Hittfeld. Wie können Firmen Mitarbeiter für sich und die Region gewinnen? Darüber diskutierten Chefs und Azubis beim Neujahrsempfang.
Wie sexy ist Seevetal? Um diese Frage drehte sich der Neujahrsempfang der Gemeinde am Montagabend in Hittfeld. Etwa 300 geladene Gäste waren auf Einladung der Gemeinde Seevetal und der örtlichen Gewerbevereine in die Burg gekommen, um sich auf das neue Jahr einstimmen zu lassen. Auf dem Podium sprachen Unternehmer aus der Region darüber, was sie sich einfallen lassen, um die dringend benötigten Mitarbeiter für ihre Firmen und die Region zu gewinnen.
„Wirtschaftsförderung steht ganz oben auf unserer Agenda“, betonte Bürgermeisterin Martina Oertzen zum Auftakt der Veranstaltung. Zwar seien die Gewerbesteuereinnahmen selten so hoch gewesen. Doch diese Erträge müssten angesichts von Herausforderungen wie Digitalisierung und Ausbau der Infrastruktur auch krisenfest aufgestellt werden.
Auszubildender schätzt familiäres Betriebsklima
Dass ein Arbeitsplatz in Seevetal – vor allem für junge Fachkräfte – nicht automatisch attraktiv ist, das erlaubte sich Moderatorin Antje Diller-Wolff gleich zu Beginn in die Runde zu werfen. Anschaulich macht dies Leon Krumm, Auszubildender beim Autohaus Kuhn und Witte, das in Kürze sein neues Audi-Zentrum in Fleestedt offiziell eröffnet. „Die Gemeinde muss sexy werden, attraktiv für junge Leute. Wir genießen zwar auch die Ruhe hier, aber genauso wollen wir Busse nutzen, die auch abends fahren, in eine Bar oder ins Kino gehen.“ Ihn habe sein Arbeitgeber früh angesprochen, ihm Perspektiven aufgezeigt und auch die Vereinbarkeit der Arbeit mit einer Familie betont.
Das Familiäre im Betrieb habe ihn schließlich überzeugt, nicht zu einem größeren Autohaus nach Hamburg zu gehen. „Der Chef kennt unsere Namen, die persönliche Ansprache ist wichtig.“ Sven Füßler, E-Commerce-Azubi beim Gartencenter Matthies, dessen neuer Standort in Emmelndorf ebenfalls kurz vor der Eröffnung steht, betonte die Bedeutung von Social Media für die Selbstdarstellung von Firmen. Diese müssten sich fragen, wie sie sich in der Zukunft sehen und dies nach außen tragen.
Bäckerei bietet ungewöhnliche Arbeitszeiten an
Bei der Bäckerei Bahde können die Mitarbeiter aus verschiedenen Arbeitszeiten wählen. Die Hauptarbeit wird – anders als in den meisten Bäckereien, in denen es frühmorgens losgeht – zwischen zwölf Uhr mittags und ein Uhr nachts erledigt. „Wir betreiben ein reines Liefergeschäft, unsere Waren gehen an Bioläden und Reformhäuser“, sagt Chefin Tanja Asche. „Deshalb können wir diese Arbeitszeiten anbieten.“ Da nachts kein Bus mehr aus dem Beckedorfer Gewerbegebiet fährt, sei auch die Arbeit am Vormittag möglich.
Mit einem gelockerten Dresscode geht die Sparkasse Harburg-Buxtehude neue Wege, seit vergangenem Jahr müssen die dort beschäftigten Männer nicht mehr täglich Krawatte tragen. „So wollen wir für Mitarbeiter attraktiver werden und den Kunden auf Augenhöhe begegnen“, sagte Thorsten Iborg, Direktor für Firmenkunden und Private Banking. Außerdem hat die Sparkasse eine sogenannte Fitness-Werkstatt eingerichtet, in der Mitarbeiter neue technische Geräte ausprobieren können.
Bio-Hof gibt Wissen an internationale Studenten weiter
Nach der Umstellung vom kleinen Hofladen zum großen Biomarkt hat Overmeyer in Emmelndorf mittlerweile etwa 50 Mitarbeiter. „Damit habe ich alle Hände voll zu tun, das hatte ich unterschätzt“, sagte Chefin Kerstin Overmeyer. Heute kommen Agrarstudenten aus vielen Ländern zu ihnen, um zu lernen, wie Bio-Anbau nach Demeterstandard funktioniert. Trotz der Größe sei das Familiäre immer noch sehr wichtig. „Wir sind ein Laden für alle, viele Kunden sagen: Wir gehen zu Kerstin und Uli.“
Wer zu Edeka Meyer in Hittfeld oder Nenndorf geht, wird dort künftig häufiger junge Gesichter zu sehen bekommen. Herbert Meyer hat seine Kinder Jonas und Marie mit in die Firma geholt und damit die Unternehmensnachfolge eingeleitet. Als Chef sei er oft „Zirkusdirektor“, sagte Meyer. „Der Kunde will unterhalten werden, wir bieten Erlebniseinkaufen an.“ So schaffe der Markt Distanz zu den Discountern.
Verein lässt junge Mitglieder ihr Ding machen
Die Jungen mit ins Boot holen – das funktioniert auch beim Verein Wassermühle Karoxbostel ganz gut. „Es ist wichtig, dass jeder gesehen wird, in dem was er tut“, sagte die Vorsitzende Emily Weede. „Mir ist gar nicht bange, dass das Engagement nachlässt. Jeder bringt sich so ein, wie er kann. Die Jugend macht es aber natürlich anders. Man muss den Mut haben, sie laufen zu lassen.“
Der Respekt sowohl vor Älteren als auch Jüngeren müsse erhalten bleiben, sagte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann zum Abschluss der Runde. Zwar werde die weltwirtschaftliche Entwicklung nicht spurlos an Seevetal vorbeigehen. Da Niedersachsen mit einem starken Mittelstand jedoch gut aufgestellt sei, sei Optimismus dennoch der richtige Weg, meinte der CDU-Politiker und zitierte den Physiker Georg Christoph Lichtenberg, der im 18. Jahrhundert gesagt habe: „Was nützt der schönste Sonnenschein, wenn man nicht aufsteht?“