Lütjensee. In einer Serie stellt das Abendblatt die schönsten kleinen Fluchten vor. Teil 10: Ruderpartie und Einkehren am Lütjensee.

Tiefe Ruhe liegt über dem See. Das Licht spiegelt sich im Wasser, Insekten tanzen am Ufer in den Strahlen der tief stehenden Sonne. Eine Familie mit zwei kleinen Kindern hat sich auf dem Holzsteg niedergelassen. Die Jungen wetteifern darum, wer sich traut, seine Füße in das Wasser des Sees zu tauchen, die Eltern trinken einen Aperol Sprizz. „Ist der für euch?“, fragt ein Kellner, der mit zwei Holzplatten dampfenden Flammkuchens auf den Steg kommt. Es geht leger zu, gegessen wird mit den Händen. Als Dreingabe gibt es einen Ausblick der Extraklasse.

Hier ist man so richtig auf dem Lande, nur eine halbe Autostunde von der Hamburger Innenstadt entfernt. Lütjensee, Großensee, Mönchsteich – die sogenannte Drei-Seen-Platte der Stormarner Schweiz hat für Ausflügler viel zu bieten. Und insbesondere seit die alteingesessene Fischerklause Lütjensee am Ufer des Sees Ruderboote verleiht und mit dem „Bootshaus“ vor einigen Jahren eine Art Imbiss der gediegenen Art eröffnet hat, ist der beschauliche Platz zu einem Treffpunkt für Erholung suchende Großstädter geworden. Und für Einheimische, wie Gastronom Gerhard Retter erzählt. „Weil es in Lütjensee keine richtige Dorfkneipe gibt, ist dies mittlerweile ein richtiger Hotspot.“

Am Fenster des reetgedeckten Häuschens wird vor allem Selbst­gemachtes angeboten: das von Chefin Claudia Retter hergestellte Eis, die Flammkuchen in zwei Varianten (8 bis 9,80 Euro), Fischbrötchen mit Bismarckhering oder Lachs und Honig-Senf-Dillsoße (3,90 bis 4,50 Euro) sowie hausgemachte Fischfrikadellen. Die Grundbestandteile Letzterer kommen direkt aus dem See ein paar Meter weiter. Am Ufer hat sich an diesem sonnigen Frühsommertag eine ganze Reihe von Ausflüglern auf den Bierbänken niedergelassen. Vom Wasser weht ein laues Lüftchen herüber, der Kies knirscht jedes Mal unter den Füßen, wenn jemand aufsteht, um am Verkaufstresen des „Bootshauses“ Nachschub zu holen.

Unkomplizierte Einkehr am „Bootshaus“
direkt am See – bei schönem
Wetter ein beliebter Treffpunkt
Unkomplizierte Einkehr am „Bootshaus“ direkt am See – bei schönem Wetter ein beliebter Treffpunkt © Insa Gall

Beispielsweise um sich für eine Ruderpartie zu stärken. Vier Boote liegen vertaut am Steg. Wer hinaus aufs Wasser paddeln möchte, sagt kurz im Restaurant Bescheid. Und dann geht es los. Das Grün der Bäume und das Schilf am Ufer spiegeln sich auf dem glatten Wasser, das nur vom Schlag der Ruderblätter verwirbelt wird. Wer den Bootsverkehr auf der Alster gewöhnt ist, genießt hier die Ruhe, denn andere Paddler als die, die von der Fischerklause aus starten, sind nicht unterwegs.

Seit 1907 ist der Natursee im Besitz der Familie. Der Urgroßvater von Gerhard Retters Frau Claudia hat das 32 Hektar große Gewässer damals von der Stadt Wandsbek gekauft, er war ein passionierter Angler. Die Familie hat bis heute auch die Fischereirechte. Und leistet sich den Luxus, einen eigenen Fischer zu beschäftigen. Jürgen Hermann, in einem Magazin schon mal als „der tolle Hecht vom Lütjensee“ bezeichnet, kam aus Wismar und holt seit 1991 für die Familie aus dem See vor allem Aale, Hechte und Karpfen, die dann als delikate Köstlichkeit in dem im Gault&Millau ausgezeichneten Restaurant aufgetischt werden. Auf Vorbestellung sind die Fische auch außer Haus zu kaufen, ebenso wie das Wild, das von der Jagd der Familie in Mecklenburg stammt.

Das Ruderboot gleitet mit seinem grünen Rumpf durch das Wasser. Nach einigen Hundert Metern wird am östlichen Ufer ein Spazierweg sichtbar, der am Wasser entlangführt. Als gut die Hälfte des Sees durchrudert ist, kommt rechts auf einer Anhöhe das Restaurant Seehof in Sicht. Niemand braucht allerdings zu befürchten, sich beim Rudern zu sehr zu verausgaben, denn der Lütjensee ist insgesamt nur etwa ein Kilometer lang – mit einer schönen Badestelle an der Nordspitze.

Die sportliche Betätigung kann allerdings als Ausrede herhalten, um nach dem Ende der Ruderpartie noch einmal einzukehren. Dieses Mal vielleicht unter den hellen Sonnenschirmen auf der Terrasse des Restaurants. Seit Gerhard Retter, einst Serviceleiter und Sommelier in Eckart Witzigmanns „Aubergine“, in den Betrieb der Familie seiner Frau einstieg und das Lokal 2009/2010 modernisierte, hat er sich bemüht, die klassisch-gediegene norddeutsche Küche „mit etwas Pep“ zu versehen, wie er sagt. Das und seine Weinkarte ziehen Besucher von weit her an. So kann man ein kühles Glas Weißwein genießen, wenn sich langsam die Schatten über den See senken. Kein schlechter Ausklang für den Tag.

Am Donnerstag lesen Sie: Barfußpark bei Egestorf