Klein und sparsam: Die Autoindustrie gibt sich gerne ökologisch, auch auf der IAA stehen Elektroautos im Fokus. Doch die Realität sieht anders aus.
Frankfurt/Main. Sie sind groß, wirken stark und geben dem Autofahrer ein Gefühl von Sicherheit und Komfort – und auch in Deutschland sind sie unaufhaltsam auf dem Vormarsch: Sportliche Geländewagen (SUV) prägen zunehmend das Bild auf deutschen Straßen. Dass sie im Schnitt mehr Sprit verbrauchen und mehr Schadstoff ausstoßen als kleinere Fahrzeuge, ändert daran nichts. „Das ist das absolute Siegersegment. Wer in der Sparte nicht vertreten ist, der hat den Markt verpennt“, urteilt Experte Ferdinand Dudenhöffer.
Ein Widerspruch zum Trend hin zu sparsameren Autos sei das aber nicht, sagen die Automobilexperten der Unternehmensberatung Frost & Sullivan: Moderne SUVs seien längst keine Spritschleudern wie ihre Vorgänger mehr, und ihre Sparsamkeit werde definitiv zunehmen. Zudem besteht die Fahrzeugklasse schon längst nicht mehr nur aus Riesenschlitten, wie Fachmann Stefan Bratzel betont: „Vor allem kleine und mittelgroße SUVs sind heute gefragt.“
Den Hauptgrund für den Siegeszug der SUV sieht Fabian Brandt, Autoexperte bei der Management-Beratung Oliver Wyman, im Kundenwunsch nach Individualität. Das Segment bediene das Geltungsbedürfnis der Käufer: „Die Kunden entscheiden sich vornehmlich nicht aus funktionalen, sondern aus repräsentativen Gründen für einen SUV.“ Das sieht auch Bratzel so: „Mit diesen Autos fährt kein Mensch ins Gelände, es sind überdimensionierte Stadtfahrzeuge.“ Außerdem würden Autokäufer hierzulande immer älter, sagt Dudenhöffer: „Die Autos strahlen Sicherheit und Komfort aus.“
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Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes bestätigen, dass Geländewagen -1995 aus den USA nach Deutschland gekommen – im hartumkämpften deutschen Markt rasant auf der Überholspur sind. Sie schneiden sich ein immer größeres Stück vom Kuchen ab. 2001 wurden demnach in Deutschland rund 100 000 Geländewagen zugelassen, 2010 waren es 295 000 und in den ersten acht Monaten
2011 bereits fast 235 000 – ein Plus von 31 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Markt insgesamt wuchs dagegen geradezu bescheiden um 11,2 Prozent. Die Zahl der Minis und Kleinwagen sank sogar leicht zwischen 2001 und 2010. SUVs kommen damit auf über 11 Prozent Marktanteil. Dudenhöffer erwartet, dass schon 2012 mehr als 500 000 Geländewagen in Deutschland verkauft werden.
Von dem Trend profitieren Hersteller sämtlicher Preisklassen, vom Dacia Duster über den Hyundai ix35 oder den Nissan Qashqai bis zum VW Touareg und BMW X3: Alle legten von Januar bis Juli kräftig zu. Auch in den oberen Preisregionen sind SUVs mittlerweile tonangebend: Beim Sportwagenhersteller Porsche hat sich längst der Cayenne zum Zugpferd gemausert. Mittlerweile ist jeder zweite weltweit ausgelieferte Porsche ein Geländewagen. Bei Mercedes gingen die Geländewagen wie die M-, R- und GLK-Klasse besonders gut. Nun wollen die britische VW-Nobel-Tochter Bentley und die italienische Sportwagenschmiede Maserati nachziehen. Opel will 2012 einen kleinen SUV auf Corsa-Basis auf die Straße bringen.
Die Einnahmen aus dem SUV-Verkauf können die Hersteller gut brauchen. Schließlich müssen sie viel Geld in die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien stecken, um künftig die gesetzlichen Auflagen zu erfüllen. Bis E-Autos die Kasse klingeln lassen, dürften noch Jahre vergehen, ist sich die Fachwelt weitgehend einig. Bis dahin müssen die Autobauer mit – möglichst effizienten - konventionellen Antrieben oder Hybriden Geschäfte machen.
Experten der DZ-Bank schreiben in einer Studie: „Fakt ist, dass der Verbrennungsmotor auch in den kommenden Jahrzehnten nicht aus der Automobilindustrie wegzudenken ist, sondern modernisiert wird.“ In der Zwischenzeit dürften laut DZ-Bank Hybride, bei denen zusätzlich zum Verbrennungsmotor Elektromotoren zum Einsatz kommen, immer wichtiger werden. Und dafür seien große Autos definitiv besser geeignet als kleine, sagt Bratzel. „Sie bieten mehr Platz für die Hybridtechnik und es kann mehr eingespart werden.“ Damit tragen die modernen SUVs nach Meinung der Experten von Frost & Sullivan dazu bei, den Flottenverbrauch der Hersteller zu senken.
Ganz geht die Rechnung nicht auf: Zwar wird jeder einzelne Wagen sparsamer, insgesamt liegt die Fahrzeugklasse bei Spritverbrauch und Schadstoffausstoß aber klar über dem Durchschnitt. Während im Juli alle Neuwagen durchschnittlich 146,3 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstießen, pusteten SUVs 175 Gramm in die Luft.
Solange sich die Menschen auch über ihr Auto definieren, dürfte der Erfolg der sportlichen Geländewagen wohl anhalten. Potenzial haben nach Brandts Einschätzung vor allem kleinere Modelle wie Audi Q3, BMW X1 oder VW Tiguan. „Dabei dürften die Wagen immer weniger mit klassischen Geländewagen-Funktionen wie Allradantrieb ausgestattet werden. Übrig bleibt die Karosserieform des SUV als lifestyle-orientiertes Auto.“