Hamburg. Aufs Elektroauto umzusteigen lohnt sich, wenn es günstig aufgeladen werden kann. Ein Beispiel aus Bahrenfeld zeigt, wie das gehen kann.
Spätestens jetzt, seit die Spritpreise die 2-Euro-Grenze geknackt haben und die politische Abhängigkeit von fossilen Energieträgern in Deutschland durch den Krieg in der Ukraine mehr als deutlich zutage getreten ist, fragen sich immer mehr Autofahrer: Bringt es etwas, zeitnah auf ein Elektroauto umzusteigen? Die Antwort: Ja – wenn die Voraussetzungen fürs Aufladen stimmen.
Elektroauto: Wann sollte man umsteigen?
Bislang haben Elektroautos in Deutschland zahlenmäßig noch nicht den großen Durchbruch erlebt, mit Stand 1. Januar 2022 gab es auf den hiesigen Straßen gerade einmal 618.500 E-Autos, was bei insgesamt 59 Millionen Kfz keine besonders hohe Quote ist. Allerdings hat sich der Verkauf von Stromern zuletzt stark beschleunigt, im Februar 2022 wurden in Deutschland 54,9 Prozent mehr E-Autos als im Vergleichsmonat des Vorjahrs neu zugelassen. Ihr Anteil an den gesamten Neuzulassungen lag laut ADAC bereits bei 14,1 Prozent, mithin ist schon jeder siebte Neuwagen mit Strom unterwegs.
Es könnten sogar noch mehr sein, doch bei vielen Herstellern hakt es nach Corona-bedingtem Asien-Chip-Mangel und nun wegen fehlender Kabelbäume aus der Ukraine in den Lieferketten. Wer jetzt ein Tesla Model 3 ordert, muss mit etwa sechs bis acht Monaten Lieferzeit rechnen – und kommt damit sogar noch vergleichsweise glimpflich davon. Beim VW ID.3 kann es ein Jahr dauern, beim Audi Q4 e-tron ebenso. Wer auf einen Skoda Enyaq spekuliert, wartet aktuell noch länger.
Elektroauto: Diese Förderung gibt es
Angefacht wurde das Interesse nicht nur durch eine starke Verbreiterung des Modellangebots, sondern auch durch eine hohe staatliche Förderung. Diese wiederum hat besonders bei der Berechnung von Leasingraten zu attraktiven Offerten geführt, mitunter sind Fahrzeuge mit einem Listenpreis über 40.000 Euro für weniger als 200 Euro im Monat zu bekommen, allerdings dann nur zu kurzen Laufzeiten.
Der Trick dabei: Die bis zu 9000 Euro, die sich aus Umweltbonus und Innovationsprämie zusammensetzen, werden als Leasinganzahlung verrechnet, sodass die laufenden Raten anschließend niedrig bleiben können. Bei Plug-in-Hybriden, also Autos, die noch einen Verbrenner an Bord haben und elektrisch nur kürzere Strecken schaffen, sind es aktuell bis zu 6750 Euro, wovon 4500 vom Bund kommen.
Doch bei dieser Förderung gibt es ein Problem, das Autokäufer nicht übersehen dürfen: Gezahlt wird erst, wenn das Auto da und der Topf dann noch nicht leer ist. Die aktuelle Innovationsprämie läuft zudem nur noch bis Ende 2022, danach wird der Zuschuss geringer. Auch wurden die Ansprüche an Plug-in-Hybride verschärft, sie werden nur noch gefördert, wenn sie höchstens 50 Gramm CO₂ pro Kilometer emittieren oder eine rein elektrische Mindestreichweite von 60 Kilometern haben. Für Anträge, die bis Ende 2021 gestellt wurden, galt noch eine rein elektrische Mindestreichweite von 40 Kilometern. Inzwischen scheint die Zahl kurzlaufender Leasingangebote etwas gesunken zu sein, vermutlich aufgrund der langen Lieferzeiten.
Elektroauto: Wie kann man sie günstig aufladen?
Zeitnah günstig an ein passendes Elektroauto zu kommen, ist das eine. Eine zuverlässige Möglichkeit zu haben, den Wagen zu niedrigen Kosten aufladen zu können, eine ganz andere. Auf dem Land oder am Stadtrand ist es für Eigenheimbesitzer meistens kein großes Problem, eine eigene Wallbox – so nennt sich die Starkstrom-Ladestation – in die Garage oder ans Carport zu setzen. Der Bund förderte die Installation bis vor Kurzem über die KfW mit 900 Euro, doch dieses Kontingent ist zurzeit ausgeschöpft. Bei Gesamtkosten zwischen 500 bis 1800 Euro bleibt das Investment dennoch überschaubar.
