Lauenburg/Grimma. Zehn Jahre sind nach dem Hochwasser 2013 vergangen. Eine Lösung gibt es für Lauenburg immer noch nicht. Warum es anderswo besser läuft.
Wer von den Bewohnern der Lauenburger Altstadt denkt heute noch an das verheerende Hochwasser 2013? In letzter Zeit machte die Elbe ja eher durch extreme Niedrigwasserstände von sich reden. Und viele der historischen Häuser haben inzwischen neue Eigentümer. 2014 hatten sich 500 Lauenburger entlang der Elbuferpromenade zu einer Menschenkette zusammengeschlossen, um ihrer Forderung nach einem Hochwasserschutz Nachdruck zu verleihen.
Heute sind es nur noch ein paar der damals betroffenen Anwohner, die nicht aufgegeben haben. Kein Wunder, viel passiert ist nicht in Sachen Hochwasserschutz in den vergangenen Jahren. Würde sich das Hochwasser von 2013 heute wiederholen, wären die historischen Häuser entlang der Elbstraße dem Wasser ebenso schutzlos ausgeliefert wie damals. Dass es auch anderes geht, zeigt sich in im Bundesland Sachsen. Anfang Oktober fährt eine große Delegation aus Lauenburg für drei Tage in den Freistaat, um sich aus erster Hand über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Bearbeitung der Hochwasserproblematik zu informieren. „Wir wollen schauen, was in Sachsen anders und vielleicht auch besser läuft“, sagt Bürgermeister Thorben Brackmann. Neben Mitarbeitern der Verwaltung und der Landesregierung, gehören Vertreter der Politik, des Wasser- und Bodenverbandes und der Freiwilligen Feuerwehr zur Delegation. Auch Akteure der Betroffenengemeinschaft Hochwasser wollen sich vor Ort ein Bild machen.
Altstadt von Grimma ist seit 2019 gegen Hochwasser geschützt
Das große Vergessen nach der Katastrophe ist übrigens kein Lauenburger Phänomen. Im sächsischen Grimma richtete das Hochwasser der Mulde 2002 vor allem in der historischen Altstadt Schäden in Höhe von 250 Millionen Euro an. Die sächsische Landesregierung beschloss die Errichtung einer Hochwasserschutzanlage. Das Planfeststellungsverfahren dauerte nicht mal ein Jahr. Doch je mehr Zeit ins Land ging, desto mehr sträubten sich viele Menschen plötzlich gegen den Eingriff in das Stadtbild. Damals erwog man sogar, die Bürgerbeteiligung bei der Planung von Hochwasserschutzanlagen stark einzuschränken. Nach einigen gewonnenen Prozessen konnte der Freistaat 2007 endlich mit dem Bau der Anlage beginnen.
Ein paar Jahre zu später, als die Mulde 2013 erneut die Altstadt flutete, war die Anlage noch im Bau. Die Schäden waren ähnlich hoch wie 2002. Mit Fertigstellung der 57 Millionen Euro teuren Hochwasserschutzanlage erfuhr Grimma nun einen entscheidenden Wandel in der Stadtentwicklung. Obwohl die gesamte Altstadt unterirdisch sowie oberhalb geschützt ist, fällt das bemerkenswerte Bauwerk im Stadtbild kaum auf. Nach zwölf Jahren Bauzeit wurde die Hochwasserschutzanlage am 2. August 2019 offiziell eingeweiht.
Denkmalschutz in die Planung einbezogen
In Lauenburg sei die Planung des Hochwasserschutzes auch deshalb so kompliziert, weil die Belange des Denkmalschutzes berücksichtigt werden müssten, heißt es. Das war in Grimma nicht anders. Die mehr als zwei Kilometer lange und bis zwölf Meter tief in den Fels gegründete Hochwasserschutzanlage entlang des Altstadtkerns bindet dort zahlreiche denkmalgeschützte Bauten und die 800 Jahre alte Stadtmauer ein.
Unter Federführung der Technischen Universität Dresden koordinierte eine Arbeitsgruppe aus Experte für Tiefbau/Wasserbau, Hochbau/Architektur, Städtebau, Landschaftsarchitektur und Denkmalpflege die Planung und Umsetzung. Das Projekt „Hochwasserschutzanlage für Grimma an der Mulde“ erhielt 2022 den Sächsischen Staatspreis für Baukultur.
Land, Bund und die EU teilen sich Kosten in Grimma
Finanziert wurde der Bau der Hochwasserschutzanlage vor allem aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), aber auch aus Mitteln des Bundes und der Länder sowie unter Kofinanzierung aus Mitteln des Freistaates Sachsen auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Eine Beteiligung der Stadt Grimma stand nie zur Debatte, ebensowenig die Anwohner mit den Kosten zu belasten. Seit der Flut im Jahr 2002 hat der Freistaat Sachsen 2,9 Milliarden Euro in den Hochwasserschutz sowie in die nachhaltige Schadensbeseitigung investiert.
Da die Planungen des Hochwasserschutzes für Lauenburg noch in den Kinderschuhen stecken, können auch die Kosten noch nicht genau kalkuliert werden. Schätzungen gehen derzeit von 50 Millionen Euro aus, die das Gesamtprojekt mindestens kosten würde. Anders als in Sachsen wird der Hochwasserschutz für Lauenburg nur zu 90 Prozent vom Land Schleswig-Holstein finanziert. Der verbleibende Eigenanteil von zehn Prozent schwebt über den Köpfen vieler Altstadtbewohner nach wie vor wie ein Damoklesschwert.
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Flutung der Havelpolder brachte Lauenburg Entlastung
Aber nicht nur Grimma ist das Ziel der Lauenburger Delegation. Bevor es am Freitag wieder nach Hause geht, machen die Teilnehmer einen Abstecher nach Havelberg in Sachsen Anhalt. Welche Wirkungen die Havelpolder haben, erfahren sie dort aus erster Hand. „Die Flutung des Havelpolders hat uns 2013 etwa 14 Zentimeter weniger verschafft“, weiß Lauenburgs ehemaliger Bauamtsleiter Reinhard Nieberg, der sich nach wie vor in der Hochwasserpartnerschaft Elbe engagiert. Die Havelpolder wurde von der DDR bereits in den 1950er-Jahren als Ausgleich für verlorene Überflutungsflächen der Elbe geschaffen. Für Schäden, die sich aus der bewusst herbeigeführten Überflutung ergeben, werden die Eigentümer finanziell entschädigt.
Ob die Reise der Lauenburger Delegation einen Schub für den Hochwasserschutz in der Schifferstadt bringt, bleibt abzuwarten. Jörg Sönksen von der Betroffenengemeinschaft Hochwasser verspricht sich von der Exkursion nach Grimma Anregungen. Schließlich gebe es einige Parallelen zu Lauenburg. „Man muss das Rad ja nicht zweimal erfinden. Vielleicht können wir uns einiges abschauen, damit es endlich vorangeht“, hofft er.