Lauenburg. Elle Koriath war 30 Jahre lang das Gesicht von Lauenburgs letzter Ruhestätte. Womit sie manchmal provozierte.
Es war eine der umstrittenen Aktionen, zu denen Elle Koriath heute noch steht: Auf der Lauenburger Gewerbeschau vor fünf Jahren hatte das Team des Lauenburger Friedhofes Löffel verteilt. Das ist ja erst mal nicht besonders spektakulär, hätte nicht auf dem Beipackzettel gestanden: „Löffel abgeben!“. „Das ist keine Werbung für einen evangelischen Friedhof“, wetterten die einen. „Originelle Idee“, fanden die anderen.
Als Elle Koriath vor 30 Jahren die Leitung des Friedhofes übernahm, sind ihr zuerst die vielen Verbotsschilder aufgefallen. „Die mussten weg. Nichts war erlaubt. Nur weil es sich um einen Friedhof handelt, muss der Ort ja nicht tot sein“, sagt sie. Diese Einstellung hat sie bis heute verteidigt, wenn es sein musste, auch gegen Widerstände. Jetzt geht die 62-Jährige sie in den Ruhestand.
Allen Menschen die gleiche Würde geben
Fünf Hektar ist der Lauenburger Friedhof in Lauenburg groß, eine grüne Oase mitten in der Stadt. Das kann man sogar Anfang März erahnen: erste Krokusse blühen und Schneeglöckchen. Die Büsche schimmern von den ersten Knospen hellgrün. Elle Koriath zeigt den liebevoll angelegten Libellengarten. Wer hier seine letzte Ruhe findet, stand nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Sozialbestattung heißt die Zeremonie im Amtsdeutsch: Die Kosten dafür übernimmt das Amt.
„Kürzlich wurde hier ein junger Mann aus Lauenburg bestattet. Angehörige hatte er nicht, eine Wohnung auch nicht. Aber drei Kumpels, die am Grab auf den Freund angestoßen haben.“ Für die gläubige Christin Elle Koriath ist das völlig in Ordnung. „Wer sind wir denn, dass wir jemandem vorschreiben können, wie er zu trauern hat“, sagt sie.
Auf dem Lauenburger Friedhof ist auch Platz für das Leben
Vor 30 Jahren wären Beisetzungen fast immer nach dem gleichen Schema abgelaufen. „Heute ist fast alles möglich. Die Zeremonien sind so individuell wie die Menschen, die verstorben sind. Neulich wurde ein Jäger beigesetzt. Während der Zeremonie kreiste sein Falke über den Köpfen der Trauergäste. So hätte er es sich gewünscht“, ist sie sich sicher. Großer Aufwand oder kleine Gesten – Elle Koriath ist das egal. „Für mich hat ein Obdachloser dieselbe Würde wie ein Firmenchef“, sagt sie.
In der grünen Oase der Stadt gibt es im Sommer jede Menge Aktionen, die man im ersten Moment auf einem Friedhof nicht vermuten würde. Es gibt Lesungen, Pflanzbörsen und Ausstellungen. Seit vergangenem Jahr lädt hier der Seniorenbeirat der Stadt zum Boulespiel ein. Sogar das Fernsehen war schon da. Im April 2019 drehte hier ein Kamerateam eine Sendung „Wünsch Dir Deinen NDR“. Moderator und Plattsnacker Yared Dibaba zeigte sich gut gelaunt auf dem „Bunten Markt“, eine Traditionsveranstaltung auf dem Lauenburger Friedhof.
Friedhof bekam den „Bambi der grünen Branche“ verliehen
Es gibt blühende Wildblumenwiesen und zahlreiche Obstbäume in unmittelbarer Nachbarschaft. Für Koriath ist das alles kein Widerspruch zu gelebter Friedhofskultur. Im Gegenteil: Das Team des Friedhofs engagiert sich im Verein Immaterielles Erbe Friedhofskultur. „Ich bin stolz darauf, dass wir mit unserem kleinen Lauenburger Friedhof neben den großen Friedhöfen in Deutschland Beachtung finden“, sagt sie.
Für den Lauenburger Friedhof ist das nicht die erste überregionale Anerkennung. Lauenburgs „grüne Lunge“ im Stadtzentrum wurde 2018 mit dem Taspo Award ausgezeichnet – und zwar in der Kategorie „Local Hero“. Der Preis wird auch als „Bambi der grünen Branche“ bezeichnet. Verliehen wird er von der Taspo, einer wöchentlich erscheinende Branchenzeitung für den Gartenbau aller Fachsparten, die es unter anderem Namen bereits seit 1867 gibt.
Elle Koriath kann sich guten Gewissens verabschieden
Man könnte nun meinen, Elle Koriath hätte Mühe loszulassen. Immerhin ist sie seit so vielen Jahren das Gesicht des Lauenburger Friedhofes. „Ich habe überhaupt kein Problem loszulassen. Wir haben über einen so langen Zeitraum an einem Strang gezogen, da kann ich mich guten Gewissens verabschieden“, sagt sie. Künftig werden Uwe Pusback und Annett Topaloglu gemeinsam die Geschicke des Friedhofes lenken.
Als „Greenteam“ hat Elle Koriath sich und ihre Mitarbeiter immer verstanden. Und den Friedhof als Ort der Trauer, des Lebens. Dabei brach sie gern auch mal Tabus. Die Löffel-Aktion auf der Gewerbeschau hat in Lauenburg jedenfalls niemand vergessen.