Lauenburg. Hohe Reparaturkosten im Walter-Gerling-Haus würden den Betrieb unrentabel machen, heißt es. Oder steckt etwas anderes dahinter?

Die Nachricht kam für die Angehörigen wie aus heiterem Himmel: Am Freitag, 16. Februar, erfuhren sie, dass das Walter-Gerling-Haus in Lauenburg zum 30. Juni dieses Jahres geschlossen werden soll. Innerhalb der nächsten drei Monate müssen für die meist hochbetagten 39 Bewohner neue Heimplätze finden. In den nächsten Tagen wird die Awo Pflege Schleswig-Holstein GmbH die Kündigungen der Pflegeverträge verschicken.

Gleiches gilt für die Mieter der 16 angrenzenden Seniorenwohnungen, die zum großen Teil den Service der Pflegeeinrichtung nutzen. Sie erfuhren einen Tag später, dass auch sie ihr Zuhause verlieren werden. „Die bauliche Substanz lässt keinen angemessenen Betrieb noch eine umfassende und bezahlbare Sanierung zu“, erklärt Sprecherin Franziska Brzezicha auf Nachfrage.

Schließung des Pflegeheims in Lauenburg war schon 2023 in Planung

Im ersten Moment könnte man meinen, ein akuter großer Gebäudeschaden zwingt die Awo Pflege zum schnellen Handeln. Tatsächlich empfahl der Aufsichtsrat dem Awo-Landesverband aber schon im November vergangenen Jahres die Schließung des Walter-Gerling-Hauses, wie aus einem internen Papier hervorgeht, das der Redaktion vorliegt. Demnach machen besonders die Wasserleitungen des in den 1970er-Jahren erbauten Gebäudes Probleme.

So übernahm die Versicherung im Juni 2021 den Großteil eines Wasserschadens in Höhe von 235.000 Euro. „Seit 2023 besteht wegen der oben genannten Schäden und weiteren Prognosen keine Möglichkeit mehr, das Gebäude weiter zu versichern“, heißt es in dem Papier. Der Betrieb des Walter-Gerling-Hauses hätte demnach 2023 ein Defizit von 700.000 Euro ergeben. Auch ein Zeitplan wurde damals dem Awo-Landesverband vorgeschlagen: Die Mitarbeiter, Angehörigen und Bewohner sollen bis Februar dieses Jahres informiert werden. Als Termin für den spätesten Freizug der Immobilie wurde der 30. Juni 2024 festgelegt.

Awo will allen Heimbewohnern Ersatzplätze anbieten

„Allen Bewohnern werden wir einen neuen Platz vermitteln. Dafür stehen unsere anderen Awo-Häuser in der Umgebung zur Verfügung. Wir unterstützen aber auch bei der Vermittlung zu anderen Trägern und Häusern“, versichert die Sprecherin. Die Awo Pflege betreibt in Lauenburg neben dem Walter-Gerling-Haus noch das Wohn- und Servicecenter am Büchener Weg.

Offenbar ist es aber doch nicht so einfach, für alle Bewohner in der stationären Pflege und der Servicewohnungen gleichwertigen Ersatz zu finden. In den sozialen Netzwerken hatte die Schließung des Walter-Gerling-Hauses schnell die Runde gemacht. „Meine Oma weint den ganzen Tag. Sie will sich nicht mehr an eine neue Umgebung gewöhnen“, schreibt eine junge Frau. Ein Lauenburger, der für seinen Vater einen neuen Heimplatz finden muss, hatte nach dem ersten Herumtelefonieren schnell die Erfahrung gemacht: „Die Einrichtungen in der Umgebung sind weitgehend voll, die nehmen fast niemanden mehr an“, kommentierte er.

Auch in Boizenburg schließt eine Pflegeeinrichtung

Das ist kein Wunder. Die Bewohner des Walter-Gerling-Hauses sind nämlich nicht die einzigen, für die kurzfristig neue Pflegeplätze gefunden werden müssen. Wegen der Insolvenz des Trägers macht in Boizenburg ein Wohnpark mit 52 Pflegeplätzen zu, für die in der Region ebenfalls Ersatz gesucht wird. „Vor diesem Hintergrund sehen wir die Schließung des Walter-Gerling-Hauses mit Sorge. Allerdings sind es nicht allzu viele Plätze. Deshalb bin ich doch optimistisch, dass die Region den Wegfall kompensieren kann“, sagt Philipp Staneck, Geschäftsführer des Lauenburger Askanierhauses.

Das ist sogar gesetzlich vorgeschrieben. Nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) dürfen Träger den Heimbewohnern nur dann kündigen, wenn außerordentliche Gründe dafür vorliegen. Das kann unter anderem auch die begründete Schließung der Einrichtung sein. In diesem Fall haben die Bewohner aber einen Anspruch auf den Nachweis eines anderen Platzes und Übernahme der Umzugskosten. In welcher örtlichen Entfernung der neue Heimplatz zumutbar liegen muss, ist allerdings nicht festgelegt.

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Awo hält sich Verkaufsoption offen

Zumindest für die insgesamt 24 Mitarbeiter, die in Voll- oder Teilzeit im Awo-Heim tätig sind, dürfte es eine Perspektive geben. „Unser Ziel ist es, alle Mitarbeitenden zu halten und in andere Einrichtungen und Unternehmen zu vermitteln“, heißt es vonseiten der Awo Pflege. Angesichts des allgemeinen Personalmangels in Pflegeeinrichtungen wäre das vermutlich aber nur eine von mehreren Optionen.

Darüber, was nach der Schließung mit der Immobilie und dem Grundstück passiert, hält sich die Awo derzeit bedeckt. „Im Anschluss besteht die Option, Gebäude und Grundstück zu verkaufen“, heißt es in dem internen Papier aus dem vergangenen Jahr. So konkret äußert sich das Unternehmen derzeit nicht: „Die Awo Pflege mietet das Gebäude vom Awo-Landesverband. Dieser befindet sich derzeit in Gesprächen. Eine offizielle Stellungnahme kann noch nicht abgegeben werden“, sagt die Sprecherin. Auf dem direkt angrenzenden Grundstück will das Unternehmen np Projektentwicklung aus Mölln eine Anlage mit 149 Wohnungen errichten. Erst kürzlich war der Plan des Investors gescheitert, davon 80 als Sozialwohnungen zu bauen.

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