Bergedorf. In Volkers Welt geht es heute um das große Thema unserer Zeit: Was ist künstliche Intelligenz und wie funktioniert sie? Die Antworten.

Künstliche Intelligenz ist ein Thema, das bei vielen Menschen Angst auslöst. Diese Befürchtungen werden befeuert durch pessimistische Umfragen, nach denen bis 2030 60 Prozent aller Jobs von der KI übernommen werden könnten (ARD-Dokumentation „Künstliche Intelligenz. Besser als wir?“). Eine Studie der Business-Forscher von McKinsey schätzt, dass es bis 2030 vor allem Büroangestellte, Einzelhandelsverkäufer, Verwaltungsassistenten und Kassierer betreffen könnte. Aber auch kreative Berufe wie Schauspieler, Autoren oder Journalisten sehen sich von Programmen wie Chat GPT bedroht, das zu beliebigen Themen Inhalte auf Knopfdruck zu liefern vermag.

Unsere Bergedorfer Familienseite „Volkers Welt“ widmet sich seit vielen Jahren jede Woche verschiedenen Themen unserer Zeit. In ganz einfachen Worten und für jedermann verständlich. Das will sie nun auch als Familien-Blog online tun. Was also ist das genau, künstliche Intelligenz? Um die Beantwortung dieser Frage soll es heute gehen.

Einfach erklärt: Wie funktioniert künstliche Intelligenz?

Von künstlicher Intelligenz spricht man, wenn Computerprogramme Aufgaben übernehmen, für die eigentlich menschliche Intelligenz vonnöten wäre. Mit anderen Worten: Der Rechner lernt das selbstständige Denken. Der aktuelle Boom dreht sich um den Teilbereich der generativen KI, das ist das Erstellen völlig neuer Inhalte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz.

Schauen wir uns dazu zunächst das Vorbild an, das menschliche Gehirn. Es besteht aus 100 Milliarden Neuronen, die über 100 Billionen Verbindungen miteinander verschaltet sind. Ein Neuron ist eine Nervenzelle, die Impulse empfangen und weitergeben kann. Schätzungsweise 95 Prozent der Prozesse im Gehirn laufen unbewusst ab (Andrea Kiesel/Spektrum 2020). Das Gehirn ist ein Wunder der Natur, das die menschliche Intelligenz ermöglicht. Verschiedene Regionen des Gehirns übernehmen dabei verschiedene Aufgaben.

KI-Programme sind tiefe künstliche neuronale Netze

Ganz ähnlich arbeiten KI-Programme. Sie sind künstliche neuronale Netze, die – das ist die große Besonderheit – hierarchisch in verschiedenen Schichten („Layern“) angeordnet sind. Dabei arbeiten die unteren Schichten den oberen zu. Fachleute wie Gerd Gigerenzer („Klick. Wie wir in einer digitalen Welt die Kontrolle behalten und die richtigen Entscheidungen treffen“/2023) sprechen daher von tiefen künstlichen neuronalen Netzen. Sie sind umso leistungsfähiger, je tiefer sie sind, also je mehr Schichten sie haben.

Doch was ist nun das Besondere daran? Neuronale Netze gibt es schließlich bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Was ist bei einem tiefen neuronalen Netz anders als früher? Um das zu verstehen, werfen wir einen Blick in die Historie. Prinzipiell arbeitet jedes Computerprogramm in drei Schritten: Input, Transformation, Output. Je besser der Input ist, also die Menge der vorliegenden Daten, desto besser kann das Ergebnis sein.

Computer-Algorithmen benötigen eine stabile Welt

Für die Transformation sorgten in früheren Programmen teils sehr komplexe Algorithmen, die schon heute unser tägliches Leben beeinflussen. Wer im Internet auf einen Artikel klickt, den er gern kaufen möchte, und als Wohnort Bergedorf angibt, bekommt möglicherweise einen höheren Preis angezeigt als jemand, der in Wilhelmsburg wohnt. Umgekehrt wird die Person aus Wilhelmsburg bei der heimischen Bank für einen Kredit möglicherweise schlechtere Konditionen angeboten bekommen als jemand aus dem vergleichsweise wohlhabenderen Bergedorf.