Doch was machen all jene, die ihr Auto in einer Tiefgarage parken? Mieter und Eigentümer in Mehrfamilienhäusern haben zwar seit einiger Zeit einen gesetzlichen Anspruch darauf, dieses Vorhaben in die Tat umsetzen und eine E-Auto-Ladestation installieren zu dürfen. In der Praxis ist das jedoch keineswegs trivial, denn wenn es mehr als ein paar vereinzelte Anschlüsse sind, kommt schnell das gesamte Strommanagement im Gebäude an seine Grenzen. Daran sollten Eigentümer denken, wenn sie entsprechenden Anträgen stattgeben. Und Mieter, wenn sie plötzlich am Veto der Hauseigentümergemeinschaft scheitern, falls diese ein komplexes Stromsystem bevorzugt.
Der ADAC hat im Jahr 2019 bei 310 Hausverwaltungen in elf Großstädten nachgefragt, wie sie es mit Ladestationen halten. Damals verfügten rund 80 Prozent der befragten Unternehmen in keinem einzigen Gebäude über eine Lademöglichkeit für Elektroautos. Allerdings hat sich seitdem einiges getan, so auch bei der Stromnetz Hamburg GmbH.
Dort rechnen die Verantwortlichen laut ADAC mit 100.000 Elektroautos im Stadtgebiet bis zum Jahr 2030 – und einer zusätzlichen Stromnachfrage von 500 Gigawatt jährlich. Bastian Pfarrherr, Innovationsmanager des Unternehmens, sagte dem Automobil-Club dazu: „Wenn wir nichts tun, dann hält unser Stromnetz diese Veränderung nicht aus.“ Deshalb rüstet Stromnetz Hamburg nun mehr als 1000 der insgesamt 6000 Transformatoren im Stadtgebiet um. Das Ziel: Mittelspannungsstrom soll in Niedrigspannung umgewandelt und dann an die Endverbraucher weitergeleitet werden, um den steigenden Bedarf zu decken.
Elektrifizierung in Tiefgaragen: So funktioniert es
Viel zu tun hat im Moment auch Kristian Hentzschel, Leiter Energie und Qualität bei der Hamburgischen Investitions- und Förderbank. Er ist dort zuständig für das Förderprogramm ELBE – das steht für Electrify Buildings for Electric Vehicles. Damit soll der Ausbau der Ladeinfrastruktur vorangetrieben werden. Förderberechtigte sind Juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts sowie Personengesellschaften in Hamburg, also neben Unternehmen auch Grundeigentümer, Eigentümergemeinschaften, Baugenossenschaften, Vereine, Kirchen, Stiftungen, Schulen, Hochschulen und einige mehr.
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Dass Wohnungseigentümer gemeinschaftlich mit dem ELBE-Programm die Elektrifizierung ihrer Tiefgaragen zu 60 Prozent kofinanzieren können, war vielen von ihnen allerdings lange nicht klar. Erst jetzt, kurz vor dem Auslaufen des Programms, stapeln sich die Anträge. „Bis zum 30. Juni 2022 muss die Installation erfolgt und der Verwendungsnachweis erbracht sein. Durch die Bearbeitungszeit und die Installation nach Bewilligung, sollte der Antrag daher besser bis Ende April bei uns eingegangen sein. Durch Lieferengpässe und Handwerkerverfügbarkeiten kann aber auch dieser Termin schon knapp sein“, sagt Hentzschel.
Rechtzeitig losgelegt hatte eine WEG in Bahrenfeld, die nun über 17 Wallboxen und eine Infrastruktur für die übrigen der insgesamt 35 Stellplätze verfügt. Einer der Antreiber in dieser Wohneigentümergemeinschaft (WEG) war Max Kuhn, der dem Abendblatt über seine Erfahrungen berichtet: „Nach Abzug der Förderung betrugen die Kosten je Wallbox 1400 Euro inklusive der Grundinstallation, ohne Förderung wären es pro Platz etwa 3300 Euro gewesen. Die Stellplatzinhaber ohne Wallbox haben sich bereits mit rund 300 Euro an den Kosten beteiligt. Die Gesamtkosten vor Förderung lagen bei knapp 70.000 Euro.“
„Tanken“ in der Tiefgarage günstiger als an öffentlicher Ladestation
Das größte Problem bei dem Einbau der Ladeboxen war allerdings zunächst nicht, im Haus Gleichgesinnte zu finden und diese zu überzeugen. Vielmehr trauten sich zunächst weder die Hausverwaltung noch mehrere angefragte Firmen zu, ein den Förderkriterien entsprechendes Projekt umzusetzen. „Am Ende hat es aber doch geklappt, drei Angebote haben wir geprüft. Wir haben uns dann für ein Stromschienensystem entschieden, an das sich recht unkompliziert all jene später noch anhängen können, die jetzt noch keine Wallbox brauchen, weil sie zunächst weiter einen Verbrenner fahren“, sagt Kuhn. Die Anlage ist also so ausgelegt worden, dass nach oben skaliert werden kann und ein späterer Ausbau aller Stellplätze nicht zu neuen Problemen führt. „Es ist auch ein Lastenmanagement enthalten, damit wir mit der verfügbaren Strommenge hinkommen.“
Jörg Hümmer, Geschäftsführer der Hümmer Elektrotechnik GmbH, die das Projekt umgesetzt hat, ergänzt: „Eigentlich ist ELBE kein Förderprojekt, sondern ein gefördertes Forschungsprojekt. Es geht darum, einmal darzustellen, wie man mit einer gewissen Anzahl von Ladepunkten das Stromnetz regulieren kann.“ Denn mittelfristig soll es auch möglich sein, aus geladenen Autos einen Teil des Stroms wieder ins Netz zurückfließen zu lassen, wenn dort ein Bedarf ist. Außerdem kann über eine Software gesteuert werden, wie stark der Ladestrom zu welcher Zeit und bei bestimmten Akkuständen an die jeweiligen Autos fließt. Hümmers Firma hat nicht nur die Installation erledigt, sondern fungiert für die Anlage nun auch als Stromdurchreicher, der die Rechnung an die einzelnen Abnehmer stellt. Das ist eine der Nebenbedingungen, die eine solche Anlage erfordert.
