Geesthacht. Jede Mahd tötet Tiere. Ausgerechnet ein Mäher soll nun Kleinstlebewesen schützen. Das Geheimnis liegt in seiner Art zu schneiden.

Geesthacht. Mit dem Mähen beginnt das Sterben. Allein bis zu 90.000 Honigbienen pro Hektar würden bei einer einzigen Mahd auf einer landwirtschaftlichen Wiesenfläche verletzt oder getötet, berichtet das Deutsche Bienen-Journal unter Verweis auf eine Studie aus der Schweiz.

Konventionelle Mäher sind nur zu oft das Letzte, was kleine Tiere auf einem Feld oder am Wegesrand in ihrem Leben zu sehen bekommen. Insekten, aber auch Amphibien und Wiesenvögel, die zu langsam sind, um zu fliehen oder zu jung, werden zu Tausenden zerhackt und geköpft, sterben sofort oder siechen grausam verstümmelt qualvoll zu Tode.

Einsatz von Mähwerken im Grünland trägt stark zum Rückgang der Insekten bei

Auch die Bundesregierung ist mittlerweile auf das Problem aufmerksam geworden. „Der Insektenrückgang hat bedrohliche Ausmaße angenommen. Der Einsatz von Mähwerken im Grünland trägt offenbar stark zum Rückgang der Insekten bei. Dieser Umstand wird bislang zu wenig beachtet“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). Das Projekt „InsectMow‘“, soll erforschen, wie es besser werden kann. Das Bundesamt für Naturschutz und das Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerium fördern das Vorhaben mit rund 648.000 Euro.

Rindergilde setzt auf schonenden Mäher – und verleiht ihn

Die Geesthachter Rindergilde ist bereits einen Schritt weiter. Unter Einsatz von erheblich weniger Geld soll die Situation vor Ort deutlich besser werden. Mit dem neuen Mäher, den Mitglieder des Vorstandes der Rindergilde jetzt präsentierten, sollen viele Tierleben gerettet werden, so die Hoffnung der Naturfreunde.

Denn das sogenannte Balkenmähwerk schneidet, anders als herkömmliche Kreiselmähwerke mit rotierenden Messern, in größerer Höhe über die Köpfe hinweg. Das geht zudem so langsam, dass kein Sog erzeugt wird, der kleine Lebewesen vom Boden in Richtung der Messer zieht.

Öko-Schneider bisher einzigartig in der Region

Die Rindergilde leistet hierbei Pionierarbeit. Der ökologische Schneider könnte bisher einzigartig in der Region sein, jedenfalls ist Rindergilde-Vorstand Andreas Koop „weit und breit“ kein weiterer in der Nähe bekannt. Der Mäher wird von den Naturfreunden gern auch kostenfrei verliehen. „Unser Credo ist: Landwirtschaft, gesunde Ernährung und Naturschutz zusammenzubringen“, erklärt Andreas Koop.

Für ein Gerät, das viele Leben retten wird, sieht der neue Mäher der Geesthachter Rindergilde zunächst einmal recht furchteinflößend aus. Über zwei Meter lang und bestückt mit 70 spitzen und scharfen Zähnen, die sich wie gefräßige Raubtierkiefer in zwei Ebenen gegeneinander bewegen.

Ziel war von Beginn an Herstellung von Artenvielfalt

Aber die oszillierende, hin und hergehende Grasschneidetechnik beim Mähen gilt als besonders schonend für Insekten und Kleinlebewesen. Namensgebend ist der wie ein Arm ausfahrbare Balken, an dem die Schneidevorrichtung angebracht ist. Die Einstellhöhe beginnt etwa bei sieben Zentimetern.

Gegründet wurde die Rindergilde Geesthacht e. V. am 22. Februar 1988 von zunächst 14 Mitglieder. Ziel war, neben der Erlangung von ökologisch hochwertigem Fleisch, von Beginn an, auf den bis dahin intensiv bewirtschafteten Ackerflächen die Artenvielfalt wiederherzustellen. Zu den Verpflichtungen gehört ein regelmäßiger Weidedienst, Knick- und Naturpflege.

