Seevetal. Beim Bau des Kultur- und Mitmachgartens setzt der Verein Wassermühle Karoxbostel wesentlich darauf, dass der Wald erhalten bleibt.
Mit 16 war sie das erste Mal in der Mühle dabei. Das war 2012. Und die Wassermühle Karoxbostel ein heruntergekommenes Gebäude, das vollgestopft war mit altem Heu und Mist. Mit Handschuhen und Forke machte sich die Hittfelderin gemeinsam mit anderen Enthusiasten daran, den hüfthohen Dreck aus dem Wirtschaftsteil des historischen Hofes zu schaufeln. Das war der Anfang. Seitdem verbringt die junge Frau fast jedes Wochenende auf dem Gelände des historischen Mühlenensembles, das inzwischen zu den ausgezeichneten Kulturdenkmälern Deutschlands gehört. Sie kennt das Gebäude und den umliegenden Wald wie kaum eine zweite. Auch deshalb war sie von Anfang an dabei, als der Mühlenverein die Idee vom Kultur- und Mitmachgarten entwickelte.
Nach Jahren der Planung beginnen jetzt die Bauarbeiten. Und Sophie Dohrmann ist eine der Hauptverantwortlichen. Die junge Frau, die, inspiriert durch das Engagement in der Mühle, inzwischen Forstwirtschaft und Waldökologie studiert, wird dafür sorgen, dass der Mühlenwald mit seiner ökologischen Vielfalt erhalten bleibt und gleichzeitig den vielen Besuchern, Schülern und Kitakindern näher gebracht werden kann ohne zerstört zu werden.
Lebens- und Sinnesraum zugleich
„Der Wald soll für unsere Gäste ein ganz besonderes Erlebnis werden“, sagt die 23-Jährige. „Gleichzeitig aber wollen wir dafür sorgen, dass dieses Ökosystem erhalten bleibt, obwohl wir es öffnen. Also müssen wir genau hinschauen, wie wir die Wege legen, wo wir Orte zum Entdecken und spielen schaffen und wo wir Bereiche abgrenzen, um den Tieren Raum zu geben.“ Der Wald soll zum einen Spiel-, Erfahrungs-, Sinnes- und Lernraum werden. Zum anderen Platz für Eichhörnchen, Fuchs, Schmetterling und die vielen Vögel bieten, die hier bislang ungestört brüten konnten. Im Mühlenwald sollen die Besucher anschaulich erfahren, wie vielfältig der Wald ist, was er tagtäglich leistet und wie wertvoll dieser einzigartige Naturraum ist. Umgefallene Baumstämme sollen das Waldbild prägen, Totholzhecken das Gelände vom restlichen Mühlengarten trennen. „Wir werden nichts häckseln, sondern zeigen, dass alles in diesem Ökosystem seine Berechtigung und seinen Sinn hat“, sagt Sophie Dohrmann. „Und dass jeder Eingriff des Menschen Folgen hat.“ Die Botschaft, die die Waldökologin den Besuchern mit auf den Weg geben möchte ist: „Unaufgeräumte Flächen sind wichtig. Lasst der Natur Raum, sich zu entfalten. Auch in euren Gärten.“
Gartenprojekt kostet insgesamt 280.000 Euro
Der Mühlenwald mit seiner Vielzahl an Vögeln, Käfern, Amphibien und Fledermäusen, in dem zeitweise sogar ein Uhu zuhause gewesen ist, ist aber nur ein Teil des großen Gesamtprojekts Kultur- und Mitmachgarten des Vereins Wassermühle Karoxbostel. Auf dem zwei Hektar großen Gelände gegenüber des historischen Mühlengebäudes soll für 280.000 Euro ein Garten entstehen, der die einstmals so vielfältige Kulturlandschaft der Winsener Elbmarsch abbildet. „Auf dem Gelände sollen die Besucher erleben, wie die Landschaft in unserer Heimatregion ursprünglich ausgesehen hat“, sagt die Vereinsvorsitzende Emily Weede, die mit ihrem Engagement rund um die historische Wassermühle Karoxbostel dazu beitragen möchte, die Identifikation der Menschen mit der Region zu stärken.
Gemüseanbau nach alter Sitte
Dies soll nicht nur durch das Kennenlernen der einstmals so vielfältigen Kulturlandschaft ermöglicht werden, sondern auch durch das Erleben der Natur sowie das Vermitteln alter Techniken in natürlicher Umgebung. In dem Nutzgarten, der nach der letzten Karoxbosteler Müllerin Dora benannt werden soll, sollen Kartoffeln, Radieschen, Kohlrabi, Kürbisse, Spinat, Bohnen, Schwarzwurzeln und Erbsen wachsen. In Schaubeeten und einem Obstgarten soll das alte Gartenland der Mühle wieder aufleben. Und die Besucher sollen die Möglichkeit bekommen, die eigene Ernte anschließend auf dem Hof zuzubereiten. Wenn möglich genau so wie früher - ohne Strom.
Außerschulischer Lernort gibt Raum für eigene Aktivitäten
„Als außerschulischer Lernort bieten wir Schulen und Kitas an, selbst aktiv zu werden“, sagt Emily Weede. So haben die IGS Seevetal, die Gesamtschule Seevetal und das Gymnasium Meckelfeld bereits Interesse angemeldet. Sie wollen mit ihren Schülern hier Gemüse anpflanzen. Auch die benachbarten Grundschulen wollen den Garten als Lernort nutzen. Doch bis diese starten können, müssen erstmal Grundstrukturen geschaffen sowie vorhandene Strukturen herausgearbeitet werden. „Die alten Hainbuchenhecken konnten wir bereits freilegen, ebenso die Obstbäume der ursprünglichen Streuobstwiese“, sagt Emily Weede. Bereits begonnen haben die Arbeiten für den 300 Quadratmeter großen Tümpel, der wie die feuchten Marschwiesen und Trockenmauern neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen schaffen soll. In den kommenden Monaten sollen die Grundstrukturen des Gartens geschaffen, 500 Meter Haupt- und 300 Meter Nebenwege angelegt werden.
Bürgermeisterin und Landrat sind begeistert
Bevor die Bauarbeiten richtig losgehen, durften Unterstützer von Bund und Gemeinde und Verwaltung schon mal das Gelände begutachten. „Dies ist ein Termin, zu dem ich gern gehe“, sagte Landrat Rainer Rempe. „Weil ich weiß, dass hier etwas vernünftiges entsteht, getragen von einem großartigen Verein und engagierten Menschen.“ Auch Seevetals Bürgermeisterin Martina Oertzen zeigte sich begeistert: „Die Erfolgsstory der Mühle setzt sich fort“, schwärmte sie. „Die Mühlenfreunde sind ein Segen für die Gemeinde.“