Max Kuhn und seine Nachbarn zahlen momentan deutlich weniger als 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Damit ist das elektrische „Tanken“ in der Tiefgarage weitaus interessanter als das Laden an einer der öffentlichen Ladestationen in Hamburg. Vom 1. Mai an kostet dort eine Kilowattstunde Ladestrom nicht mehr 29,50 Cent, sondern 49,90 Cent – ein Preisaufschlag von fast 70 Prozent. „Nachdem wir unseren Elektromobilitätstarif über zwei Jahre stabil halten konnten, mussten wir jetzt nachjustieren und haben – wie viele andere Anbieter vor uns – die gestiegenen Kosten in unserer neuen Preisgestaltung berücksichtigt“, sagte dazu kürzlich Michael Prinz, Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke, dem Abendblatt.
Elektroauto: Wer an eigener Wallbox Strom lädt, fährt billiger
Noch teurer kann es werden, wenn man eine Schnellladesäule nutzen will, die an Autobahnen oder in deren Nähe zu finden sind. Ionity zum Beispiel verlangt von Direktkunden 79 Cent pro kWh, im Roaming kann es mehr als 1 Euro kosten. Allerdings, so Max Kuhn, gilt auch: „Wenn man ein Abo abschließt und pro Jahr 10.000 Kilometer mit einem aktuell typischen Verbrauch von 25 kWh pro 100 Kilometer fährt, landet man im Schnitt bei etwa 44 Cent pro kWh. Aktuell wird kein Elektroautofahrer, selbst unter ungünstigen Bedingungen, im Mittel mehr als 50 Cent pro kWh bezahlen, egal ob man zu Hause oder unterwegs lädt. Denn sobald man viel unterwegs ist, kann man für 5 bis 18 Euro im Monat einen vergünstigten Ladetarif abschließen und dann in ganz Deutschland zu speziellen Preisen von zum Beispiel 35 Cent bei Ionity oder 36 bis 49 Cent bei EnBW laden. Am anderen Ende des Spektrums fahren Menschen mit eigenen Photovoltaikanlagen schon für deutlich unter 15 Cent pro kWh.“
Selbst vereinzelt hohe Ladepreise machen ein E-Auto im Vergleich zum Verbrenner also nicht per se unwirtschaftlich, vor allem nicht bei den derzeitigen Spritpreisen. Einen durchschnittlichen Verbrauch im Stadtverkehr von 20 kWh pro 100 Kilometer vorausgesetzt, würden dafür je nach Quelle (ohne Eigenerzeugung) Stromkosten zwischen 5 und 20 Euro entstehen. Ein ähnlich dimensionierter Diesel oder Benziner dürfte je nach Modell und Motor für dieselbe Strecke etwa 5 bis 10 Liter Kraftstoff zu Literpreisen um oder über 2 Euro verbrauchen, sodass die Kosten hier bei 10 bis über 20 Euro lägen.
Auch wenn er nicht wegen des Geldes, sondern allein schon aus umweltethischer Überzeugung bald umsteigt: Für Max Kuhn ist die eigene Kosten-Nutzen-Rechnung eindeutig: Sein benzinbetriebener VW Sharan (12 Liter/100 km) kostet ihn im Fahrbetrieb im Moment etwa viermal mehr, als er für ein
E-Auto an der hauseigenen Ladesäule mit Sonder-Öko-Tarif aufwenden müsste. Bis sein neues Auto geliefert wird, kann es aber noch etwas dauern. Was auch am Krieg in der Ukraine liegt.