Die Marine-Offiziersanwärter werden 2011 nicht auf der “Gorch Fock“ ausgebildet. Das neue Konzept für mehr Sicherheit steht noch nicht.
Flensburg/Rostock. Nach der "Gorch Fock"-Affäre um den Tod einer Kadettin, die im November 2010 aus der Takelage des Segelschulschiffes gestürzt war, werden die diesjährigen Marine-Offiziersanwärter nicht auf der "Gorch Fock“ ausgebildet. Fregattenkapitän Gunnar Wolff, Sprecher des Marineamtes, erklärte am Mittwoch in Rostock, dass das neue Ausbildungskonzept noch in Arbeit sei. "Sicherheit bleibt dabei das oberste Gebot.“ An diesem Freitag werden 189 Offiziersanwärter, darunter 33 Frauen, in der Marineschule Mürwik in Flensburg vereidigt.
Das seemänische Grundwissen sollen die Kadetten zum Teil an Land und auf Schiffen des Einsatz-Ausbildungsverbandes erlernen. Details stehen noch nicht fest. Auf das ursprünglich geplante Verlegen der "Gorch Fock“ im Herbst für zwei Monate von ihrem Heimathafen Kiel nach Flensburg zum besseren Üben verzichtet die Marine. Ab 2012 wird die Basisausbildung aber wieder auf der "Gorch Fock“ stattfinden. Bis dahin soll das neue Konzept vorliegen und ein Übungsmast zum sicheren Klettern an Land errichtet sein.
Eine Reihe konkreter Forderungen aus dem Bericht der "Pommerin-Kommission“ zur Verbesserung der seemännischen Ausbildung wird laut Wolff derzeit intensiv ausgewertet. Die Vorschläge würden auch abgeglichen mit den Folgerungen aus dem Bericht der Staatsanwaltschaft Kiel, des Beauftragten für Havarieuntersuchungen der Marine und den internen Untersuchungen des Marineamtes zu den Vorwürfen und Feststellungen des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP).
Die Prüfung und Umsetzung der zahlreichen Empfehlungen benötige Zeit: "Wir gehen zügig, aber sorgfältig vor, da wir einen echten Neuanfang starten und die Ausbildung auf eine solide Grundlage stellen wollen“, sagte Wolff. Neben dem Übungsmast soll an speziellen Sportgeräten besonders die fürs Aufentern notwendige Körpermotorik trainiert werden.
In der Übergangszeit würden natürlich nicht alle Ausbildungsziele, die auf der "Gorch Fock“ möglich seien, erreicht werden können, betonte Wolff. "Wir suchen Ausbildungselemente, die dem stark fordernden Charakter auf dem Segelschulschiff nahekommen.“
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Offiziersjahrgang auf den Dreimaster verzichten musste. Im Jahr 2000 lag das Schiff wegen aufwendiger Reparaturen in der Werft. In der Regel lernt aber jeder deutsche Marine-Offizier auf der "Gorch Fock“ das seemännische Handwerk.
Eine unabhängige Kommission unter Leitung des Historikers Prof. Reiner Pommerin hatte kürzlich konkrete Forderungen zur Verbesserung der Ausbildung erhoben, beispielsweise zur Sicherung an Bord und in der Takelage und zur Auswahl und Ausbildung der Stammbesatzung. Die Kommission sprach sich – wie auch alle Parteien außer der Linken im Verteidigungsausschuss des Bundestages – für die Fortführung der seemännischen Basisausbildung auf der "Gorch Fock“ aus. Kritiker hatten das Segelschulschiff als nicht mehr zeitgemäß bezeichnet für eine High-Tech-Marine.
Der Tod der 25-jährigen Kadettin hatte die Diskussionen ausgelöst. Dabei wurden auch Vorwürfe laut, auf dem Schiff habe es Schikanen und sexuelle Belästigungen gegeben. Marine-Inspekteur Axel Schimpf hatte dem Verteidigungsausschuss am 6. Juli den Abschlussbericht des Ministeriums vorgestellt. Auch darin wird der Fortbestand des Schiffes befürwortet. Das Ministerium kritisierte aber Ausbildungsmängel und Fehlverhalten der Schiffsführung.
Die "Gorch Fock“ liegt seit der Rückkehr von ihrer schlagzeilenträchtigen Südamerika-Reise im Mai in ihrem Heimathafen Kiel. Kommandant Norbert Schatz war Anfang des Jahres zunächst abgesetzt worden. Er wird nicht auf das Schiff zurückkehren. Wer neuer Kommandant wird, steht noch nicht fest. (abendblatt.de/dpa)