Gülzow. Ein altes, großes Haus mit marodem Dach wird quasi zum Nulltarif saniert. Und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Lange Zeit hat sich die Gemeinde Gülzow Gedanken gemacht, wie es mit der Schützenhalle Linautal weitergehen kann, nachdem sich der traditionsreiche Schützenverein von 1908 wegen Nachwuchsmangel vor einigen Jahren aufgelöst hatte. Gemäß den Statuten des Vereins fiel im Jahr 2020 auch das sanierungsbedürftige Gebäude am Mühlenweg an das Dorf. Damit entstand die bange Frage, was die Gemeinde mit dem großen Haus, Baujahr 1976, machen sollte.

Jetzt ist eine gute Lösung gefunden, die sich auch kostenmäßig im Rahmen hält und einen großen Beitrag zum Klimaschutz leistet: Die Schützenhalle wird zu einem Solarkraftwerk. Ein cleverer Deal.

Auch die Schützenhalle bekommt eine Schönheitskur und ein Solardach

Seit zwei Jahren hat die Gemeinde mit dem DRK-Kreisverband einen Mieter, der jetzt nach der Testphase einen längerfristigen Vertrag mit dem Dorf eingegangen ist. „Für uns ist das eine gute Lösung. Wir haben feste Mieteinnahmen und können die Halle für Veranstaltungen trotzdem weiterhin nutzen. Gerade bei großen Veranstaltungen wie beispielsweise dem Neujahrsempfang oder anderen Events reicht das Café im Markttreff nicht aus. Dort finden maximal 80 Personen Platz. In die Schützenhalle passen auch deutlich über 100 Personen“, so Bürgermeister Wolfgang Schmahl.

Die Schützenhalle wird zum Solarkraftwerk: Martin Feldmann (l.), Geschäftsführer der Silmar Energy GmbH, und Gülzows Bürgermeister Wolfgang Schmahl haben einen Vertrag unterzeichnet, der der Gemeinde ein neues Dach beschert und zugleich ein wertvoller Beitrag für den Umweltschutz ist. 
Die Schützenhalle wird zum Solarkraftwerk: Martin Feldmann (l.), Geschäftsführer der Silmar Energy GmbH, und Gülzows Bürgermeister Wolfgang Schmahl haben einen Vertrag unterzeichnet, der der Gemeinde ein neues Dach beschert und zugleich ein wertvoller Beitrag für den Umweltschutz ist.  © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Genau wie der Markttreff, der umfangreich modernisiert werden soll, bekommt auch die Schützenhalle eine größere Schönheitskur. Das Dach muss saniert werden. Ein Problem ist dabei nicht nur die Isolierung und die Erneuerung der Eindeckung, sondern auch die Entsorgung der alten Dachplatten. Denn ganz im Stil der 1970er-Jahre wurde dafür noch asbesthaltiges Material verwendet. Diese Fasern gelten als krebserregend und müssen heute als Sondermüll unter strengen Umweltauflagen entsorgt werden.

Langlebige Trapezbleche gibt es quasi zum Nulltarif

Dafür hat die Gemeinde eine besonders clevere Lösung gefunden. „Wir haben einen Kostenvoranschlag eingeholt. Die Sanierung hätte uns 100.000 Euro gekostet. Jetzt haben wir das Dach an ein Unternehmen verpachtet, das dort Solarmodule installieren will“, sagt der Bürgermeister. Der Deal: Das Unternehmen kann die Dachfläche 20 Jahre nutzen, um dort Strom zu erzeugen. Den Vertrag hat Bürgermeister Wolfgang Schmahl gerade unterschrieben. Er sieht auch eine Verlängerungsklausel um zweimal fünf Jahre vor, sodass die Solarnutzung auf 30 Jahre ausgeweitet werden kann. Dann aber gegen Bezahlung.

