Beide laut Innenminister Klaus Schlie verfassungswidrig. 300 Beamte durchsuchen derzeit Wohnungen der Vereinsmitglieder.
Flensburg/Neumünster/Kiel. Sie kommen am frühen Morgen, ganz in schwarz und mit dem Gewehr im Anschlag. Mit aller Staatsmacht setzen 150 Polizisten – darunter ein Spezialkommando – das soeben von Innenminister Klaus Schlie (CDU) erlassene Verbot des Motorradclubs Hells Angels MC Charter Flensburg um. Große Kisten und Pappkartons werden am Donnerstag in das Vereinsheim gegenüber der Werft getragen, um später darin Akten und Beweismittel zu sichern. Dann wird das große, rot-weiße Vereinszeichen mit dem Schriftzug und den goldenen Flügeln vom Vereinsheim abmontiert.
Polizei darf Kutten beschlagnahmen
Das ist nicht nur ein symbolischer Akt. „Es ist ab sofort verboten, das Logo des Flensburger Vereins zu tragen“, betont Polizeisprecher Volker Boldt. Die Polizei dürfte also die den Rockern heiligen Kutten – schwarze Lederjacken mit Totenkopf und Flügelhelm bei den Flensburger Hells Angels, ebenso schwarze Jacken mit Emblem bei den Bandidos aus Neumünster – beschlagnahmen, wenn sie diese in der Öffentlichkeit zeigen.
Die 12 Mitglieder des Flensburger Clubs bekommen wie auch die 17 Mitglieder des mit den Hells Angels verfeindeten Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster das Vereinsverbot persönlich ausgesprochen. Auch am Bandidos-Vereinsheim in Neumünster wird das Emblem entfernt, dort sind ebenfalls 150 Beamte im Einsatz. Schlie: Keine harmlosen Clubs mit Wochenend-Ausflügen Sichtlich schlecht gelaunt traben einige Flensburger Rocker – in einem (nicht verbotenen) Hells-Angels-T-Shirt – nach Stunden an, geben sich aber kooperativ und schließen den Beamten eine Tür auf. „Es gab keinen Widerstand. Es gab staunendes, teilweise auch blankes Entsetzen“, sagt der Einsatzleiter Joachim Gutt.
Um 4.00 Uhr werden die Kräfte per Alarm für die Aktion zusammengetrommelt, von 7.00 Uhr an durchsuchen sie die beiden Vereinsheime der nun verbotenen Clubs und mehrere Wohnungen. Das Ziel: Beweise für die Beschlagnahme des Vereinsvermögens sichern. „Es handelt sich nicht um harmlose Motorradclubs, deren Mitglieder sich zu friedlichen Wochenendausflügen treffen. Beide Vereine verstoßen gegen die Strafgesetze und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung“, stellt Schlie klar.
Null-Toleranz-Strategie der Polizei
Ein halbes Jahr lang hatte das Innenministerium ein Verbot hin und her gewälzt, immer wieder wurde es gefordert. Vor sechs Wochen ging das Verfahren dann in die heiße Phase. Das Problem: Inwieweit lässt sich beweisen, dass Rocker eine Straftat im Namen des Vereins begangen haben? „Wir haben eine Menge Puzzlesteine zusammengetragen und zusammengesetzt“ sagte die zuständige Leiterin im Innenministerium, Manuela Söller-Winkler. Nun rechtfertigten illegaler Waffenhandel, Körperverletzung und versuchte Tötungsdelikte ein Verbot aus Sicht des Ministeriums. Doch ist damit auch der Rockerkrieg in Schleswig-Holstein vorbei? Monate lang hatte es zwischen Bandidos und Hells Angels blutige Auseinandersetzungen gegeben, einige Rocker wurden lebensgefährlich verletzt. „Mit dem Verbot sind nicht alle Probleme gelöst, aber es unterstreicht die Null-Toleranz-Strategie der Polizei“, betont Boldt. Das Verbot hat in Schlies Augen auch eine psychologische Wirkung: Die Rocker können sich nicht mehr als mächtige Organisationen in der Öffentlichkeit präsentieren. „Das tut diesen Leuten weh, weil der martialische Auftritt wesentlicher Inhalt ihres kranken Verständnisses von Stolz und Macht ist“, sagt der Minister.
Verbot trifft vor allem Bandidos
Das Verbot trifft vor allem die Bandidos, die in Neumünster ihren einzigen Ableger im Land hatten. Von den Hells Angels gibt es noch Gruppen in Alveslohe (Kreis Segeberg), Kiel und Lübeck, die nicht verboten sind. Die Flensburger Hells-Angels-Mitglieder könnten sich also gefahrlos beispielsweise dem Kieler Club anschließen oder in Flensburg einen Ableger des Kieler Clubs gründen. Allerdings: „Auch über den drei anderen Vereinen schwebt das Damoklesschwert des Verbots“, sagt Schlie. Noch reichten die Voraussetzungen aber nicht aus, hieß es. Dennoch wird die Arbeit für die Polizei einfacher: Sie kann sofort einschreiten, wenn jemand gegen das Verbot verstößt. Wer etwa die Kutte der Flensburger Hells Angels oder der Bandidos aus Neumünster trägt, muss laut Landeskriminalamt (LKA) mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder einer Geldstrafe rechnen. Die Ermittler sind aber weiter auf gewalttätige Auseinandersetzungen und Straftaten gefasst. LKA-Sprecher Stefan Jung: „Das wird die Rockerkriminalität nicht gänzlich auslöschen.“