Im Zuge der Bundeswehrreform werden 14 Standorte im Norden geschlossen. Allein in Niedersachsen 10.800 Beschäftigte betroffen.

Neubrandenburg/Berlin/Hamburg. Die Bundeswehrreform hat erhebliche Auswirkungen auf die Militärstandorte in Nordeutschland. Rund 25.000 Dienstposten werden in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gestrichen. 14 Bundeswehrstandorte werden geschlossen. Dies gab das Verteidigungsministerium am Mittwoch bekannt. Hamburg ist von den Standortschließungen nicht betroffen. Inwieweit die Führungsakademie der Bundeswehr, das Hamburger Bundeswehrkrankenhaus, das Landeskommando Hamburg und die Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr durch Personalabbau betroffen sein werden, war zunächst noch nicht klar.

Schleswig-Holstein büßt mit der Bundeswehrreform fast 11.000 von bisher 26.000 militärischen und zivilen Dienstposten ein. Dies gab das Verteidigungsministerium am Mittwoch bekannt. Acht Standorte werden komplett geschlossen. Darunter befinden sich Glücksburg mit dem Flottenkommando der Marine, Alt-Duvenstedt und Hohn mit dem Lufttransportgeschwader 63 sowie Lütjenburg mit seiner Heeresflugabwehrtruppe. Auch aus Bargum, Hürup, Ladelund, Lütjenburg und Seeth zieht die Bundeswehr ab. Die Abbaupläne für Boostedt bei Neumünster kommen faktisch einer Auflösung gleich. Dort sollen von 1980 Dienstposten nur 40 übrig bleiben. Stark betroffen ist auch Kiel mit einer Verringerung von 5290 auf 3590 Stellen. Für die künftige zentrale Marineführung ist Rostock vorgesehen.

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Glücksburgs Stadtrat John Witt kritisiert den vollständigen Abzug aus der Region. Witt sagte dem Abendblatt bereits vor Bekanntgabe der Standorte: "Für uns wäre die Schließung ein Super-GAU. Damit würden wir den größten Arbeitsgeber für die Stadt und das Umland verlieren." Witt könne die Entscheidung nicht nachvollziehen. Viel Geld sei in den Standort investiert worden. "Ein kompletter Abzug wäre daher völlig unsinnig", sagte er weiter.

Bargums Bürgermeister Bernd Wolf reagierte allerdings gelassen auf die Nachricht. "Wir sind nur noch ein ganz kleiner Dienstposten. Mit der Schließung sind wir am Ende der Fahnenstange jahrelanger Kürzungen angekommen", sagte er auf Anfrage des Abendblatts.

Im Ländervergleich ist Schleswig-Holstein vom Truppenabbau besonders stark betroffen. Die Zahl der Dienstposten pro 1000 Einwohner verringert sich von 9,2 auf 5,4. Damit verliert der Norden seinen Spitzenplatz in der Bundeswehrdichte an Mecklenburg-Vorpommern (6,4).

Niedersachsen verliert drei Standorte

In Niedersachsen werden drei der 46 Standorte geschlossen und 10.800 Dienststellen abgebaut. Geschlossen werden Schwanewede, Ehra-Lessien und Lorup mit insgesamt mehr als 1200 Dienstposten. In Niedersachsen gibt es derzeit noch insgesamt 51.600 Posten. In einer Vielzahl weiterer Standorte wird teils drastisch Personal abgebaut. Mit am stärksten betroffen sind Hannover, Lüneburg, Munster, Aurich, Delmenhorst oder Rotenburg (Wümme), wo gleich mehrere hundert Stellen wegfallen.

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Delmenhorsts Oberbürgermeister Patrick de La Lanne (SPD) hat den Verlust von fast 1200 Bundeswehr-Dienstposten in der kreisfreien Stadt bedauert. Gleichzeitig betonte er am Mittwoch in einer Stellungnahme zu den Reformplänen des Verteidigungsministeriums: „Delmenhorst wird weiterhin ein starker Standort sein. Es ist wichtig, dass dieser erhalten bleibt.“ Derzeit seien in der Feldwebel-Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst 2.400 Soldaten und 150 Zivilangestellte beschäftigt. Dass Delmenhorst als Standort erhalten bleibe, sei ein Ergebnis der guten Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bundeswehr, sagte de La Lanne. „Gegenüber Oldenburg und Hannover stehen wir gut da.“ Delmenhorst hat fast 75.000 Einwohner.

Der Bürgermeister von Rotenburg (Wümme), Detlef Eichinger, ist trotz des geplanten Abbaus von 500 Dienstposten durch die aktuelle Bundeswehrreform erleichtert. „Wir sind froh, dass der Standort erhalten bleibt“, sagte Eichinger am Mittwoch. Die Kreisstadt mit knapp 22.000 Einwohnern sei bereits seit 1956 Bundeswehrstandort und habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Einheiten. „Die Reduzierung ist schmerzhaft“, räumte der Bürgermeister ein. Aber nun müsse zunächst auf die Details gewartet werden. Weil nicht alle 2000 Dienstposten in Rotenburg besetzt seien, kenne man die genaue Zahl der Reduzierung noch nicht. Auch kenne er noch keinen Zeitplan, sagte Eichinger. Klar sei allerdings, dass die Reduzierung die Wirtschaft der Stadt belaste.

Lorups Bürgermeister Heinrich Kreutzjans bedauert die Schließung des Standortes. "Neben den 26 Arbeitsplätzen, die uns verloren gehen, bedauern wir es auch sehr, das nun die gute Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zu Ende geht", sagte Kreutzjans dem Abendblatt.