Im Gegenzug übernimmt die Firma die Dachsanierung mit langlebigen Trapezblechen. „Für uns ist das eine Win-win-Situation. Das Dach hat eine Fläche von rund 1000 Quadratmetern. 700 Quadratmeter Fläche sind zur Stromerzeugung geeignet. Die Solarzellen halten locker 20 Jahre durch. Dann haben sie erfahrungsgemäß immer noch eine Leistung von 80 Prozent. Wenn nicht, dann tauschen wir sie einfach aus“, sagt Martin Feldmann, Geschäftsführer der 2022 gegründeten Firma Silmar Energy GmbH mit aktuell 20 Angestellten und Sitz in Winsen/Luhe. Angefangen hat Feldmann auf einem Bauernhof in Wiershop, der Platz reichte aber schnell nicht mehr aus.

Solarexperten setzen bei Projekten auf alle Leistungen aus einer Hand

Der Unternehmer wohnt mit seiner Partnerin in Wiershop. Der Sohn von Firmenchef Martin Feldmann besuchte die Evangelische Schule in Gülzow, seine Lebensgefährtin ist im Sportverein aktiv. So kam der Kontakt zustande. „Wir werden das Dach mit Trapezblech neu eindecken und die asbestbelasteten Teile fachgerecht über die Firma Buhck in Wiershop entsorgen. Dann beginnen wir mit dem Aufbau der Anlage. In fünf Wochen dürfte alles fertig sein. Ausreichend Solarmodule haben wir auf Lager“, so der 38-Jährige, der eigentlich gelernter Hotelkaufmann ist, aber schon seit vielen Jahren als Vertriebler arbeitet. Im Bereich der Photovoltaik ist er seit sieben Jahren tätig und hat seit zwei Jahren seine eigene Firma, die bundesweit und auch in der Türkei aktiv ist.

„Wir machen alles aus einer Hand. Vom Bau über die Wartung bis hin zum Betrieb der Anlagen. Das spart Kosten und sorgt für einen reibungslosen Ablauf. Das ist unsere Stärke“, erläutert der Unternehmer das Konzept. Die Anlage, die Feldmann und sein Team in den kommenden Wochen auf der Schützenhalle montieren, hat eine Leistung von 130 Kilowatt. „Damit werden pro Jahr 100.000 Tonnen CO2 eingespart“, verspricht der Unternehmer. Die Anlage betreibt Silmar Energy selbst, für die Finanzierung gibt es zwei Investoren, die im Gegenzug an den Einnahmen aus dem Stromverkauf beteiligt werden. „Für uns ist das Modell ein Beitrag zum Klimaschutz. Von dem Strom selbst haben wir vorerst nichts. Er wird ins allgemeine Netz eingespeist“, sagt Bürgermeister Schmahl.


Aber auch die Gemeinde nimmt Geld in die Hand, um die Halle fit für die kommenden Jahrzehnte zu machen. Die Fenster werden erneuert, und die Fassade bekommt eine Wärmedämmung. „Das Geld nehmen wir aus unserem Haushalt. Auf Zuschüsse haben wir in diesem Fall verzichtet, weil das Antragsverfahren sehr aufwendig ist und die zu erwartenden Zuschüsse gering sind. Uns kam es jetzt auf eine zeitnahe Lösung an“, sagt der Bürgermeister.

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Doch die Kooperation mit Feldmann und seiner Firma Silmar Energy steht damit erst am Anfang. Das nächste Projekt in der Gemeinde Gülzow ist bereits in den Startlöchern. Auch das Dach der evangelischen Grundschule an der Schlossstraße soll bald zu einem Solarfeld werden. Es ist doppelt so groß und reicht für eine Anlage mit 250 Kilowatt Leistung. Dort ist allerdings ein anderes Modell geplant. Die Gemeinde will in diesem Fall das Dach an Silmar Energy verpachten und die Einnahmen für den Klimaschutz einsetzen. Außerdem soll auf dem Schulhof oder im Gebäude eine Anzeige installiert werden, auf der die Kinder sehen können, wie viel Strom „ihr Dach“ gerade erzeugt, und so ein Bewusstsein für Klimaschutz vor Ort bekommen.

„In einem nächsten Schritt werden wir sehen, ob wir Strom zum Vorzugspreis bekommen oder aber auch E-Ladesäulen für die Mobilitätswende mit dem Ökostrom vom Schuldach betreiben können“, so Schmahl. „Das ist Verhandlungssache und durchaus denkbar“, sagt Feldmann. Schmahl geht davon aus, dass auch dieses Projekt noch im Jahr 2024 realisiert werden könnte.