Beide Vereine seien laut Innenminister Klaus Schlie verfassungswidrig. 300 Beamte durchsuchen derzeit Wohnungen der Vereinsmitglieder.

Kiel. Innenminister Klaus Schlie hat die Rockerclubs Hells Angels MC Charter Flensburg und Bandidos MC Probationary Chapter Neumünster verboten. "Beide Clubs verstoßen gegen die deutschen Gesetze und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung", sagte Schlie am Donnerstag. Seit 7 Uhr durchsuchten 300 Polizeibeamte, darunter das Spezialeinsatzkommando (SEK) aus Kiel, zehn Wohnungen von Mitgliedern und Clubheimen in Flensburg und Neumünster sowie in der näheren Umgebung beider Städte. Die Durchsuchungen dienen der Beschlagnahme und Einziehung des Vermögens der Clubs. Näheres wollen Innenministerium und Polizei am Nachmittag bekannt geben.

Die Verbotsverfügungen wurden heute Morgen 17 Mitgliedern der Bandidos und 12 Mitgliedern der Hells Angels von Polizeibeamten zugestellt. Danach sind beide Rockerclubs in Schleswig-Holstein mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Jede Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen ist ihnen untersagt. Die Symbole der Vereine dürfen nicht mehr in der Öffentlichkeit verwendet oder verbreitet werden. Das Vermögen der Vereine wird beschlagnahmt und eingezogen. Verstöße gegen das Vereinsverbot können mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet werden.

In Neumünster schleppten vermummte Polizisten am Vormittag kistenweise Beweismaterial und Computer aus der "Bandidos-Zentrale" an der Kummerfelder Straße. Auch das riesige "Firmenschild" montierten die Beamten ab, brachten es zu einem Lastwagen und transportierten es ab. Genauso geschah es in Flensburg. Auch hier schraubten die Beamten das Hells-Angels-Logo von der Hauswand, stellten kistenweise Beweismaterial und auch Computer sicher.

Nach Ansicht des Innenministeriums haben beide Vereine den tatsächlichen Zweck, in einem bestimmten Gebiet kriminelle Macht zu entfalten und die Gebiets- und Machtansprüche gegen den jeweils anderen Club mit Waffengewalt durchzusetzen. Gegen zahlreiche Mitglieder der Hells Angels und Bandidos laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, beispielsweise wegen gefährlicher Körperverletzung, Verstößen gegen das Waffengesetz oder Nötigung.

"Die Straftaten stellen sich sichtbar als Aktivitäten der Clubs dar", sagte Schlie. Sie seien durch einzelne Mitglieder ausgeübt worden. Die wiederholten gewalttätigen Auseinandersetzungen untereinander gingen auf das Konto der beiden Clubs und deren Unterstützer. Weitere gewalttätige Konflikte mit zunehmender Brutalität und Schärfe seien nicht auszuschließen. "Es handelt sich nicht um harmlose Motorradclubs, deren Mitglieder sich zu friedlichen Wochenendausflügen treffen", sagte Schlie. Der in seiner Freizeit Motorrad fahrende unbescholtene freiheitsliebende Familienvater sei eine Legende aus der Öffentlichkeitsarbeit dieser Clubs.

Das Innenministerium habe die Verbote hinter den Kulissen von langer Hand sorgfältig vorbereitet und rechtlich gut begründet. "Jetzt ist der Zeitpunkt zum Handeln gekommen", sagte Schlie. Er bleibe auch in Zukunft konsequent bei der Linie: Ein Verbot macht man oder man lässt es bleiben - in dem einen wie in dem anderen Fall redet man aber vorher nicht öffentlich darüber. Von den Hells Angels gibt es noch Gruppen in Alveslohe (Kreis Segeberg), Kiel und Lübeck, die bislang nicht verboten sind.

Die Fraktion der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag begrüßte das Verbot. Es sei allerdings „nur ein wichtiges Element in der Bekämpfung der Rockerkriminalität“, teilte der innenpolitische Sprecher Thorsten Fürter mit. „Die Anstrengungen zur Eindämmung der organisierten Kriminalität dürfen nicht nachlassen.“

Der Minister warnte aber vor überzogenen Erwartungen. "Wir können trotz der Vereinsverbote nicht ausschließen, dass es weiter gewalttätige Auseinandersetzungen im kriminellen Rockermilieu geben wird", sagte Schlie. Die Vereine seien verboten, die ehemaligen Vereinsmitglieder aber nach wie vor vorhanden. Die Polizei werde daher die Szene weiterhin sorgfältig beobachten. Mit dem Vereinsverbot im Rücken könne die Polizei künftig sofort einschreiten, wenn auch nur ansatzweise gegen das Verbot verstoßen werden sollte. "Die erfolgreiche Null-Toleranz-Strategie bleibt die Richtschnur polizeilichen Handelns", sagte Schlie.

Die Vereinsverbote haben nach Überzeugung von Schlie mehrere Wirkungen: Die rechtswidrigen Strukturen würden aufgelöst, der organisatorische Zusammenhalt gehe verloren und die finanzielle Grundlage sei weg. Man dürfe auch die psychologische Wirkung der Vereinsverbote nicht unterschätzen. Verbotene Rockerclubs könnten sich nicht mehr länger als mächtige Organisationen in der Öffentlichkeit präsentieren. "Das tut diesen Leuten weh, weil der martialische Auftritt wesentlicher Inhalt ihres kranken Verständnisses von Stolz und Macht ist", sagte der Minister.