Geesthacht. Claudia und Celina Franke: Zwei Generationen machen bei den VfL-Handballerinnen gemeinsame Sache. Eine Seltenheit im deutschen Sport.
Wenn ihre Mutter Claudia Franke früher beim Handball-Training weilte, dann war Tochter Celina oft mit dabei. „Sie hat sich dann Matten herausgeholt und ihre Turnübungen gemacht. Manchmal ist sie im Handstand durch die Halle gelaufen“, erinnert sich Thomas Brodeßer, Trainer des Handball-Regionsligisten VfL Geesthacht, an die Kindertage der heute 17-Jährigen. Bald reichte die Turnmatte nicht mehr als sportliche Herausforderung: Celina Franke vollführte ihre Übungen auf dem Pferderücken, schaffte es im Voltigieren bis zu den deutschen Meisterschaften. Jetzt war es die Mama, die sich oft beim Zuschauen die Zeit vertreiben musste.
Parallel dazu spielt Celina Franke aber auch selbst Handball, seitdem sie fünf Jahre alt ist. „Am Voltigieren habe ich irgendwann die Lust verloren“, erinnert sich die Schülerin des Wirtschaftsgymnasiums am Lämmermarkt. Beim Handball blieb sie. Heute führt sie im Rückraum des VfL Geesthacht Regie bei den Angriffszügen. „Sie ist die Chefin auf dem Feld“, betont Brodeßer, „sie sagt die Spielzüge an, und ihre Mitspielerinnen müssen laufen.“ Eine von diesen Mitspielerinnen ist ihre Mutter Claudia Franke, eine frühere Zweitliga-Spielerin. Sie agiert beim VfL im rechten Rückraum unmittelbar neben ihrer Tochter. „Eigentlich war das nie mein Plan“, gesteht die 52-Jährige. „Ich habe immer gedacht, bis Celina mal bei den Damen spielt, bin ich längst in Handball-Rente.“
Mutter und Tochter: Das neue Traumduo des VfL Geesthacht
Sieben Mal standen Mutter und Tochter in dieser Saison gemeinsam auf der Platte. „Das war immer mein Traum, zusammen mit meiner Mutter in einer Mannschaft zu spielen“, schwärmt Celina Franke, die am Wochenende beim 29:21-Auswärtserfolg der Elbestädterinnen beim MTV Lübeck alle vier Tore der Mama vorbereitete und zudem noch selbst zwei Treffer erzielte. „Das sind die schönsten Momente, wenn uns gemeinsam etwas gelingt“, hebt Claudia Franke hervor. Am Sonntag geht es zum Saisonfinale in der Regionsliga zu Hause gegen den MTV Ahrensbök (15 Uhr, Neuer Krug).
Aber was ist, wenn die Tochter mal von der gegnerischen Abwehr so richtig hart angegangen wird? „Dann versuche ich, mich nicht einzumischen, aber das ist schwer“, gibt Claudia Franke zu. „Natürlich möchte sie gern ihre Tochter beschützen“, hat Coach Brodeßer beobachtet. „Aber das läuft völlig abgeklärt. Sie atmet das echt alles weg.“
Mutter und Tochter in einem Team – ein Seltenheit
Mutter und Tochter gemeinsam in einer leistungsorientierten Handball-Mannschaft, das gibt es in Deutschland nicht oft. Beim Drittligisten HSG Wittlich (Rheinland-Pfalz) machen Mutter Andrea Czanik (44) und Tochter Nina (17) gemeinsame Sache, beim hessischen Bezirksoberligisten TSG Offenbach-Bürgel II sind es Mutter Daniela Rieth (43) als Torhüterin und Tochter Marie (21) im Rückraum. Doch bei keinem dieser Paare ist der Altersunterschied so groß wie beim Geesthachter Duo, was die ungeheure sportliche Leistung unterstreicht, die Claudia Franke Woche um Woche auf die Platte bringt. „Sie gehört immer noch zu den schnellsten Spielerinnen in dieser Liga“, ist Coach Brodeßer überzeugt. „Da übertreibt er“, relativiert sie. „Aber ich weiß mir meine Kräfte einzuteilen, gehe nicht mehr jeden Tempogegenstoß mit.“
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2017 hatte Claudia Franke, die sich mit einem Exportunternehmen für Laborgeräte selbstständig gemacht hat, sogar schon einmal ihren Abschied vom Handballsport verkündet. „Aber ich bin nie wirklich von der Mannschaft losgekommen, habe immer noch weiter einmal pro Woche mittrainiert“, blickt sie zurück. „Als dann eines Tages meine Teamkollegin Janine Wiebracht bei mir zu Hause vorbeikam und sagte ,Claudi, ich muss mit dir reden. Ich bin schwanger’, da wusste ich schon, was sie mich fragen wollte: ,Steigst du für mich wieder ein? Sonst müssen wir das Team abmelden.’“ Sie stieg wieder ein. Ehrensache.
Warum der VfL Geesthacht ungeschlagen wohl nur Zweiter wird
Personalnot ist ein Dauerthema in Geesthacht. Viele Partien bestritten die VfL-Damen nur mit sechs Feldspielerinnen – und gewannen trotzdem. Doch einen kleinen Schönheitsfehler hat diese Saison: Meister wird der VfL wohl nicht. „Obwohl wir auf dem Feld ungeschlagen sind“, wie Brodeßer herausstreicht. Doch die Partie beim Tabellenführer HSG 404 ging kampflos verloren, weil der VfL kein Team zusammen bekam und die HSG einer Verlegung nicht zustimmte. „Das nervt“, geben Mutter und Tochter Franke im Chor zu. Im Rückspiel fegten die Geesthachterinnen dann wie ein Orkan über den Konkurrenten aus Trittau/Schwarzenbek hinweg, führten nach 24 Minuten schon mit neun Toren (13:4) und siegten am Ende mit 25:18. Doch da war es für den Meistertitel schon zu spät.
Da aber beide Teams in die Landesliga aufsteigen, gibt es in der kommenden Saison ein Wiedersehen. Celina Franke, die parallel noch in der A-Jugend der HSG Bergedorf/Vier- und Marschlande aktiv ist, wird wohl in Geesthacht bleiben („Ich habe nichts anderes vor“), zumal endlich für das Team auch Verstärkung in ihrem Alter vor der Tür steht. Mit Melody Gümüsdere, der Schwester von Joelle und Talia Gümüsdere, die beim Schleswig-Holstein-Ligisten Lauenburger SV spielen, wurde eine 18-Jährige verpflichtet. Für einen Trainer wie Thomas Brodeßer, der über Jahrzehnte stets auf seine bewährten Kräfte gesetzt hat, ist das ein bemerkenswerter Schritt. Und Claudia Franke? Wird sie das Tandem mit der Tochter fortsetzen? „Wahrscheinlich schon“, schätzt sie. „Ich halte mich bereit, und wenn ich gebraucht werde, bin ich da. Dieses Team liegt mir schon sehr am Herzen.“