Geesthacht. Mit Basteln und speziell mit Wichteln kennt sich die Geesthachter Ladeninhaberin Anja Schröder aus. Wie ihr Fachbuch ein Renner wurde.
Auf der Spiegel-Bestsellerliste zu stehen, ist ein Ritterschlag für Autoren. Als magische Grenze für einen Bestseller gilt eine Auflage von 100.000 verkauften Büchern. Das müssen keine Romane sein. Erfasst werden alle Bücher, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes am häufigsten im Buchhandel verkauft wurden. Eine Geesthachterin hat es jetzt mit einem Bastelbuch geschafft.
Aber keinem gewöhnlichen. Es geht um ein Wesen, das regelmäßig in der Vorweihnachtzeit ins Haus einzieht, den Bewohnern Glück bringt und dabei die ganze Zeit unsichtbar bleibt. Oder es zumindest besser bleiben sollte, weil es sonst seine Zauberkraft verliert. Klarer Fall: Es geht um den Wichtel.
Anja Schröder schaffte es mit einem Bastelbuch auf die Spiegel-Bestsellerliste
Wie der kleine Kerl es so richtig gern und gemütlich hat beim Wohnen, das weiß Anja Schröder vom Geesthachter Fachgeschäft Basteln und Dekorieren (Rathausstraße 55) mit am besten in ganz Deutschland. Darüber hat sie zusammen mit Sarah Arabatzis und Elli Böttcher ein Fachbuch geschrieben.
Allesamt „Wichtelqueens“, verrät ihr auf Kreativbücher spezialisierter Frechverlag. „Das ultimative Wichtelhandbuch“ heißt das Werk. Für 22 Euro gibt es auf 256 Seiten Bastelideen rund um die weihnachtliche Wichteltür sowie Wichtelbriefe, Kulissen, Streiche, Postkarten und vieles mehr.
Der Wichtel zieht ein und wohnt hinter einer Tür auf der Fußbodenleiste
„Es ist eine sehr liebevolle Geschichte, sie kommt aus Skandinavien“, erklärt Anja Schröder die geheimnisvollen Vorgänge. „Der Wichtel besucht zum Winteranfang die Familie, wohnt hinter seiner eigenen Winztür auf Fußbodenhöhe und macht auch mal Schabernack. Kommuniziert wird über einen kleinen Briefkasten, man schreibt Briefe, die Kinder können Bilder malen, das ist der Hintergrund.“
Sie selbst begeistert sich seit vier Jahren für den nordischen Brauch, als ihr ein Großhändler eine Tür mit Briefkasten und Leiter angeboten hatte. „Das ist eigentlich die Grundausstattung, Häuser braucht man gar nicht“, sagt Anja Schröder. „Das war voll mein Ding, ich habe das gleich gelebt“, erinnert sie sich.
Bei Verschluckungsgefahr zieht der Wichtel ins Haus auf dem Sideboard
Sie fing selbst an zu Basteln, fotografierte die Werke und stellte sie ins Netz auf ihrer Seite auf dem Portal Instagram (@wichteltuer_original_nils). Dort gibt es immer noch jeden Tag etwas zu sehen zum Nachbauen mit Tipps und Tricks. „Ich gebe mein Wissen gern weiter“, sagt Anja Schröder.
Ganz puristisch im Sinne der Tradition ist sie dabei nicht immer geblieben. Aus Sicherheitsgründen. „Eigentlich sitzt die Wichteltür ja unten auf der Fußleiste. Das ist ein Problem, wenn man im Haushalt kleine Kinder hat oder Tiere, die an die Kleinteile rangehen und verschlucken könnten. Deswegen habe ich Häuser gebaut, um sie irgendwo auf dem Sideboard zu dekorieren, wo Hund, Katze, Maus und kleine Kinder nicht herankommen“, erklärt Anja Schröder.
Basteln als seelische Rettung in der Corona-Zeit
Die Bastelarbeit hatte zunächst eine größere Bedeutung für sie als nur den Spaßfaktor. 2019 bereits begann sie zu wichteln und gab selbst auch Kurse im Geschäft, dann begann die Pandemie. „Es hat mich seelisch gerettet, in dieser schweren Zeit diese liebevollen Kleinigkeiten herzurichten. Ich konnte da selbst voll drin aufgehen mit dieser Geschichte vom kleinen Wicht, der hinter der Tür wohnt“, berichtet Anja Schröder.
