Landkreis Harburg. Ganz weit unten im Ladenetz-Ranking: Der Landkreis Harburg schneidet bei der Ausstattung mit Zapfsäulen für E-Autos schlecht ab.

Wer in Harburg und Umland mit dem E-Auto unterwegs ist, muss sich deutlich länger auf die Suche nach einer Ladesäule begeben als anderswo. Wie eine Auswertung der behördlichen Daten zeigt, hinkt der Landkreis Harburg im Vergleich zu anderen Regionen beim Ausbau der Infrastruktur besonders hinterher.

Die Mehrheit der zugehörigen Gemeinden verfügt über keine einzige Ladestation. Das Kreishaus verweist auf unklare Regelungen und bundesweite Probleme.

Kreis Harburg: Schlechte Position im E-Ladesäulen-Ranking

In einer Rangliste aller deutschen Landkreise und kreisfreien Städte steht der Landkreis Harburg weit unten und belegt gemäß einer Auswertung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Platz 363 von 399 Kommunen. Mehr als 38 E-Autos teilen sich hier demnach einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt.

Zum Vergleich: Auf Platz 1 der VDA-Rangfolge steht der hessische Landkreis Groß-Gerau bei Frankfurt am Main. Dort teilen sich weniger als fünf E-Autos einen Ladepunkt. Das VDA-Ranking zeigt das Verhältnis aller vor Ort zugelassenen E-Pkw zu den öffentlich zugänglichen Ladepunkten mit dem Stichtag 1. April 2022. Inbegriffen sind vollelektrische Pkw und Plugin-Hybride.

Hintergrund: Klimafreundlicher Verkehr mit einer Million Ladepunkte

Die Bundesregierung arbeitet auf einen schnellen Umstieg auf das E-Auto hin, um den Verkehr klimafreundlicher zu gestalten. Wichtige Voraussetzung dafür: eine bessere Ausstattung mit Ladestationen. Sorgen um die Reichweite und den Akkuladestand der Fahrzeuge gelten als Kaufhemmnis. Im Jahr 2030 sollen bundesweit eine Million Ladepunkte zur Verfügung zu stellen, was einem Verhältnis Ladepunkt zu E-Auto von 1:15 entspräche.

Auch Kommunen setzen vermehrt auf E-Fahrzeuge. So hat beispielsweise die Gemeinde Rosengarten kürzlich das erste Elektroauto in Betrieb genommen.

So läuft der Ausbau der Infrastruktur seit 2017

Wie die Grafik zur Entwicklung der Ladeinfrastruktur im Kreis Harburg zeigt, nimmt die Zahl der Stationen seit 2017 zwar stetig zu. Den lokalen Neuzulassungen der E-Fahrzeuge hält der Ausbau jedoch nicht Schritt. Nach aktuelleren Zahlen der Bundesnetzagentur und des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) kommen weiterhin rund 37 E-Autos auf einen Ladepunkt, mit Stichtag 1. Juli 2022 wurden 121 Ladepunkte im Kreis Harburg registriert. Die Statistik führt nur Anlagen, die den technische Voraussetzungen der Bundesnetzagentur erfüllen.

Für den Bezirk Harburg hatte der Hamburgische Ausschuss für Mobilität und Inneres im Frühjahr angekündigt, die Lademöglichkeiten deutlich auszubauen.

Verteilung im Landkreis: Viele Gemeinden ohne Ladesäule

Ein Detailblick auf die Lage im Landkreis Harburg zeigt, dass die sich die öffentlich einsehbaren Ladepunkte auf 13 Gemeinden und Städte verteilen. In der Abendblatt-Karte sind 59 Ladestationen mit 114 Ladepunkten vermerkt. Einige Betreiber haben der Veröffentlichung der Standorte und technischen Daten durch die Bundesnetzagentur nicht zugestimmt.

In 29 Kommunen gibt es den Daten zufolge gar keine Ladesäulen. Damit steht der Kreis schlechter da als der Durchschnitt. Schon die Tatsache, dass jede zweite Kommune in Deutschland keine einzige Ladesäule aufweist, sorgte kürzlich für Kritik von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Die meisten Ladepunkte gibt es in der Kreisstadt Winsen

Ausgestattet sind tendenziell die Gebiete im Norden in Hamburg-Nähe. Ein auffälliger weißer Fleck erstreckt sich südwestlich von Buchholz und südlich von Seevetal bis Egestorf an der Landkreisgrenze. Die meisten Ladepunkte weisen wenig überraschend die einwohnerstarken Orte auf. Mit 31 Ladepunkten führt Winsen die Rangliste im Kreis vor Buchholz (22), Seevetal (16) – wo ein weiterer Ausbau beschlossen wurde – und Neu Wulmstorf (13) an. Rund 30 Prozent aller Anlagen sind sogenannte Schnellladepunkte – die Bundesnetzagentur weist Ladepunkte mit einer Kapazität von mehr als 22 Kilowatt als solche aus.