Ein durchziehender Wolf nahm die Weide in Augenschein

30 Kühe mit ihren Kälbern sowie einem Bullen der Rasse Deutsch-Angus weiden auf den extensiv genutzten Flächen an der Steinrade in Kollow.
30 Kühe mit ihren Kälbern sowie einem Bullen der Rasse Deutsch-Angus weiden auf den extensiv genutzten Flächen an der Steinrade in Kollow. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Aktuell gibt es 250 Mitglieder. Mehr können, müssen es aber nicht werden. „Wir haben gesunde Finanzen und ein gesundes Vereinsleben. Wir weisen keinen Naturschutzinteressierten ab, aber wir verfolgen auch keine Wachstumsziele“, sagt Andreas Koop.

Die robusten Rinder sind ganzjährig auf der Weide und haben einen Unterstand, der von ihnen aber nur selten genutzt wird. Kürzlich stellte sich Besuch ein. Andreas Koop beobachtete im zeitlichen Abstand zwei Wölfe, sehr wahrscheinlich Durchzieher. Einer von ihnen nahm wohl die Weide in Kollow in Augenschein, vermutet er.

Bürgerstifung spendierte Großteil der Kosten

Der Vorsitzende macht sich aber keine Sorgen, hat mit den Raubtieren generell keine Probleme. „Die Kühe verfügen über einen guten Mutterinstinkt, da hat ein einzelner Wolf keine Chance“, sagt er. 30 Kühe mit ihren Kälbern sowie einem Deckbullen sind es.

3000 Euro von den 5500 Anschaffungskosten des Balkenmähwerks übernahm eine Stiftung: „Die Bürgerstiftung Danke Geesthacht hat gemäß Satzung einen breit aufgestellten Förderzweck, hierzu zählt auch der Umweltschutz. Die Arbeit der Rindergilde unterstützen wir gerne, auch da über die Kooperation mit dem Nabu Geesthacht der Mäher in anderen Umweltschutz-Aktionen verschiedener Träger zum sinnvollen Einsatz kommen kann“, erklärt Prof. Dr. Jan Kramer, Kuratoriumsvorsitzender der Bürgerstiftung.

Mäheinsatz auch für die Ausgleichsflächen für Hamwarder Windenergie

So wird das Gerät zunächst auf Flächen des Nabu Geesthacht und auf den gemeinschaftlich mit dem Demeterbetrieb Erdmannshof bewirtschafteten, extensiven Weiden eingesetzt. Die Angus-Rinder der Rindergilde stehen im Bereich der Wentorfer Lohe, auf den Escheburger Moorwiesen und im Bereich der Steinrader Wiesen in Kollow.

Auch für Ausgleichsflächen für die in Hamwarde entstehenden Windkraftanlagen wird das Gerät im Einsatz sein, berichtet Kollows Bürgermeisterin und Bio-Landwirtin Ines Tretau. Sie hatte den Balkenmäher hinter ihrem Trecker montiert schon im Einsatz. Diese Flächen sollen Greifvögel von den Rotoren weglocken, wenn die Anlagen in Betrieb gehen. Das Gras wird mit dem neuen Mäher kurz gehalten, damit Beutetiere für die Vögel besser zu erspähen sind.

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Zudem wird das Gerät weiteren Landwirten in Geesthacht für Arbeiten im Bereich von Naturschutzprojekten auf den von ihnen bewirtschafteten Flächen zur Verfügung gestellt. Auch für die vom Nabu und der Rindergilde gemeinschaftlich betreuten Blühstreifen in der Gemeinde Kollow kommt das Gerät regelmäßig zum Einsatz.

Weitere Sponsoren zur Projektausweitung werden gesucht

Dieses im regionalen Artenschutz erfolgreiche Blühstreifenprojekt wird gemeinsam mit dem Naturlandbetrieb Tretau aus Kollow und dem Erdmannshof aus Krukow auf etwa 1,5 Hektar landwirtschaftlicher Fläche in der Gemeinde Kollow durchgeführt. Bislang wird es von Geesthachter Unternehmern und Bürgern finanziert.

Zur Fortführung und Ausweitung des Projekts werden noch weitere Sponsoren gesucht. Wer sich einbringen möchte, schreibt eine E-Mail an vorstand@rindergilde-geesthacht.de oder ruft an unter Telefon 04151/7382.