Die Bürgermeisterin der knapp 1600 Einwohner zählenden Gemeinde Ehra-Lessien, Jenny Reissig, sieht in der Standortschließung dagegen eine Chance. "Wir haben schon länger damit gerechnet, deshalb haut uns die Schließung jetzt auch nicht um. Vor Jahren haben wir bereits die Flächen für die gewerbliche Nutzung freigegeben", sagte sie dem Abendblatt. Die Stadt erwarte daher keine großen wirtschaftlichen Einbußen. Es sei vielleicht sogar eine Chance, sich als Gemeinde in eine neue Richtung zu entwickeln.

Schwanewede hingegen traf die Entscheidung hart. „Das ist ein sehr trauriger Tag für uns. Wir sind seit über 50 Jahren Bundeswehrstandort. Die Soldaten sind Bürger unserer Stadt“, sagte Bürgermeister Harald Stehnken (SPD).

Stehnken kritisierte vor allem die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums. Es sei ein „ungeheuerlicher Vorgang“, dass die Gemeinde nicht informiert worden sei, sondern von der Schließung über die Medien erfahre. „Wir lieben unsere Soldaten und wollen auch wissen, was mit ihnen passiert“, sagte er.

Rostock wird aufgewertet

Mecklenburg-Vorpommern verliert im Zuge der Bundeswehrreform mehr als 3000 Dienstposten, behält aber weiterhin eine hohe Militärdichte. Neben den Standortschließungen in Trollenhagen, Rechlin (Mecklenburgische Seenplatte) und Lübtheen (Kreis Ludwigslust/Parchim) wird es weitere drastische Stellenstreichungen in der Marineschule Parow sowie in Neubrandenburg geben. An beiden Standorten sollen jeweils etwa 600 Dienstposten wegfallen.

Ute Lindenau, Bürgermeisterin von Lübtheen, zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung: "Wir können nicht verstehen, was man an so einem kleinen Standort noch sparen kann", sagte Lindenau dem Abendblatt. Von einer Schließung seien vor allem die Menschen in den zivilen Dienstposten betroffen, die ihren Heimatort in der 4500 Einwohner zählenden Stadt Lübtheen hätten und jetzt umziehen müssten. Es werde der Stadt enorme Wirtschaftskraft entzogen. "Das ist ein schwerer Schlag", so die Bürgermeisterin.

Peter Enthaler, Bürgermeister von Trollenhagen, sieht allerdings noch keinen Grund zur Sorge. "Noch wissen wir ja nichts genaues. Der Flughafen Trollenhagen besteht aus zwei Teilen: einem militärischen und einem zivilen. Wir wissen noch gar nicht, in welchem Umfang eine Schließung den Flughafen betreffen wird", sagte er dem Abendblatt. Auch der zeitliche Rahmen sei noch überhaupt nicht klar. "Aber morgen gehen hier mit Sicherheit noch nicht die Lichter aus und auch nicht in den nächsten zehn Jahren", so Enthaler.

Eine deutliche Aufwertung erfährt Rostock mit der Ansiedlung des Marinekommandos. Damit wird von der Hansestadt aus künftig die Deutsche Marine geführt. In dem Kommando werden neben dem Marineamt, das bereits in Rostock arbeitet, der Führungsstab Marine, der in der Bonner Hardthöhe beheimatet ist, und das Flottenkommando aus Glücksburg (Schleswig-Holstein) aufgehen. Damit wird auch der Marine-Inspekteur in der Hansestadt arbeiten. Seit April 2010 ist Vizeadmiral Axel Schimpf Chef der deutschen Seestreitkräfte.

Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling (parteilos) hat die Verlagerung des Marinekommandos in die Hansestadt als eine gute Nachricht bezeichnet. Zwar werde Rostock voraussichtlich etwa 80 Dienstposten verlieren, positiv sei aber auch, dass der Stützpunkt Hohe Düne erhalten bleibt, sagte Methling am Mittwoch. Die Stadt habe dank ihrer maritimen Geschichte und den Traditionen, aber auch durch die vorhandene Infrastruktur alle Voraussetzungen, diese bedeutende Rolle auch ausfüllen zu können. „Für mich ist das auch ein Stück Gleichberechtigung und gelebte deutsche Einheit“, betonte Methling.

Mit den geplanten Änderungen käme Mecklenburg-Vorpommern verhältnismäßig glimpflich davon. Mit künftig 6,4 Dienstposten je 1000 Einwohner hätte das Land dann die bundesweit höchste Militärdichte. Bislang sind es 8,6, womit das Land Platz zwei hinter Schleswig-Holstein einnimmt, das deutlich mehr Stellen abbauen muss. Im Bundesdurchschnitt sind es derzeit 3,4 Dienstposten je 1000 Einwohner. An den 23 Standorten im Nordosten sind bislang 11.500 Soldaten stationiert und 2700 Zivilpersonen beschäftigt.

Im Zuge der Bundeswehrreform werden 31 der bundesweit knapp 400 Standorte geschlossen. 90 weitere sollen drastisch verkleinert werden. Die Standortentscheidung ist die letzte wichtige Weichenstellung der Reform nach dem Aussetzen der Wehrpflicht sowie der Festlegung der Truppenstärke und der Grobstrukturen. Die Bundeswehr soll von ursprünglich 250.000 auf 170.000 bis 185.000 Soldaten schrumpfen. Das Bundeskabinett billigte das Konzept von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zur Schließung zahlreicher Bundeswehr-Kasernen am Mittwochmorgen. (dpa/dapd/abendblatt.de)