Geesthacht. Sorgen um das Trinkwasser. Die Pegel in der Elbestadt sacken großflächig ab: um einen Meter. Die Gründe dafür sind rätselhaft.

In den für die Wasserversorgung von Stadt und Umland enorm wichtigen Geesthachter Brunnen geht Beunruhigendes vor. Der Wasserstand sinkt. Und zwar nicht zu knapp. „Bei beiden Wasserwerken ist an mehreren Standorten seit 2012 der Grundwasserspiegel um einen Meter abgesackt“, teilte Markus Prang in einem Bericht im Hauptausschuss mit. Warum aber das Geesthachter Wasser verschwindet – das bleibt rätselhaft.

Für die Wasserversorgung sorgen die Wasserwerke am Richtweg und in Krümmel in der Nähe des Elbufers. Gefördert wird aus sieben Brunnen. Auch die Versorgung von Hamwarde, Kollow, Gülzow, Wiershop und Worth wird durch diesen Ringverbund gewährleistet. Die beiden Wasserwerke sind mittlerweile betagt.

Geesthacht versorgt auch das Umland mit Trinkwasser

Das Werk am Richtweg ist seit 32 Jahren in Betrieb, das in Krümmel tut sogar schon seit 44 Jahren seinen Dienst. Durchschnittlich werden derartige Anlagen für die Dauer von 50 Jahren betrieben, heißt es bei den Stadtwerken. Bis 2040 sollen daher in Krümmel auf dem Gelände des alten Werks zwei voneinander unabhängige Wasserwerke für die Gesamtversorgung entstehen – mit bis zu acht neuen Brunnen.

Man habe zahlreiche Aufschlussbohrungen gemacht, „und wir merken, es ist bei allen kontinuierlich rückläufig“, sagte Markus Prang. Zwei Kriterien schloss er aus. „Was ist es definitiv nicht? Es sind keine trockenen Sommer als Ursache, es ist auch nicht die Geesthachter Wasserabnahme, die liegt konstant bei knapp zwei Millionen Kubikmetern pro Jahr.“ Sparsamere Geräte kompensieren den Einwohnerzuwachs im Verbrauch

Verbrauch in der Summe trotz Wachstums gleich geblieben

Wie das sein könne, wollte hierzu Jens Kalke (Grüne) wissen. „Wir haben zehn Prozent mehr Einwohner. Das lässt einen Mehrverbrauch vermuten.“ Welche Fakten gebe es, dass der Verbrauch trotzdem stabil sei? Versorgt werden rund 30.000 Kunden. Markus Prang erklärte den Grund in sparsameren Haushaltsgeräten wie Waschmaschinen mit weniger Wasserverbrauch als früher. „Deshalb sei der Verbrauch in der Summe trotz Wachstums gleich geblieben“, sagte er.

So blieb noch ein möglicher Grund: der Durst großer, wachsender Städte in der Nachbarschaft. So wie Hamburg. Die beiden verbundenen Wasserlinsen, aus denen das Geesthachter Wasser aus Tiefen von 120 bis 170 Metern gezapft wird, rücken aus Richtung Schwarzenbek südlich an Brunstorf vorbei zur Elbe vor.

Unterirdische Wasserlawine ist in den vergangenen Jahren kleiner geworden

„Ganz, ganz langsam“, wie Markus Prang betonte. „Ich gehe davon aus, dass ein Wassertropfen drei Zentimeter pro Jahr reist“. Das Wasser ist mehrere Tausend Jahre alt. „Diese unterirdische Schlamm-Wasserlawine ist in den vergangenen Jahren kleiner geworden“, erklärte Prang.

Er hat „große Städte“ als Verursacher im Visier. „Der geringe Niederschlag ist es nicht, sondern ein Verbrauch, weit vorgelagert in der Entstehung. Wir werden mit Hamburg Wasser in Gespräche gehen, auch mit dem Kreis und mit Kiel“, skizzierte er das weitere Vorgehen.

Effekt beschränkt auf die Region – oder ein flächendeckendes Problem?

Es ginge auch darum, herauszufinden, ob der Effekt auf Südholstein beschränkt sei oder ein flächendeckendes Problem. „Vielleicht sieht es ja in Schleswig oder Rendsburg ganz anders aus. Das müssen wir uns auch angucken“, erläuterte Markus Prang das beabsichtigte Vorgehen. Hintergrund: Diese beiden Städte liegen außerhalb des Einzugsgebietes der Metropolregion Hamburg.

