Seit Freitag ist die Insel von der Außenwelt abgeschnitten, die Versorgung soll nun aus der Luft erfolgen. Bereits gebuchte Ferienwohnungen bleiben leer.

Vitte. So schnell bringt Egon Schlieker nichts aus der Ruhe. „Wir Hiddenseer sind es seit Generationen gewohnt, Vorratshaltung zu betreiben“, sagt der 76-jährige frühere Fischer. Heute trat Schlieker wie immer vor seine Haustür in Vitte: Der Hafen der Ostseeinsel ist tief verschneit, die Fahrrinne ist seit vier Tagen zugefroren. Die Fähre „Vitte“, einzige Verbindung zur Außenwelt, liegt seit Freitag mit einem Maschinenschaden im Hafen von Schaprode auf Rügen fest. Die Insel mit vier Dörfern, rund 1050 Hiddenseern und ihren Urlaubern ist seitdem abgeschnitten.

Schlieker ist Rentner und nimmt daher den erzwungenen Stillstand mit Gelassenheit. In keinem Ort in Deutschland gebe es mehr Gefriertruhen als auf Hiddensee, scherzt er. Allerdings müsse bald etwas passieren. Dass man hier seit Tagen keinen Eisbrecher sieht, findet er „erstaunlich“. Früher habe ein 300 PS starker Schlepper die Fahrrinne durch tägliche Fahrten freigehalten. „Wahrscheinlich ist es zu teuer, ein Schiff herzuschicken, das die Rinne freihält“, sagt er. „Wir sind die Dummen hier.“

Inzwischen ist der Eispanzer zwischen Hiddensee und Rügen bis zu 30 Zentimeter dick. Einige Touristen und Einheimische wagen sich über die gefrorenen Gewässer. Der sicherste Weg, weiß Schlieker, zwischen Hiddensee und Rügen ist fünfeinhalb Kilometer lang. Schlieker rät von solchen Alleingängen ab. „Die Touren bergen ein Risiko“, sagt er.

Im Edeka-Markt in Vitte gibt es inzwischen keine Kartoffeln, keine Eier, keine Butter und kein frisches Obst und Gemüse mehr. Die letzte Lieferung von frischen Lebensmitteln erreichte die Insel am vergangenen Mittwoch. Konserven seien noch vorhanden, hungern muss daher keiner auf der Insel, beruhigte Marktleiter Horst Sachse. Auch in der Hotelanlage „Godewind“ ist die Stimmung inzwischen angespannt. In Berlin haben die Winterferien begonnen.

„Eigentlich sollten seit Samstag zehn Ferienwohnungen belegt sein, Hotelzimmer waren gebucht“, sagt Inhaber Thomas Meinhof. Die Wohnungen blieben leer. „Die Verluste tragen wir.“ Der Höhepunkt der Wintersaison gestaltet sich in diesem Jahr als Flaute und dass, obwohl sich die Insel von ihrer schönsten Seite zeigt: Bis zu zwei Meter hohe Schneewehen türmen sich auf dem Eiland: Dünen, Strand und Reetdachhäuser sind alle weiß gepudert.

Inselärztin Ute Karweg berichtet inzwischen von Patienten, die sich wegen der Lage erste Sorgen machten. „Wir haben Insulin und Blutdruckmedikamente bevorratet“, sagt die Ärztin. Die medizinische Versorgung sei gesichert. Wichtig sei es, den Patienten in Gesprächen die Ängste zu nehmen. Die Politik sollte wahrnehmen, dass Hiddensee die einzige größere Insel vor der deutschen Ostseeküste ist, die nur über den Wasserweg erreichbar ist, appelliert Karweg an die Entscheidungsträger.

Der frühere Bürgermeister von Hiddensee und jetzige FDP- Landtagsabgeordnete Gino Leonhard hat sich inzwischen beim Landesverkehrsministerium beschwert. Offenbar habe der Druck des Ministeriums auf das für die Eisbrecher zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt in Stralsund etwas bewirkt, sagte Leonhard.

Das Bundesamt wollte laut Leonhard noch am Montag den Eis brechenden Tonnenleger „Ranzow“ in Richtung Hiddensee schicken. Dort soll er am Abend erwartet werden, um das Eis in der Fahrrinne zu brechen und Lebensmittel auf die Insel zu schaffen.

Bürgermeister Manfred Gau will sich nicht darauf verlassen, dass das Spezialschiff den Weg durch das Eis schafft. Vorsorglich sei eine Versorgung aus der Luft beantragt. Für Dienstag sind erneute Sturmböen und starke Schneefälle angesagt. Nach Angaben von Stefan Kreibohm vom Wetterdienst Meteomedia könnte der Sturm an der Ostseeküste in Spitzen Stärke acht, teilweise neun erreichen. Dann dürfte es selbst für Hubschrauber problematisch werden, die Insel zu erreichen.