Landkreis Harburg. Schulleiter verfassen gemeinsame Erklärung. Auch Bürgermeister üben scharfe Kritik an Konzept für Neustrukturierung

Der Ärger um die Schulentwicklungsplanung im Landkreis Harburg spitzt sich weiter zu. Nicht nur Eltern und Schülerschaft lehnen das in der Politik erarbeitete Konzept für die Neustrukturierung der Schullandschaft ab, jetzt melden sich auch sämtliche Schulleitungen der Oberschulen zu Wort. In einer gemeinsamen Erklärung an alle Kreistagsabgeordneten im Landkreis Harburg äußern sie massive Kritik an den Planungen und sehen Schulstandorte in der Chancengleichheit der Weiterentwicklung beschnitten und in ihrer Existenz bedroht.

„Wir mahnen deutlich, dass uns im Landkreis Harburg die politisch beabsichtige Entwicklung nicht nach vorne bringen wird, sondern Probleme nur verlagert und bisher gesunde Standorte gefährdet“, heißt es in der Erklärung der Schulleitungen. „Eine politische Vision, wie zum Beispiel eine landkreisweite Pilotregion, die konkurrierende Schulformen vermeidet, fehlt uns völlig.“

An der IGS Buchholz werden jedes Jahr dutzende Bewerber abgelehnt

Wie berichtet, soll die Schullandschaft im Landkreis Harburg neu strukturiert, den Bedarfen angepasst und damit zukunftsfähig gemacht werden. Die neue Struktur soll für kürzere Transportwege sorgen, sie soll dazu beitragen, die Aufgabe der Inklusion gerechter zu verteilen und einen Beitrag zur Entlastung der bestehenden Integrierten Gesamtschulen in Buchholz, Winsen und Seevetal leisten. Vor allem an der IGS Buchholz werden jedes Jahr dutzende Bewerber abgelehnt.

Um die Situation zu entspannen, erarbeitet die Arbeitsgruppe Schulentwicklungsplanung (SEP) im Auftrag der Politik seit März 2020 ein Konzept, das jetzt dem Kreistag zur Entscheidung vorliegt. Wie berichtet, sieht dieses vor, drei der elf Oberschulen zu einer IGS umzuwandeln. Das betrifft die Standorte Hanstedt, Hollenstedt und Marschacht, an denen auch die Eltern befragt werden sollen. Für die Samtgemeinde Jesteburg soll eine Elternbefragung zur Errichtung eines Gymnasiums durchgeführt werden. Für alle anderen Oberschulen sehen die Pläne keine Veränderungen vor. Sehr zum Ärger der Betroffenen.

Die Leiter der Oberschulen befürchten, dass die Pläne der Politik in der Praxis nicht funktionieren werden. „Der bunte Strauß an Schulformen bleibt bestehen und wird zu weiteren Wanderbewegungen führen“, kritisieren die Schulleitungen in ihrem Schreiben an die Politik. „So spart man keine Transportkosten.“ Darüber hinaus werde durch die singuläre Neugründung von IGSen Inklusion mehr als bis jetzt Aufgabe der dann noch bestehenden Oberschulen. Das sei nicht gerecht. Kritisch sehen die Schulleitungen zudem, dass nur die Eltern befragt werden sollen, für die die Arbeitsgruppe eine Änderung der Schulform vorschlägt. „So erhält man doch kein Gesamtbild der Elternbedürfnisse im Landkreis“, sagen sie.

Kritik auch von den Bürgermeistern betroffener Gemeinden

Kritik kommt auch von den Bürgermeistern betroffener Gemeinden. „Ich vermisse eine grundsätzliche Befragung aller Eltern“, sagt Dirk Seidler, Bürgermeister der Gemeinde Rosengarten. Nur so könne ein umfassendes Meinungsbild vom Elternwillen in Erfahrung gebracht werden. „Sämtliche Eltern der Oberschulen sind zu befragen“, so Seidler, der zudem auf fehlerhafte Angaben im Factsheet der Arbeitsgruppe verweist. Diese habe errechnet, dass der Schulstandort Hollenstedt räumlich näher an Buchholz liege als der Standort der Oberschule Rosengarten. Es sei damit suggeriert worden, dass Hollenstedt von Buchholz aus leichter und kürzer zu erreichen sei, so Seidler, dessen eigene Berechnungen genau das widerlegen. „Ich vermisse in der Untersuchung belastbare Darstellungen zu den Schülerbeförderung- und Investitionskosten für die jeweiligen Lösungen“, sagt der Bürgermeister. „Die Ergebnisse sollten ganzheitlich, also auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit abgebildet werden.“

Tobias Handtke, Bürgermeister der Gemeinde Neu Wulmstorf, ist ebenfalls von dem Konzept enttäuscht. „Lassen wir die Eltern zu Wort kommen“, fordert er. „Eine Elternbefragung in Hollenstedt durchzuführen und keine in Neu Wulmstorf ist nicht zu vermitteln.“ Auch er befürchtet, dass es zu großen Wanderbewegungen von Neu Wulmstorf nach Hollenstedt kommen werde, sollte nur dort die Oberschule zur IGS werden. „Damit werden weitere hohe Kosten für die Schülerbeförderung entstehen.“

Claudia von Ascheraden, Bürgermeisterin der Samtgemeinde Jesteburg, kann das Ergebnis der Arbeitsgruppe nicht nachvollziehen. „Es berücksichtigt in keiner Weise den Elternwillen und die Gegebenheiten vor Ort“, sagt sie. „In Buchholz platzen die Oberstufen aus allen Nähten. Den Vorschlag, in der Samtgemeinde Jesteburg keine Oberstufe einzurichten, finde ich daher nicht nachvollziehbar.“

Trotz der breiten Kritik wird der Landkreis am vielschichtigen Schulsystem festhalten, da dies vom Niedersächsischen Schulgesetz so vorgesehen sei, kündigt Fachbereitsleiterin Annerose Tiedt an. „Bei der Entwicklung des Konzeptes der Arbeitsgruppe war immer klar, dass nicht alle Wünsche und Vorstellungen zu einzelnen Standorten im Sinne einer Gesamtlösung umsetzbar sein würden“, so Tiedt. „Wichtig ist es der Gruppe gewesen, mit dem Konzept den Schulstandort Buchholz zu entlasten – das soll durch eine neue IGS in Hanstedt und in Hollenstedt erreicht werden.“ Eine Befragung aller Eltern, unabhängig von aktuell realisierbaren Vorhaben, lehnt Tiedt ab: „Sie würde Erwartungen und Hoffnungen wecken, die kaum erfüllt werden könnten.“