich auch um verletzte Igel, Waschbären, Eichhörnchen oder – wie hier – ein Nutria. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Dass grundsätzlich gebaut werde, sei ja in Ordnung, aber „dabei dürfen nicht die Tiere zu Schaden kommen, die da vorher gelebt haben“, so die Tierschützerin, die ihre politische Heimat gerade von der CDU zu den Grünen wechselte: „Für die sitze ich jetzt im Bergedorfer Umweltausschuss und weise hier darauf hin, dass auch Eisvögel und Fledermäuse streng unter Artenschutz stehen. Auch darauf müssen wir bei allen Bautätigkeiten Rücksicht nehmen.“