Durch die Maßnahme ist das Futterverbot aufgehoben. Unter dem strengen Winter leiden neben Wildtieren auch Greif- und Wasservögel.

Kiel/Neumünster. Vielen wildlebenden Tieren im Norden geht die Nahrung aus. Schuld ist die dicke Schneedecke, unter der Rehe, Hirsche, Hasen, aber auch Eulen, Falken und Wasservögel nichts mehr zu fressen finden. Der Kreis Herzogtum Lauenburg hat deshalb am Montag die sogenannte Notzeit für Wildtiere ausgerufen. Dort dürfen Jäger jetzt Heu, Kastanien und Eicheln für das Wild auslegen, damit die Tiere ihren Hunger stillen können.

In einigen Revieren im Kreis Segeberg sei das gesetzliche Fütterungsverbot bereits seit rund drei Wochen aufgehoben, sagte der Leiter der Obersten Jagdbehörde im Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holstein, Johann Böhling.

„Das ist das erste Mal seit der Änderung des Landesjagdgesetzes im Jahr 1999, dass wir diese Diskussion haben“, sagte Böhling. Für den Leiter des Hegelehrreviers Grönwohld des Landesjagdverbandes, Christopher von Dollen, ist die Ausrufung der Notzeit für Wildtiere eine notwendige Maßnahme.

„Das Wild versucht, auf den Feldern mit seinen Hufen den Schnee wegzukratzen, um an Saaten zu gelangen. Dabei führt die verharschte Schneedecke oft zu Verletzungen an den Hufen, die die Tiere zusätzlich schwächen“, erläuterte von Dollen. „Ich habe in meinem Revier bereits ein verendetes Reh gefunden, das stark abgemagert war“, sagte er. In einigen Kreisen Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs war bereits am Wochenende die Notzeit für Wildtiere erklärt worden.

So hatte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus die Jäger aufgefordert, mit angemessener und artgerechter Fütterung Rehen und Hirschen über den harten Winter zu helfen. Unter dem extremen Winter litten speziell auch die Wasservögel wie Enten, Wasserhühner oder Schwäne, die an Wasserlöchern und auf dem Eis zu Hunderten eingehen. "Es sterben besonders Tiere, die bei der Nahrungssuche auf offene Wasserstellen angewiesen sind", berichtet der Chef der ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommerns, Klaus-Dieter Feige. Die Zahl der toten Vögel ist nach seinen Angaben kaum zu erfassen.

Doch nicht nur Wild und Wasservögel geraten durch die geschlossene Schneedecke in Bedrängnis. „Greifvögel, die auf lebende Mäuse angewiesen sind wie Turmfalken oder Eulen, haben jetzt große Probleme, weil die Mäuse unter der Schneedecke für sie unzugänglich sind“, sagte der Pressesprecher des Naturschutzbundes (Nabu) Schleswig-Holstein, Ingo Ludwichowski.

Auch viele Singvogelarten leiden Hunger. „Betroffen sind zum Beispiel Grasmücken, Heckenbraunellen und Rotkehlchen, die wegen der milden Winter der vergangenen Jahre nicht mehr in den Süden gezogen sind. Aber auch Wintergäste aus Skandinavien, wie Rot- und Wacholderdrosseln sind inzwischen extrem geschwächt, weil alle Beeren tragenden Sträucher mittlerweile kahlgefressen sind“, sagte Ludwichowski.

„Bei einigen Arten, wie zum Beispiel Eisvögeln oder Zwergtauchern, wird es mit Sicherheit Bestandsverluste geben. Andere profitieren dagegen von der Witterung. Seeadler halten sich jetzt zum Beispiel bevorzugt an Eislöchern auf und machen dort Jagd auf geschwächte Wasservögel“, sagte Ludwichowski.