Kollow. Die Rindergilde Geesthacht will das Bewusstsein für gute Lebensmittel stärken. Sie hat Zulauf – gerade auch von jungen Familien.
Friedlich grasen die Kühe auf einer extensiv genutzten Weidefläche an der Steinrade in Kollow und ziehen langsam weiter. Platz genug haben die 56 Tiere der Rasse Deutsch-Angus – eine Kreuzung aus der klassischen Schwarz-Bunten und dem Angus-Rind. 53 Hektar stehen den Rindern zur Verfügung, trotzdem bleibt die Herde dicht zusammen. Uwe Kiesewein von der Rindergilde Geesthacht lässt den Blick über die Weide schweifen und ist hochzufrieden. 1988 war er Gründungsmitglied der Rindergilde Geesthacht.
Aus dem damals kleinen Haufen von Initiatoren ist ein großer Verein mit 250 Mitgliedern geworden. Umweltschutz, Tierwohl und vor allem gesundes Fleisch stehen damals wie heute im Fokus. „Die Gilde ist ein Aushängeschild für unser Dorf. Die Flächen wurden aus der intensiven Bewirtschaftung herausgenommen. Vereinsmitglieder und Besucher werden an den Naturschutz herangeführt und das Bewusstsein für gesunde Lebensmittel wird gestärkt. Das passt zu uns“, sagt Bürgermeisterin Ines Tretau, die selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb führt.
Der Rindergilde sind Umweltschutz und Tierwohl wichtig
„Gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um den schädlichen Kohlendioxidausstoß bei der Rindfleischproduktion, den zu hohen Fleischkonsum und das Tierwohl sind solche Initiativen lobenswert“, befand auch Grünen-Landtagsabgeordneter Oliver Brandt aus Lütau bei einem Ortstermin in Kollow.
„Wir haben Zulauf. Zu unseren Mitgliedern gehören auch immer mehr junge Familien. Wir haben auch weitere Flächen in der Wentorfer Lohe, in Escheburg und in Lanze dazu bekommen“, sagt Wolfgang Kiehn. Den Wert von gesunden Lebensmitteln zu erkennen war von Anfang an eine Triebfeder für die Gründung der Rindergilde.
Angst vor BSE war der Grund für die Gründung der Rindergilde
Als es Ende der 1980er-Jahre losging, grassierte der sogenannte Rinderwahnsinn (BSE). „Damals entstand ein Bewusstsein für gesundes Rindfleisch. Ich hatte die Gelegenheit, an eine drei Hektar große Fläche von einem Landwirt zu kommen, der seinen Betrieb aufgeben wollte“, erinnert sich Kiesewein, der damals Berufsschullehrer war. Der Landwirt war der Vater einer seiner Schülerinnen.
Die Idee für eine Rindergilde, die gemeinschaftlich eine Herde besitzt, schwebte ihm schon länger vor. 1987 sprach er erstmals im Bekanntenkreis darüber. 14 Mitglieder legten einst den Grundstein, 45 waren es nach zwei Jahren und aktuell 250, hinter denen meist ganze Familien stehen. „Einige Mitglieder aus dem Nordkreis haben wir schon an die zweite Rindergilde abgegeben, die nach unserem Vorbild in Hornbek aufgebaut wurde“, erklärt Kiesewein.
Los ging es mit drei Kühen auf einer kleinen Wiese
Als es anfing, hatte die Gilde drei Kühe. Heute sind es insgesamt 80 einschließlich der anderen drei Flächen. Allerdings gehören die Rinder nicht mehr der Gilde, sondern dem Erdmannshof in Krukow. „Das hat steuerliche Gründe, weil wir die Abwicklung der wirtschaftlichen Aspekte wie Pacht und Verkauf des Fleischs an die Mitglieder als Verein gegenüber dem Finanzamt nicht mehr darstellen konnten. Wir betreuen die Herde und pflegen das Gelände, sie gehört uns aber nicht mehr“, erläutert Kiesewein.