All das hat mit künstlicher Intelligenz bis hierhin noch nichts zu tun, denn es sind vordefinierte Algorithmen der Bank oder des Online-Händlers, die hier zum Einsatz kommen. Solche Algorithmen arbeiten immer dann besonders zuverlässig und effektiv, wenn sie innerhalb eines streng definierten, unveränderlichen Systems eingesetzt werden. Experten nennen dies das Prinzip der stabilen Welt.

Am Anfang stand der Versuch, alles bis ins kleinste Detail auszurechnen

Ein gutes Beispiel für so eine stabile Welt ist das Schachspiel. Hier gibt es klare, unveränderliche Regeln, alles ist berechenbar. Bei der Entwicklung von Schachcomputern setzten die Programmierer daher zunächst auf die sogenannte Brute-Force-Methode, das heißt, sie ließen ihre Rechner sämtliche Möglichkeiten ausrechnen und dann die beste auswählen. Das war anfangs nicht von Erfolg gekrönt, denn Schach ist einfach zu komplex. Für eine ganze Partie gibt es mehr Möglichkeiten als Atome im Weltall.

Während ein erfahrener menschlicher Spieler auf Anhieb sinnvolle von unsinnigen Möglichkeiten unterscheiden kann, musste der Rechner alles durchkalkulieren. Erst 1997 gelang dem Großrechner Deep Blue von IBM erstmals ein Sieg gegen den menschlichen Weltmeister. Dafür berechnete Deep Blue 126 Millionen Rechenschritte pro Sekunde. Seit dem 21. Jahrhundert sind Computer so stark geworden, dass Menschen nicht mehr mit ihnen konkurrieren können.

KI-Programme sammeln Erfahrungswerte und können diese anwenden

2017 folgte die nächste Revolution. Die Firma Deep Mind stellte mit Unterstützung von Google ein Programm namens AlphaZero vor, das das stärkste Schachprogramm der Welt, Stockfish, vernichtend schlug, obwohl AlphaZero nie auf Schach programmiert worden war. Es gab keinen Algorithmus, der dem Programm sagte, was es zu tun hatte. Stattdessen hatte AlphaZero das Schachspiel gelernt, indem es Millionen Partien gegen sich selbst spielte und daraus seine eigenen Rückschlüsse zog.

Auch interessant

Die künstliche Intelligenz hatte ihren ersten großen Auftritt gehabt. Man muss sich das klar machen: Statt Schach zu spielen, hätte AlphaZero sich auch jedes beliebige andere Thema selbstständig erarbeiten können: die Weltwirtschaft, die Verkehrsströme Europas, der Klimawandel. Ganz egal. Es hängt nur von dem Material ab, mit dem die Maschine trainiert wird. Zu allen möglichen Themenbereichen hätte AlphaZero Strategien entwickeln und Lösungen präsentieren können.

Läuft am Straßenrand ein Kind oder fliegt da bloß eine Plastiktüte?

Alle KI-Programme funktionieren heute nach demselben Prinzip. Ein neuronales tiefes Netz verarbeitet selbstständig Millionen von Daten. So lernt zum Beispiel die KI für selbstfahrende Autos anhand von Bildern, ein laufendes Kind am Straßenrand von einer fliegenden Plastiktüte zu unterscheiden. Je besser die Datengrundlage ist, desto sicherer fällt das Urteil aus, das die KI fällt. Die Fortschritte sind dabei enorm.

Mittlerweile gibt es selbstfahrende Autos, die sich bereits recht sicher durch den Straßenverkehr bewegen, was vor einem Jahr noch nicht der Fall war. Anders als das Schachspiel folgt der Straßenverkehr jedoch nicht dem Prinzip der stabilen Welt. Es kann hinter jeder Ecke etwas Unvorhergesehenes passieren. Folglich stellt sich die Frage, wo die Grenzen für die Einsetzbarkeit von künstlicher Intelligenz liegen. Darum soll es in der kommenden Woche gehen.