Der VDA fordert neben schnelleren Planungs- und Genehmigungsprozessen auch die Kommunen dazu auf, ihre Verantwortung für den Ausbau der Ladeinfrastruktur stärker als bisher wahrnehmen, da sie den konkreten Bedarf vor Ort am besten kennen. „Die Bürgermeister und Landräte müssen Ziele für den Aufbau definieren und die Umsetzung vorantreiben“, so sagt Verbandschefin Hildegard Müller.

So reagiert die Kreisverwaltung auf die schlechte Platzierung

Angesprochen auf die verhältnismäßig schlechte Ausstattung mit öffentlichen Ladestationen antwortete Bernhard Frosdorfer, Sprecher des Landkreises Harburg: „Der Ausbau der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur hält mit dem Wachstum bei den E-Fahrzeugen bundesweit nicht Schritt.“

Bernhard Frosdorfer, Sprecher beim Landkreis Harburg, sieht den Bund in der Pflicht, bessere Rahmenbedingungen für der Ladenetzausbau zu schaffen.
Bernhard Frosdorfer, Sprecher beim Landkreis Harburg, sieht den Bund in der Pflicht, bessere Rahmenbedingungen für der Ladenetzausbau zu schaffen. © Landkreis harburg / BernHARD FROSDORFER

Laut Frosdorfer seien viele Fragen offen. „Hilfreich wären sicherlich klarere Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten für den Ausbau.“ Geklärt werden müssten die Rollen von Bund, Land, Energieversorgern oder Tankstellenbetreibern sowie konkrete Zeitpläne. Von dem „Masterplan Ladeinfrastruktur II“, den die Bundesregierung derzeit abstimme, erhofft sich Frosdorfer bessere Voraussetzung für ein verstärktes Engagement der Kommunen.

Keine Erklärung liefert der Kreis damit zu der Frage, warum die allermeisten Kommunen in Deutschland unter denselben Voraussetzung weiter beim Ausbau vorangeschritten sind.

Ladesäulennetz: Bessere Infrastruktur in Stade und Lüneburg

Im Verhältnis besser ausgestattet mit E-Ladesäulen als der Kreis Harburg sind auch die Nachbarkreise. Im Kreis Stade teilen sich 22,6 E-Autos einen Ladepunkt. Mittelfeld im VDA-Bundesvergleich. In Lüneburg gibt es aktuell mehr als 26 E-Autos pro Ladepunkt. Der VDA rechnet noch abweichend mit einem Wert von 25,3 (siehe Tabelle). Harburgs Kreissprecher Frosdorfer dazu: „Im Vergleich zu den Nachbarlandkreisen sind und werden im Landkreis Harburg überdurchschnittlich viele E-Fahrzeuge neu zugelassen.“

Seevetal hat den weiteren Ausbau bereits beschlossen, hier eine der vorhandenen Ladesäulen für Elektro-Autos auf dem Lidl-Parkplatz in Fleestedt. (Archiv)
Seevetal hat den weiteren Ausbau bereits beschlossen, hier eine der vorhandenen Ladesäulen für Elektro-Autos auf dem Lidl-Parkplatz in Fleestedt. (Archiv) © Lena ThielE

Das trifft auf die absoluten Zuwachszahlen zu. Doch in allen drei Landkreisen steigt die Zahl der Elektrowagen deutlich an. 4434 Pkw mit Elektroantrieb sind im Kreis Harburg aktuell zugelassen (Stand: 1. Juni 2022). Im Januar 2022 waren es der öffentlichen KBA-Statistik zufolge noch 4103, ein Jahr zuvor weniger als die Hälfte (1946 E-Pkw). Auch in den Kreisen Stade und Lüneburg hat sich der Zahl von 2021 auf 2022 mehr als verdoppelt und bis April 2022 erneut erhöht. Mit einer Zuwachsrate von 115 Prozent von Januar 2021 auf 2022 übertrifft Stade sogar Harburgs Wert von 111 Prozent (eigene Berechnung).

Kreisweites, kommunales Ladeinfrastrukturkonzept in Vorbereitung

Dass im Kreis Harburg in 29 Kommunen gar keine öffentliche Ladesäule aufgestellt ist, kommentiert Kreissprecher Frosdorfer wie folgt: „Eine ausschließliche Orientierung an der Anzahl öffentlich zugänglicher Ladeplätze oder die Verteilung von Ladeplätzen nach dem Gießkannenprinzip ist nicht zielführend.“

Solche „weißen Flecken“ zu schließen, sei dennoch eines der Themen eines kreisweit koordinierten kommunales Ladeinfrastrukturkonzepts, das derzeit mit der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Vorbereitung sei. Dazu werde es ein Gespräch mit den Städten und Gemeinden geben. Der Bund sieht auch jene Verwaltungschefs in der Pflicht. Gegenüber der Deutschen Presseagentur forderte Verkehrsminister Wissing: „Ich kann nur jeder Bürgermeisterin und jedem Bürgermeister empfehlen, das Thema sehr, sehr ernst zu nehmen.“