Lauenburg. Unfassbar: Sieben Tore Vorsprung reichten den Handballerinnen der Lauenburger SV im Spitzenspiel nicht zum Sieg. Das ganze Drama.
Minutenlang saßen die Handballerinnen Lena Hadeler und Sarah Lemmermann auf der Bank der Lauenburger SV und starrten ins Leere. Sie konnten nicht fassen, was sich den 60 Minuten zuvor in der voll besetzten Sporthalle am Hasenberg zugetragen hatte. Eine Sieben-Tore-Führung hatten die Elbdiven im Spitzenspiel der Schleswig-Holstein-Liga gegen den Tabellenführer SV Henstedt-Ulzburg II noch aus der Hand gegeben. Die Meisterschaft ist dahin, der Aufstieg damit wohl auch. Einfach unglaublich!
Und schwer zu ertragen. Als die Schlusssirene ertönte und die 21:22-Niederlage der Lauenburgerinnen feststand, sank Kreisläuferin Lena Bahde genau an dem Ort, an dem sie sich gerade befand, zu Boden und musste von Trainer Daniel Schwarz getröstet werden. Nichts mehr sehen, nichts mehr hören, nichts mehr fühlen.
Meisterschaft verzockt: Elbdiven stürzen ins Tal der Tränen
Aus den Boxen erklang „My heart will go on“, das wehmütige Titellied aus „Titanic“. Einfach die Augen schließen und hoffen, dass das alles nur ein böser Traum war. Aber es war keiner! „Wir hatten heute die besten Voraussetzungen“, sagte Lena Hadeler fassungslos, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte. „Wir hatten das Hinspiel gewonnen. Wir haben heute klar geführt. Und dann so etwas!“
Ganze sechs Tore – SECHS TORE – brachten die Elbdiven in der zweiten Hälfte zustande. Es war eine verrückte Mischung aus Nervosität, Karma, Wurfpech, mangelnder Konzentration und allem, was sonst noch so gegen einen laufen kann. „Wir haben es einfach nicht mehr verstanden, vorne die Bälle reinzubringen“, resümierte LSV-Coach Daniel Schwarz ratlos.
Taktische Umstellungen der Lauenburger SV bleiben wirkungslos
Gegentor um Gegentor schmolz der Vorsprung zusammen. Weder die Anweisungen von außen konnten daran etwas ändern, noch ein Timeout, noch der späte Versuch, Henstedt-Ulzburgs ehemalige Drittliga-Spielerin Sarah Wulff durch LSV-Abwehrchefin Sarah Lemmermann kurz decken zu lassen. Nichts half.
Dabei war doch alles bereit für einen Festtag des Handballs, der aus Lauenburger Sicht natürlich mit einem Happy End enden sollte. Die Halle: proppevoll. So 250 Zuschauer mindestens. Es war so voll, dass die Zuschauer selbst ganz oben auf der Tribüne auf dem Gang noch auf voller Hallenbreite in Zweierreihen drängten.
Ohrenbetäubende Kulisse stellt Spielerinnen vor besondere Probleme
Die Kulisse: imposant. Daran hatten die Gäste vom Tabellenführer SV Henstedt-Ulzburg II großen Anteil, die einen ganzen Tribünenblock füllten und ihr Team lautstark mit Trommeln und Pauken anfeuerten. Ohrenbetäubend. Ebenso natürlich die Gastgeber aus Lauenburg, sodass die Halle von einem ständigen Beben erfüllt war.
„Das war wirklich großartig“, freute sich LSV-Spielmacherin Joelle Gümüsdere. „Es war so unbeschreiblich laut, dass ich unten auf dem Feld gar nicht wusste, wie ich die einzelnen Spielzüge ansagen sollte. Niemand hat mich gehört.“
Der Meister steigt auf, der Zweite aller Voraussicht nach nicht
Die Gäste erwischten den besseren Start, führten schnell mit 3:0, bevor die Elbdiven ins Rollen kamen. Doch von Minute zu Minute wurden die Lauenburgerinnen sicherer, die Abläufe stimmten, alles passte. Als Anna Marcela Krajewski schließlich nach 13 Minuten zum 7:7 ausglich und gleichzeitig Henstedts Beste, Sarah Wulff, eine Zwei-Minuten-Strafe kassierte, war die Trendwende geschafft.
Sie brauchten ja so unbedingt diesen Sieg. Denn nur mit einem Erfolg konnte die LSV dem Spitzenreiter Henstedt-Ulzburg II die Meisterschaft noch streitig machen. Und nur der Meister steigt voraussichtlich in die Oberliga auf. Denn im Gegensatz zur Vorsaison, als zwei Teams aufstiegen, gibt es dieses Mal in den höheren Ligen aufgrund einer Strukturreform weniger Plätze.
Lauenburgerinnen bleiben 17 Minuten lang ohne Torerfolg
Die Elbdiven waren also gefordert. Und sie lieferten. Unter dem Jubel der Zuschauer setzten sich die Gastgeberinnen nun Tor um Tor ab. Als LSV-Kreisläuferin Lena Bahde schließlich nach 28 Minuten mit ihrem dritten Treffer das 15:8 erzielte, schien die Partie bereits entschieden zu sein. Sieben Tore Vorsprung. Das musste doch einfach reichen!
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Wer hätte sich in diesem Moment schon vorstellen können, dass den Elbdiven für geschlagene 17 Minuten kein einziger Treffer mehr gelingen sollte? Und dass die starken Gäste Lena Bahde in der zweiten Hälfte komplett aus dem Spiel nehmen würden. Gleich mit bis zu drei Verteidigerinnen warfen sie sich auf die Kreisläuferin, wenn die an den Ball kam. Und mehr als Freiwürfe bekam sie dafür nicht.
Mit ihrem Tempo-Handball zermürbten die Gäste die Elbdiven
Aber Moment mal: Wenn sich bis zu drei Verteidigerinnen um Lena Bahde kümmerten, dann müssen ja irgendwo anders welche frei gestanden haben. Dann müssen da irgendwo Lücken gewesen sein. Doch sie fanden sie nicht. Was immer die Elbdiven auch versuchten, es verpuffte.
Das hatte allerdings auch viel mit der Qualität des Spitzenreiters zu tun, der nie aufgab. „Die sind schon in der Abwehr wie im Angriff wahnsinnig schnell auf den Beinen, das muss man anerkennen“, lobt Joelle Gümüsdere die Gegnerinnen aus Henstedt-Ulzburg.
Im letzten Heimspiel trifft Lauenburg am 28. April auf Sülfeld
Als Hannah Wulff in Minute 43 auf 15:15 ausglich, deutete sich schon an, dass das hier für die Elbdiven dramatisch schiefgehen würde. Und so kam es dann auch: Henstedt-Ulzburg setzte sich auf 22:19 an und rettete einen 22:21-Sieg ins Ziel. Ein verdienter Aufsteiger sind sie, um diese Erkenntnis kann am Sonntagnachmittag in Lauenburg niemand herum.
Die Lauenburger SV trifft zum Saisonfinale zunächst zu Hause auf den SV Sülfeld (28. April, 15 Uhr, Schulstraße) und muss dann noch zu Stjernen Flensborg (4. Mai). Die Vize-Meisterschaft ist den Elbdiven aber schon jetzt nicht mehr zu nehmen – ein schwacher Trost.