„Und auch die Leute im Netz hat es sofort angesprochen“, erzählt die Bastelexpertin. Was wiederum dem damaligen Start ihres Online-Handels guttat. „Die Menschen wollten das auch, es sich zu Hause heimelig mit ihrer Familie machen. Sie konnten wegen Corona ja nicht raus. Dadurch ist es nochmal so richtig in Gange gekommen. Weil es etwas Schönes war, das man mit der Familie zusammen machen konnte. Ich habe bis mittags im Laden noch etwas eingestellt, und wenn ich dann wenig später zu Hause am Mittagstisch saß, konnte ich schon die ganzen Likes und Bestellungen sehen“, sagt sie.
Die Fans rufen vorher an, ob Anja Schröder im Laden ist
Beim Anschauen im Internet blieb es nicht. Mittlerweile kommen die Fans aus dem norddeutschen Raum angereist, aus Lübeck, Lüneburg und Hamburg, um zu gucken, zu schmökern und zu reden. „Viele rufen vorher an und fragen, ob ich an dem Tag da bin“, erzählt Anja Schröder.
Zum Fachsimpeln gibt es viel Gelegenheit. „Hier kommt ja wirklich alles zusammen. Es geht auch um Miniaturen allgemein“, sagt sie und verrät, was für Bastelfans zu Weihnachten angesagt ist: „Auf jeden Fall Klötzchen aus Eichenholz, mit denen man schöne, schnelle Geschenke kreieren kann, vor allem in Verbindung mit Kerzen. Und Raysin-Gießpulver, das macht momentan auch jeder. Es wird in Formen gegossen, sieht porzellanartig aus und ist ein superschönes weihnachtliches Thema, das warm ums Herz macht“, weiß Anja Schröder.
Eine Mitautorin kam zum Wichtelfrühstück vorbei – dann wurde eine Bestsellerfeier daraus
Die Anfrage für ein Buch ist im Januar 2023 bei ihr eingegangen. „Ich hatte mit dem Frechverlag schon zwei Klötzchen-Bücher gemacht“, erzählt Anja Schröder. Die beiden anderen Frauen aus dem Kölner Raum und dem Rheingau waren bereits vor ihr mit im Boot. Sarah Arabatzis hat schon zwei Wichtelbücher veröffentlicht, Ellie Böttcher hat ein Wichtelbuch geschrieben. Kein Bastelbuch, sondern eine Geschichte.
Durch die Zusammenarbeit sind sie gute Freunde geworden. „Ellie und ich haben hauptsächlich den Do-it-yourself-Teil (DIY) gemacht, Sarah hat vor allem den schriftlichen Part übernommen. Der Austausch lief zunächst per Telefon und Internet, aber vor zwei Wochen stand Elli Böttcher für ein Wichtelfrühstück dann leibhaftig in Geesthacht vor der Tür“, erzählt sie. Wegen der Auflagen-Entwicklung zum Spiegel-Bestseller wurde eine kleine Feier draus.
„Ich brenne für Wichtel – wir haben sofort losgelegt“
Der Start erfolgte mit 4000 Exemplaren. Mittlerweile ist die aktuelle Auflage des Buches online vergriffen. „Es ist momentan nicht zu kriegen. Ich habe im Geschäft noch welche, weil ich mich gut bevorratet habe“, sagt Anja Schröder. Möglicherweise seien auch in anderen Buchläden noch Restbestände zu bekommen.
„Ich habe sofort gewusst, mit den beiden mache ich das. Da konnte ich nicht nein sagen, ich brenne für Wichtel. Dann haben wir sofort losgelegt. Bis Mitte April stand das Buch. Am 30. August kam es auf den Markt“, berichtet Anja Schröder über den Werdegang. Die drei Expertinnen hatten bei der Ausgestaltung freie Hand. Bastelarbeiten gibt es für Anfänger und Fortgeschrittene.
Auch Ganzjahreswichtel soll es mittlerweile geben
Sie legten die Kapitel fest wie „der Wichtel zieht ein, der Wichtel hat eine Baustelle, es ist Backtag, Nikolaus, Weihnachtstag, der Wichtel zieht wieder aus“, zählt Anja Schröder auf. Die Weihnachtswichtel verabschieden sich nach den Feiertagen, mittlerweile existierten aber auch schon Ganzjahreswichtel, weiß Anja Schröder.
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Inzwischen gibt es ganze Berge an Wichtelbüchern. Was haben die drei besser gemacht, dass ihr Buch ein Besteller wurde? „Ich glaube einfach, dass es ein wahrer Ideenschatz ist. Wir machen das Wichteln alle drei schon so lange, dass das, was da zusammengekommen ist, einfach Bombe ist“.