Lauenburg. In Lauenburg herrscht Uneinigkeit: Braucht die Stadt ein Konzept? Oder vor allem Mitarbeiter, um Geflüchtete zu integrieren?
Benötigt Lauenburg ein Konzept zur Integration von Flüchtlingen? SPD-Fraktionschef Immo Braune ist kürzlich mit einem entsprechenden Vorstoß im zuständigen Fachausschuss der Stadtvertretung gescheitert. Mit Vertretern der CDU stimmten auch die Grünen dagegen. Wobei tatsächlich kaum jemand behaupten würde, dass in Lauenburg ein umfassendes Papier zum gemeinsamen Vorgehen aller Beteiligten existieren würde.
Das Problem ist alles andere als neu, angesichts der eskalierenden Konflikte in der Welt jedoch drängend. Städte und Gemeinden fühlen sich mit dem anhaltenden Zustrom von Kriegs- und Hungerflüchtlingen zunehmen überfordert. Nicht genug, dass die Bundesregierung den Rotstift ansetzt, sie sind es, die sich darum kümmern müssen, wie diese Menschen untergebracht werden. Personal, das sich um die Betreuung der Flüchtlinge vor Ort kümmert, ist kaum vorhanden. Folge: Die Betreuung lastet in aller Regel auf den Schultern von Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren.
Flüchtlingsintegration: Mangelt es an Personal oder Konzept?
Das Nein der Mehrheit gegen die Forderung nach Aufstellung eines örtlichen Integrationskonzeptes stößt Immo Braune sauer auf. Es gehe dabei nicht um die Frage, welche Maßnahmen für wichtig, welche möglicherweise für verzichtbar gehalten werden, so Braune. „Wenn nur eine Person wegbricht, ist schnell der Punkt erreicht, an dem Dinge vom einen auf den nächsten Tag nicht mehr funktionieren. Ohne dass wir sicher sagen könnten, was alles daran hängt, oder wir wüssten, wer vielleicht in welcher Form einspringen kann.“
Als „zu verkopft“ wertet der Grüne Fraktionsvorsitzende Thorsten Pollfuß den Vorstoß von Immo Braune. Was benötigt werde, seien keine Integrationskonzepte, keine neuen Papiere, „sondern die Menschen, die die notwendige Arbeit leisten“.
Grüne wollen auf Papier des Kreises warten
Derzeit erstelle der Kreis Herzogtum Lauenburg ein Konzept, sagt Pollfuß. „Sobald es vorliegt, können wir darüber sprechen.“ Es müsse um Inhalte gehen, „darüber, dass etwas geschehen muss, besteht Einigkeit, auch mit SPD wie CDU“.
Allerdings gehen die Meinungen über das Wo doch deutlich auseinander. Als vordringlich wertet Pollfuß Verwaltung und Instandhaltung der gut 80 Wohnungen, die Lauenburg inzwischen angemietet hat, um Schutzsuchende und Flüchtlinge weiterhin dezentral unterzubringen. „Damit dies gelingt, sind zusätzliche Stellen notwendig“, so der Grüne. Die Betreuung der Flüchtlinge selbst liege dagegen bei der Arbeiterwohlfahrt wie auch bei ehrenamtlich tätigen Initiativen in guten Händen. „Wenn von Ukraine-Hilfe oder Flüchtlingshilfe Wünsche vorgetragen werden, schauen wir jeweils im Ausschuss, wie wir helfen können.“
Keine hauptamtlichen Betreuer für Flüchtlinge
Lauenburgs Sozialamtsleiterin ist voll des Lobes für das ehrenamtliche Engagement. Ohne Ersthilfe im Sozialamt und ohne vielfältige Unterstützung vieler Menschen funktioniere auch die viel gelobte dezentrale Unterbringung nicht. „Wir haben keine hauptamtlichen Kräfte, die Flüchtlinge bei der Hand nehmen könnten, um sie zu begleiten“, stellt Friederike Betge klar. „Wenn sich Menschen auf den Weg machen, um etwa Kinder für Betreuung oder Schule anzumelden, den richtigen Sprachkursus zu finden, die richtige Qualifizierung für den deutschen Arbeitsmarkt, oder wenn sie bei der Arbeitsagentur vorsprechen müssen.“
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„Wir leiden als Kommunen darunter, dass alle Aufgaben nach unten wegdelegiert werden und der Aufwand nicht richtig erfasst wird“, kritisiert Grünen-Fraktionschef Pollfuß. Eine Einschätzung, der Lauenburgs Sozialamtsleiterin nicht widerspricht. Manches sei eher Aufgabe der Kreise als von Städten und Gemeinden, „doch die haben kaum Personal dafür“.
„Fäden laufen in der Verwaltung zusammen“
Ein Konzept für Lauenburg hält CDU-Fraktionschef Christoph Haase nicht für vordringlich. „In der Verwaltung laufen die Fäden zusammen, bei Frau Betge. Sie ist bestens vernetzt. Die Stadt agiert doch nicht konzeptlos.“ Zur Wahrheit gehöre aber auch, ohne das breite ehrenamtliche Engagement „wären wir längst vor die Wand gefahren“, urteilt der Erste Stadtrat und Vertreter des Bürgermeisters.
Dass Lauenburg es bis heute schafft, ohne zentrale Unterbringung auszukommen, trage dazu bei, dass „dieses Thema in unserer Stadt bislang nicht als Problem gesehen wird“, so Haase. Zur Ehrlichkeit gehöre aber auch, dass Lauenburg bald an Grenzen stoße. Nicht nur hinsichtlich der Frage zusätzlichen Personals und der Finanzierung. Haase: „Wenn die Flüchtlingszuweisungen in dem Maß anhalten, werden wir nicht mehr umhinkommen, uns Gedanken zu machen, wie lang wir noch ohne Wohncontainer auskommen.“
Kleines Heft ersetzt keine Sozialarbeit
Die Probleme dürften nicht auf die Unterbringung reduziert werden, fordert Susanna Brauer-Bethge. Seit Jahren ein Aktivposten in der Flüchtlingsarbeit hat die Lauenburger Seniorin jüngst einige Menschen zusammengebracht, die sich ehrenamtlich um geflüchtete Kinder und Jugendliche bemühen. Woran es mangelt, ist aus ihrer Sicht klar: „Wir brauchen aufsuchende Sozialarbeit. Den Menschen ein kleines Heft mit Handlungsanweisungen für die ersten Schritte in die Hand zu drücken, reicht nicht.“
Wichtig sei, dass die Geflüchteten Ansprechpartner fänden. Die Stadt selbst könne ebenfalls profitieren, etwa indem sie Verbindung hält zu den Menschen in den angemieteten Wohnungen. Brauer-Bethge: „Wir handeln uns mit der fehlenden Integrationspolitik Probleme ein, die sich vermeiden ließen, wenn wir es denn wollten.“