Kollmar. In einer Serie stellt das Abendblatt die schönsten kleinen Fluchten vor. Teil 5: Abendstimmung genießen in Kollmar.

Es ist, als sei die Sonne am Himmel festgeklebt. Gefühlt jedenfalls hat man in dem kleinen Dörfchen Kollmar jenen Ort in Norddeutschland gefunden, an dem die Sonne die meiste Zeit braucht, um unterzugehen. Wer sich auf den Betonfußboden der Hafenmole setzt, seinen Blick an einem wolkenlosen Abend elbabwärts richtet, kann den Sonnenuntergang wunderbar lang genießen.

Keine 50 Kilometer sind es von Hamburgs Westen bis zu dem kleinen Hafenstädtchen. Erst die A23 bis zur Abfahrt Elmshorn, dann auf der Bundesstraße 432 in Richtung Glückstadt. Bei einem Kreisverkehr nimmt man die dritte Ausfahrt und dann führen die letzten zwei, drei Kilometer in Richtung Elbe auf einer Landstraße entlang.

Die Erholung, wenn man beispielsweise mit dem Motorrad unterwegs ist, fängt spätestens kurz hinter Elmshorn an. Auf der B 432 geht es – vor allem jetzt im Frühsommer – durch frische grüne Felder. Die riesigen Windräder gehören genauso zum Landschaftsbild wie Bauerngehöfte, die inmitten der Felder liegen.

Vor 639 Jahren wurde Kollmar erstmals in einer Urkunde erwähnt

Kollmar selbst ist eine Ansammlung von Einfamilienhäusern, fein aufgereiht an der Zufahrtsstraße zur Elbe. 1377 wurde der Ort erstmals urkundlich erwähnt. Über die Jahrhunderte wechselte der Landstrich gleich mehrfach die Besitzer. Den Bauern der Gegend ging es meist gut, was an den feinen, zumeist reetdachgedeckten Häusern zu erkennen ist. Fischer, Schiffer und Landarbeiter hingegen lebten hier in deutlich bescheideneren Verhältnissen.

Am Ende der Zufahrtsstraße zur Elbe durchquert der Reisende einen torähnlichen Durchlass durch den mächtigen Deich. Mächtig liegt auch die Elbe in der Nachmittagssonne. Der gemächlich dahinfließende Fluss ist hier deutlich breiter als sonst. Containerschiffe, die vorbeifahren, erinnern an mehrstöckige Wohnhäuser. Die gestapelten Container vermitteln dem Beobachter diesen Eindruck.

Das kleine Kollmar an der Elbe entwickelt
seinen speziellen Charme
Das kleine Kollmar an der Elbe entwickelt seinen speziellen Charme © picture alliance

Hinter der Deichdurchfahrt geht es links zu den Parkplätzen für Motorräder und Autos. Deren Zahl ist groß genug, um an einem normalen Tag pro­blemlos einen Platz zu bekommen. An Sommerwochenenden indes kann es schon mal eng werden. Abgeteilt und direkt am Ufer der Elbe liegt der Platz, auf dem mehrere Wohnmobile parken. Ihre Besitzer haben es sich auf Liegestühlen bequem gemacht und genießen den (unverbauten) Elbblick.

Der Blick auf den Sonnenuntergang wird durch nichts gestört

Nach rechts führt der Weg zur Mole. In dem überschaubaren Hafenbecken dümpeln zwei kleine Boote. Aus Seefahrersicht dürfte der Ort die besten Zeiten hinter sich haben. Aber das tut seinem charmanten Charakter keinen Abbruch. Eben noch die pulsierende Großstadt mit sich stauendem Rushhourverkehr – jetzt steht man auf der Mole und fühlt sich frei.

Der Blick in Richtung Sonnenuntergang wird durch nichts gestört. Rechter Hand der Mole zieht sich ein Strand in Richtung Norden, dessen Breite sich im Takt von Ebbe und Flut verändert.

Zwei unbewohnte, unter Naturschutz stehende Inseln – Pagensand elbaufwärts und Schwarztonnensand elbabwärts – haben sich in der Ausbuchtung breitgemacht. Im wahren Sinne des Wortes: Wurden sie doch mit ausgebaggertem Sand aufgeschüttet oder für die Ablagerung von Elbschlick genutzt.

Für das leibliche Wohl sorgen mehrere Imbisse

Pagensand ist die größere der beiden Inseln, fast sechs Kilometer lang und etwa einen Kilometer breit. Der Hamburger Uwe Timm hat die Insel in seinem Buch „Der Schatz auf Pagensand“ verewigt. Vier Jugendliche erleben auf der Suche nach einem vor 600 Jahren von Klaus Störtebeker vergrabenen Schatz hier ihre Abenteuer.

Für Essen und Trinken sorgen mehrere Imbissbuden: von der Bratwurst über Pommes frites bis hin zum Fischbrötchen – Kaffee, Bier oder Cola gibt es natürlich auch. Wer die etwas gehobenere Einkehr vorzieht, kann sich im Drei-Sterne-Hotel Kollmar einquartieren – den Blick von der oberen Deichkante auf die Elbe inklusive. Das nebenan gelegene Café Sünschien „glieks achtern Diek“ lockt mit Kuchen und Eis aus eigener Herstellung. Montag ist jedoch Ruhetag.

Die Einkehr ist allerdings kein Muss. Wer einfach nur den Sonnenuntergang genießen will, ist ebenso willkommen. Wer sich in der Dämmerung auf den Rückweg macht, trägt diesen wunderschönen Anblick in seinem Herzen.

Lesen Sie am Donnerstag: Mit der Barkasse nach Bergedorf und mit dem Fahrrad zurück.