Was nicht ins Bild passt: Nur knapp 4,5 Kilometer Luftlinie sind es vom Wasserwerk am Richtweg zum benachbarten Wasserwerk in Escheburg, noch einmal 2,6 Kilometer von dort zum Gas- und Wärmedienst in Börnsen. Beide Gemeinden betreiben eigenständige Anlagen. Und weder am Götensberg noch am Standort zwischen den Kreiseln wurden bisher ein Absinken des Pegels festgestellt.

Keine außergewöhnlichen Vorgänge in benachbarten Wasserwerken

Die Wasserversorgungsgemeinschaft Escheburg (WVGE) betreibt die zentrale Wasserversorgung in der Gemeinde, versorgt über 4500 Menschen mit Trinkwasser aus einer Tiefe von 120 Metern. Die Pegel werden alle zwei Wochen kontrolliert, berichtet der Technische Leiter Thomas Holtkamp.

Der Verbrauch liegt etwa bei 120.000 bis 130.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr. Aktuell sorgt das Neubaugebiet Lippenkuhle für einen höheren Wasserverbrauch. Grund: Die Neu-Escheburger legen gerade neue Gärten an. Thomas Holtkamp kennt das schon. „Nach drei Jahren normalisiert sich alles wieder“, sagt er.

Gas- und Wärmedienst Börnsen würde die Fördermenge gern erhöhen

In Börnsen liegt der Jahresverbrauch aktuell bei 220.000 Kubikmetern. Auch hier gab es bei den Probemessungen keine außergewöhnlichen Beobachtungen. „Das Wasser wird aus Tiefbrunnen aus 114 Metern Tiefe gefördert“, berichtet Prokurist Stephan Winkelmann. Auch Börnsen wächst, und der Gas- und Wärmedienst würde die Fördermenge gern erhöhen. Wasserrechte werden langfristig für 20 Jahre erworben, „unsere Rechte sind nicht ausreichend“, sagt er.

Aber so etwas geht nicht von heute auf morgen. Zuständig für die Gewährung ist der Fachdienst Wasserwirtschaft in Ratzeburg. „Gut drei Jahre kann das dauern“, weiß Stephan Winkelmann. Es würden unter anderem Szenarien berechnet für die Auswirkungen von höheren Fördermengen auf verschiedene Tiefen oder auch, ob das Wasser dann aus den Gräben wegbleibt. „Das ist ein richtig komplexes Thema“, sagt Stephan Winkelmann.

Hamburg Wasser fördert weniger Wasser im Werk in Curslack

Nicht nur, dass Börnsen und Escheburg keine Auffälligkeiten registrieren. Es wird noch mysteriöser, warum die Spiegel in Geesthacht sinken. Denn das laut Hamburg Wasser einzige Wasserwerk des Versorgers, das zumindest theoretisch durch eine Erhöhung der Fördermenge Einfluss auf die Situation zumindest am Richtweg nehmen könnte, hat das Gegenteil getan: Es hat die Förderung gedrosselt.

„Hamburg Wasser betreibt in der Nähe der Stadt Geesthacht Tiefbrunnen für das Wasserwerk Curslack. Allerdings hat sich deren Fördermenge in den letzten 30 Jahren verringert – von gut 8,6 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahre 1992 auf 5,6 Millionen in 2022“, teilt Sprecher Ole Braukmann mit. Für 2023 liege die Menge bei 5 Millionen Kubikmetern.

Klimatische Auswirkungen besonders in den tiefen Grundwasserstockwerken

„Zudem bestätigen uns Beobachtungsbrunnen, die wir in unserem Messstellennetz östlich von Curslack zwischen unserem Werk und Geesthacht betreiben, dass dort in den letzten zehn Jahren keine förderbedingten Veränderungen zu verzeichnen sind“, führt Ole Braukmann weiter aus.

Man beobachte allerdings klimatische Auswirkungen, so hätten sich insbesondere die sehr trockenen Jahre 2018 bis 2020 auf die Grundwasserstände besonders in den tiefen Grundwasserstockwerken ausgewirkt. Hier sei der Effekt des Niederschlagsdefizite zeitverzögert festzustellen. Die tiefen Grundwasserleiter benötigten etwas länger, bis die üppigen Niederschläge der vergangenen Monate die Pegel steigen lassen.


Der Geesthachter Wasserschwund – er bleibt rätselhaft. „Es heißt aber nicht, dass wir an Wasserarmut leiden. Es heißt nur, dass wir sehr genau darauf achten müssen“, resümierte Markus Prang zu den Vorgängen um den sinkenden Pegelstand.