Geesthacht. Die Fahrten mit der alten Eisenbahn werden immer beliebter. Jetzt werden die Kapazitäten erweitert. Woher die musealen Wagen kommen.

Überraschte Autofahrer in Bergedorf bekamen am gestrigen Mittwochabend (19. Oktober) einen Vorgeschmack auf den vielfach geforderten Bahnanschluss nach Geesthacht. Um 21.30 Uhr schalteten die Ampeln am Bahnübergang am Sander Damm auf Rot, die Schranken senkten sich und aus der Dunkelheit tauchte eine Rangierlok mit zwei historischen Personenwaggons im Schlepptau auf, rollte hupend vorbei und verschwand wieder in der Nacht.

Zu nächtlicher Stunde rollen am Bahnübergang beim Sander Damm in Bergedorf zwei historische Waggons auf dem Weg zum Lokschuppen der Arbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn vorbei.
Zu nächtlicher Stunde rollen am Bahnübergang beim Sander Damm in Bergedorf zwei historische Waggons auf dem Weg zum Lokschuppen der Arbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn vorbei. © Leimig, Christoph | Leimig, Christoph

Die musealen Waggons indes waren noch leer, es handelte sich um eine Überführungsfahrt vom Kulturlokschuppen in Neumünster. Ziel der Reise war das Gelände der Arbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn. Beide Wagen stammen aus Süddeutschland. Die verblasste Aufschrift „Wanderbahn im Regental“ ist noch schwach auf dem Waggon zu lesen, der nun zunächst auf einer Seitenfläche des Areals abgestellt ist.

Zwei weitere Waggons für die historische Dampflok „Karoline“

Das Besondere: Der Waggon ist geteilt, die eine Hälfte ist das Sitzplatzabteil, die andere Hälfte bietet eine Abstellfläche für die Fahrradmitnahme. Bisher werden Fahrräder von Ausflüglern auf den Sonderfahrten der Arbeitsgemeinschaft von Bergedorf über Geesthacht nach Krümmel in einem Güterwaggon transportiert.

„Heimatbahnhof Extertal-Bösingfeld“ steht auf dem anderen Waggon. Er parkt direkt vor der Lok „Karoline“, die wettergeschützt im Schuppen auf ihren nächsten Einsatz wartet. In diesem Waggon haben bereits die Reinigungsarbeiten mit Schrubber und Handfeger begonnen. Die Zeit läuft, denn die Waggons sollen, wenn möglich, bereits zu den Nikolausfahrten am Sonnabend und Sonntag, 16. und 17. Dezember, eingesetzt werden.

Wie lange die Waggons in Geesthacht bleiben, ist nicht sicher

Auch wenn das Gelände an der Dünenstraße nun der neue Stellplatz für die zwei Waggons ist – ob sie dauerhaft hier bleiben, ist nicht sicher. Denn erworben wurden sie von den Eisenbahnfreunden Nordwestmecklenburg. Die Geesthachter dürfen sie nutzen, bis über eine weitere Verwendung durch den neuen Besitzer entschieden ist.

Der Verein aus dem benachbarten Bundesland ist eher auf Überlandfahrten spezialisiert. Am 2. Dezember etwa startet in Mönchengladbach der Rhein-Warnow-Express mit einer Fahrt zu den Weihnachtsmärkten in Schwerin, Rostock und Warnemünde.

Die Zahl der Mitreisenden steigt um 100 Personen

Jens Klippstein hat zum Handfeger gegriffen für eine erste Reinigung. Der Waggon mit seinem Aufbau von 1957 bietet viel Platz.
Jens Klippstein hat zum Handfeger gegriffen für eine erste Reinigung. Der Waggon mit seinem Aufbau von 1957 bietet viel Platz. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Der Arbeitsgemeinschaft in Geesthacht kommen die zwei Waggons sehr gelegen. Das Platzangebot mit drei Wagen langte zuletzt nicht mehr, so beliebt sind die Ausflugsfahrten mit Dampflok „Karoline“ als Zugpferd geworden. „Beim letzten Mal blieben freiwillig gut 70 Besucher am Bahnsteig zurück. Ihnen war es im Inneren zu voll gewesen“, berichtet der Vorsitzende Knut Wiese.

Nun steigt die Kapazität an Mitreisenden von 160 um noch einmal rund 100 Fahrgäste. Ein warmer Segen für die Vereinskasse. Der Verein hatte zur Erweiterung der Platzkapazitäten zuvor bereits ein Auge auf zwei obdachlos gewordene Waggons in Schwerin geworfen. Dort hatte es beim Mecklenburgischen Eisenbahn- und Technikmuseum im Juli einen Gebäudebrand gegeben. Diese Pläne zerschlugen sich dann aber.

Das Fahrgestell stammt aus den zwanziger Jahren

Der Aufbau der Wagen stammt aus den 1950er-Jahren. Das Fahrgestell preußischer Bauart ist sogar noch älter, stammt aus den 1920er-Jahren. Es war ein üblicher Vorgang in der Nachkriegszeit, alte, robuste Fahrgestelle als rollende Unterkonstruktion weiterzuverwenden.

Die Restauration wird dabei von Mitgliedern beider Vereine geleistet, Geesthachter und Nordwestmecklenburger kooperieren. „Der Anfahrtsweg von ihnen ist meist nicht so weit, viele von ihnen wohnen in der Umgebung“, weiß Jens Klippstein, der als Lokführer bei der Überführung dabei war.

Noch auf der Rückfahrt wurde eine To-do-Liste besprochen

Die Rückfahrt aus Neumünster von 19 bis 22.30 Uhr wurde auch für Überlegungen genutzt, wie es nun weitergeht. „Wer an Arbeiten was macht, muss noch genau besprochen werden“, erzählt Jens Klippstein. Für die Überführung hatte es eine vorläufige Bescheinigung als Werkstattfahrt gegeben.

Zunächst wurde nun eine Liste mit den künftigen Aufgaben erstellt. Da geht es unter anderem um die Prüfung von Fahrwerk und Bremsen, von elektrischer Anlage, Fenstern, Sitzen und Heizung, und es muss an vielen Stellen neue Farbe aufgetragen werden. Klingt nach viel Arbeit, der Grundzustand sei aber gut, meint Jens Klippstein. Als Schulnote würde er dafür eine 2+ bis 2- erteilen.

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Details zur Ausgestaltung eines Mietvertrages oder auch zur Höhe einer Mietzahlung für die Waggons an die Nordwestmecklenburger gäbe es bisher nicht, sagt Knut Wiese. Vielleicht werde das ja auch mit der Arbeitsleistung verrechnet.

Lok „Karoline“ nach jüngsten Reparaturen wieder gesund, die Kapazitäten erweitert – Wünsche gibt es natürlich weiterhin. Der größte: „Einen weiteren Schuppen auf dem Gelände bauen zu dürfen, damit die restaurierten Wagen im Regen nicht gleich wieder weggammeln“, erklärt Knut Wiese. Hierfür müssen Gespräche mit den VHH geführt werden, denen das Areal gehört. Die Arbeitsgemeinschaft ist Mieter.

Der zweite der neuen Waggons parkt zunächst auf einer Nebenfläche. Er besteht je zur Hälfte aus Personen- und Fahrradabteil.
Der zweite der neuen Waggons parkt zunächst auf einer Nebenfläche. Er besteht je zur Hälfte aus Personen- und Fahrradabteil. © Dirk Palapies | Dirk Palapies