In NRW bahnt sich eine Atompanne an. 2285 radioaktive Brennelementekugeln sollen verschwunden sein. Lagern Sie in der Asse?

Düsseldorf/Salzgitter. In Nordrhein-Westfalen bahnt sich eine Atompanne an. Offenbar weiß die Düsseldorfer Landesregierung nicht, wo sich 2285 radioaktive Brennelementekugeln befinden. Die Brennelementekugeln stammen aus dem 1988 stillgelegten Forschungsreaktor in Jülich.

Vermutet wird, dass ein Teil dieser radioaktiven Brennelemente in der Asse eingelagert wurden. Wissenschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, Svenja Schulze (SPD), sagte in einer Antwort auf eine Kleine Frage der Grünen: "Allem Anschein nach“ befinden sie sich in dem früheren niedersächsischen Forschungsbergwerk. Dies berichtete auch das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel“. Sollte dies der Fall sein, gäbe es ein Verstoß gegen die Vorgaben des Forschungsbergwerks, denn in der Asse durften nur schwach und mittelradioaktive Abfälle gelagert werden – keine Brennelemente.

Allerdings reagierte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter, das für die Asse seit 2009 zuständig ist, überrascht über diese Annahme. Ein Sprecher sagte am Sonntag, dass aus den vorliegenden Unterlagen des alten Asse-Betreibers, dem Helmholtz Zentrum München, nicht hervor gehe, dass die jetzt vermissten Kugeln in dem Bergwerk bei Wolfenbüttel lagern. Daher sei es nicht nachvollziehbar, dass der Betreiber der Jülicher Anlage und die Landesaufsicht nicht Auskunft geben könnten, "wo die abgebrannten Kernbrennstoffe verblieben sind“. Das BfS hatte bereits im Oktober mitgeteilt, dass es in der Asse bislang keine Hinweise auf hochradioaktive Abfälle gebe. Dies gehe aus den laufenden Überprüfungen der Inventarlisten des Abfalls in der Asse hervor.

Unterdessen sprechen die Grünen von einem Skandal. Möglicherweise seien die Kugeln "illegal und falsch deklariert in der Asse entsorgt worden“ und dort jetzt ein wesentlicher Teil des milliardenschweren Problems in dem Endlager, sagte der Dürener Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Der grüne Landtagsabgeordnete Hans Christian Markert sagte dem "Spiegel“, Jülich sei "ein erschreckendes Beispiel, wie lax mit radioaktiven Stoffen hier umgegangen wurde“. Er hat ausgerechnet, dass in den verschwundenen Kugeln etwa 2,2 Kilogramm Uran 235 und 23 Kilogramm Thorium 232 stecken. Auf dem Gelände in Jülich lagern nach Angaben des Forschungszentrums in 152 Castoren 288 161 intakte Brennelementekugeln. Insgesamt seien 290.705 Kugeln zwischen 1967 und 1988 eingesetzt worden. Daneben sei Kugelbruch aus dem Reaktor einzementiert worden und werde als mittelradioaktiver Abfall zwischengelagert. Das sei der Landesregierung bekannt und werde von der europäischen Atomgemeinschaft Euratom regelmäßig kontrolliert.

Schulze hatte in ihrer am Freitag vom Landtag veröffentlichten Antwort ebenfalls mitgeteilt, dass "große Teile“ der Kugeln bei Forschungsexperimenten zerstört worden seien. Die ersten Experimente lägen aber mehr als 40 Jahre zurück, das erschwere die Recherche nach dem Verbleib der Kugeln.

Die in Jülich lagernden Castoren sollen nach den Plänen der Bundesregierung ins Zwischenlager Ahaus gebracht werden. Das will die rot-grüne Landesregierung verhindern. Die Jülicher Brennelemente dürften nur noch einmal transportiert werden und zwar in ein Endlager, hatte Schulze gesagt. Im alten Salzbergwerk Asse sind von 1967 und 1978 insgesamt 126.000 Fässer mit Atommüll eingelagert worden – angeblich um die Endlagerung zu erforschen. Das Endlager gilt als marode und von Wassereinbrüchen bedroht. Das BfS bereitet derzeit eine mögliche Rückholung des Atommülls vor.

"Der Vorgang ist absolut alarmierend“, sagte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) am Sonntag in Düsseldorf. Die Bundesregierung müsse schnellstens lückenlos aufklären. Die Brennelementekugeln seien kein Kinderspielzeug. „Hier geht es möglicherweise um hochradioaktiv belasteten Atommüll, der Umwelt und Bevölkerung schädigen kann“, sagte Remmel. Selbst wenn die Kugeln im Endlager Asse sein sollten, gehörten sie dort gar nicht hin. Die Asse sei kein Lager für hochradioaktive Brennelemente.

(abendblatt.de/dapd/dpa)