Die äußerst robusten Rinder haben keine Hörner und geben nur wenig Milch. Das ist auch so gewollt, weil sie sich frei auf den großen Weideflächen bewegen sollen und nicht gemolken werden. „Die Milch reicht aus, um die Kälber zu versorgen, die mit ihren Müttern auf der Weide sind“, sagt Gerd Tomasz, ein pensionierter Tierarzt. Für die aktuell 23 Kühe gibt es einen Bullen. Sechs Wochen benötigt er, um bei allen Kühen für Nachwuchs zu sorgen und er wird alle zwei Jahre ausgetauscht. „Sonst würde er seine eigenen Töchter besteigen. Das ist Inzucht und nicht gut für den Fortbestand einer gesunden Herde“, erläutert Kiesewein. „Chef“ der Herde ist der Bulle nicht. Er sorgt für Nachwuchs, aber das Sagen hat eine Leitkuh, die ihre Position auch in Kämpfen innerhalb der Herde festigen muss.
Zwei Kühe haben einen Hektar Platz zum Grasen
Weiter wachsen soll die Herde nicht, obwohl die Fläche von nunmehr 53 Hektar in Kollow das hergeben würde. Nach den Leitlinien von Demeter für eine Tierzucht sind zwei bis vier Rinder pro Hektar zugelassen. Die Rindergilde bewegt sich am untersten Rand. Die Tiere bekommen jedes Jahr Nachwuchs, zum Kalben werden sie aber abgeholt und bringen die Jungtiere unter Aufsicht auf dem Erdmannshof in Krukow zur Welt. „Früher hatten wir die Geburten auf der Weide. Dabei gab es aber auch immer wieder Totgeburten. Das wollen wir vermeiden“, so Kiesewein. 18 Kühe werden jedes Jahr geschlachtet und an die Mitglieder verkauft. So bleibt der Bestand der Herde auf einem Niveau und die Mitglieder können sich über frisches Rindfleisch freuen.
Die robusten Rinder sind ganzjährig auf der Weide. Mit einer Spende in Höhe von 30.000 Euro von einem Künstler hat die Gilde einen Unterstand für die Rinder gebaut. Der wird von den Kühen allerdings kaum genutzt. Dafür brüten dort Schleiereulen.
Naturschutz steht im Fokus der Hobby-Rinderzüchter
Die Gildemitglieder haben aber nicht nur ihre Kühe im Blick. Gemeinsam haben sie im Laufe der Jahre mehr als drei Kilometer Knicks angelegt, die vielen Tieren als Lebensraum dienen. Auch bei der Knickpflege setzen sie auf Nachhaltigkeit. Bei Projekten wie diesem arbeiten die Gildemitglieder auch eng mit dem Nabu zusammen. Unter anderem haben sie jetzt Fledermausbrutkästen angeschafft und an die höheren Bäume – die sogenannten Überhälter – gehängt.
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„Wenn die Knicks auf den Stock gesetzt werden, beauftragen wir ein Lohnunternehmen. Die Büsche werden in einem Meter Höhe mit der Maschine abgekniffen. Damit es gerade Schnittkanten gibt, nehmen wir den verbliebenen Meter in Handarbeit mit der Motorsäge ab“, so Kiesewein. Das schützt die Pflanzen, weil so kein Wasser in den Stamm eindringt und dieser nicht fault. Außerdem bekommen die Gildemitglieder für ihren Arbeitseinsatz so auch kostenloses Kaminholz.
Weideflächen bieten auch Rotmilan und Uhu Platz
Die extensiv genutzten Flächen sind aber auch ein Domizil für Rotmilan, Goldammer, Specht und Uhus. „Wir haben auf einem alten Telegrafenmasten schon vor Jahren ein Storchennest angelegt. Die Störche kamen nie. Sie ziehen den belebteren Standort im Dorf vor“, so Kiesewein. Dafür brütete vor drei Jahren ein Uhu in dem Nest. Allerdings war es ein sehr nasser Sommer und deshalb haben sich die Uhus jetzt einen anderen Standort gesucht, der besser vor dem Wetter geschützt ist.