Lauenburg. Beim Rundgang mit Kunsthistorikerin Anja Kretschmar über den Friedhof Lauenburg läuft Besuchern ein Schauer über den Rücken.
Wissenswert, spannend und ganz schön gruselig – wenn Kunsthistorikerin Anja Kretschmar Besucher in der Abenddämmerung über Friedhöfe führt, ist von allem etwas dabei. Seit zwölf Jahren schlüpft sie in die Rolle der „Schwarzen Witwe“. Am Freitag, 17. November, lehrt sie Besuchern auf dem Lauenburger Friedhof das Fürchten.
Anja Kretschmar nimmt die Teilnehmer an der Führung mit auf eine Zeitreise, die im späten 19. Jahrhundert beginnt und zurück bis ins späte Mittelalter führt. Die „Schwarze Witwe“ verlor ihren Gatten. Hat sie ihn gar selbst ins Jenseits befördert? Doch darüber legen die Besucher besser den Mantel des Schweigens.
Als Leichenfett gegen allerlei Ungemach half
Schon lange vor der Zeit, in der die „Schwarze Witwe“ lebte, wurde das Thema Tod vom Aberglauben beherrscht. Und spätestens, wenn Anja Kretschmar erzählt, was es mit Leichenfett auf sich hat, jagt sie den Besuchern eine Gänsehaut über den Rücken. Weil man lange glaubte, dass dieses spezielle Fett gegen Rheuma und Arthritis hilft, musste nämlich so mancher vorzeitig das Zeitliche segnen.
Die „Schwarze Witwe“ erzählt auch, warum man einen Sterbenden nie beim Namen rief, oder was die Taube mit dem Tod zu tun haben soll. Was ist ein Leichenbitter? Was sind Totenkronen? Und warum wurden Verstorbene festgebunden oder ihnen Erbsen mit in den Sarg gelegt? Am Ende der Führung werden die Besucher die Antworten kennen. Wahrscheinlich sind sie dann auch froh, dass moderne Uhren nicht mehr aufgezogen werden müssen. Denn – so glaubte man früher – bleibt im Haus die Uhr stehen, ist der Tod nicht mehr fern.
Die große Furcht, lebendig begraben zu werden
Die größte Angst der Menschen war damals jedoch, als Scheintote lebendig begraben zu werden. Auch von Wiederkehrern war die Rede. Das waren in der Gedankenwelt unserer Ahnen Verstorbene, die in die Welt der Lebenden zurückkehren. Auch dieser Aberglaube hatte einen realen Hintergrund.
Gräber wurden zu dieser Zeit noch nicht tief ausgehoben. So konnte es passieren, dass zum Beispiel nach starkem Regen Leichenteile oder Knochen an die Erdoberfläche gespült wurden. Das führte zu Geschichten über scheinbar wandelnde Tote.
Auch die Medizin setzte sich Jahrhunderte lang mit diesem Thema auseinander. Immer wieder tauchten Berichte auf, die angebliche Beweise für Untote lieferten. Bei Exhumierungen sollen hin und wieder Kratzspuren an der Innenseite von Sargdeckeln entdeckt und Leichen in merkwürdigen Positionen vorgefunden worden sein. Die Wissenschaft war noch nicht weit genug, die chemischen Prozesse während der Verwesung zu verstehen.
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Das Thema Tod vom Tabu befreien
Anja Kretschmar ist nicht nur als „Schwarze Witwe“ unterwegs. Sie ist außerdem Trauerrednerin, Wissenschaftlerin und Buchautorin. Vor vier Jahren erschien ihr Buch „Friedhofsgeflüster“. Ein Kritiker schreibt auf der Webseite des Buchhändlers Thalia: „In diesem Buch wird altes und längst vergessenes Brauchtum neben uraltem Wissen verwahrt, wissenschaftlich fundiert und auf herzerfrischende Art mit einer ganz persönlichen Note der Autorin wiedergegeben.“
Während ihrer Führungen gelingt ihr der Spagat, das ernste Thema auch von einer skurrilen Seite aus zu beschreiben. Anfangs musste sie mit ihrem Konzept bei den Friedhofsverwaltungen ordentlich Klinken putzen. Mittlerweile ist die Kunstfigur gut gebucht. „Friedhöfe sind heutzutage auch Veranstaltungsorte. Da passt mein Konzept gut rein“, hat sie festgestellt.
Die Führung mit der „Schwarzen Witwe“ am Freitag, 17. November, beginnt um 17 Uhr an der Kapelle (Lütauer Straße 2). Die Teilnahme kostet 15 Euro. Tickets können online über die Seite www.anja-kretschmar.de erworben werden. Außerdem sind Reservierungen auch telefonisch möglich unter 0151/56 33 35 49.