Berlin. Das Reisepublikum bei Kreuzfahrten verändert sich. Ein Tourismusforscher erklärt, warum die Branche dadurch jetzt unter Druck steht.

Lange Zeit galten Kreuzfahrten als Urlaubsform älterer Generationen: gut betuchte Rentner an Deck, elegante Abendessen und ein gemächlicher Lebensrhythmus auf See. Doch dieses Bild ist im Wandel. Das Publikum auf den Kreuzfahrtschiffen wird jünger, dynamischer und vielfältiger. Die Zeiten, in denen Kreuzfahrten ein exklusiver Rückzugsort für Reisende über 60 waren, scheinen vorbei.

Ein Blick auf die Decks der Kreuzfahrtriesen zeigt: Neben Familien entdecken auch Millennials und die ersten Vertreter der Generation Z die Kreuzfahrt für sich. Was treibt diese Entwicklung voran?

Kreuzfahrten im Wandel: Warum Millennials und Gen Z immer häufiger einchecken

Aktuelle Zahlen der Branche zeigen die wachsende Beliebtheit unter den jungen Zielgruppen: Laut einem Bericht der Cruise Lines International Association (CLIA) lag das Durchschnittsalter der Kreuzfahrt-Passagiere im Jahr 2023 bei 46 Jahren, 36 Prozent der Reisenden waren unter 40 Jahre alt.

Millennials, die zwischen 1981 und 1996 geborene Generation, machten im vergangenen Jahr rund ein Fünftel aller Passagiere aus. 84 Prozent von ihnen würden nach den Umfrageergebnissen der CLIA erneut eine Reise auf See planen. Auch die jüngere Generation Z, die die Jahrgänge von 1997 bis 2012 umfasst, war mit 14 Prozent an Bord vertreten. Von ihnen wollen 74 Prozent eine Wiederholung ins Auge fassen.

Zwar machen Babyboomer (Jahrgänge 1946 bis 1964) und die Generation X (1965 bis 1980) mit jeweils etwa einem Viertel nach wie vor den Großteil der Kreuzfahrtgäste aus, doch der Wandel ist unübersehbar: Kreuzfahrten entwickeln sich zunehmend zu einem generationsübergreifenden Erlebnis – und werden jünger.

Auch interessant

Digital und personalisiert: Wie Kreuzfahrten bei jungen Menschen punkten

Tourismusforscher Alexis Papathanassis von der Universität Bremerhaven sieht dahinter mehrere Gründe: „Ein erheblicher Teil der jungen Kreuzfahrer kam bereits durch Reisen mit Eltern oder Großeltern mit der Kreuzfahrt in Berührung“, sagt er. „Andere entdecken sie als attraktive, kostengünstige Urlaubsalternative angesichts steigender Hotel- und Flugkosten.“

Zudem bieten Kreuzfahrt-Unternehmen All-inclusive-Angebote inzwischen über digitalisierte Buchungs- und Planungsmöglichkeiten an. Das komme bei jüngeren Generationen, die ihre Erlebnisse vorwiegend online vorbereiten und personalisieren, gut an, so Papathanassis. Die Digitalisierung spiele bei der Entwicklung eine „entscheidende Rolle“.

Bei den Marketing-Strategien würden Reedereien sogar zunehmend auf die sozialen Medien setzen, um junge Menschen zu erreichen. Durch gezieltes Influencer-Marketing würden Kreuzfahrterlebnisse auf Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube eindrucksvoll inszeniert. Das wecke die Reiselust der Konsumenten, erklärt der Experte.

Young asian woman taking photo of herself on cruise
Die Vermarktung in den sozialen Medien treibt die Verjüngung der Kreuzfahrtbranche an. © Getty Images/iStockphoto | baona

Auch interessant

Instagram-Ästhetik und Promis: Weltstar als Markenbotschafter

Ein Blick auf den offiziellen Instagram-Account der „Mein Schiff“-Flotte oder von AIDA Cruises zeigt einen hochprofessionellen Online-Auftritt. TUI setzt dagegen auf Prominente: Zahlreiche Videos und Fotos präsentieren die vielfältige Bordausstattung der TUI-Schiffe, während Gäste wie der Rapper Bushido und seine Frau Anna Ferchichi, die Moderatorin Frauke Ludowig oder die Band Die Fantastischen Vier die Bordausstattung bewundern.

Seit September setzt TUI Cruises auf einen neuen Markenbotschafter: Robbie Williams. Wie TUI-CEO Wybcke Meier in einem Interview erklärte, sei der Weltstar „ein Künstler, der in vielen Altersgruppen beliebt ist“. Mit dieser Kampagne scheint die Reederei eine Brücke zwischen den Generationen schlagen zu wollen – von den Babyboomern bis hin zu Vertretern der Millennials und Gen Z.

TUI Cruises Robbie Williams
Weltstar Robbie Williams ist seit September 2024 Markenbotschafter für TUI Cruises. © Tui Cruises | TUI Cruises

Auch interessant

Kreuzfahrt-Transformation: Neue Zielgruppen, neue Konzepte

Auf Anfrage nach möglichen Maßnahmen zur Verjüngung des Unternehmens erklärte TUI: „Das Alter unserer Gäste ist für TUI Cruises kein entscheidendes Kriterium“. Individuelle Bedürfnisse und Reisemotive stünden an Bord weiterhin im Mittelpunkt. Die Branche hat das Potenzial der jungen Passagiere jedoch längst erkannt.

„Die Kreuzfahrt-Reedereien haben ihre Flotten und das Image der Kreuzfahrt in den letzten 20 Jahren kontinuierlich modernisiert“, erklärt Papathanassis. Nicht umsonst werde die Auswahl an innovativer Bordausstattung wie Kletterwände, Tanz-Clubs und Musikfestivals auf modernen Schiffen immer größer. Zudem bieten Reedereien zunehmend freies Internet und Co-Working-Bereiche an Bord an, um Passagieren sogenannte Workations zu ermöglichen – also das Arbeiten im Urlaub.

Mit der wachsenden Nachfrage und den steigenden Kapazitäten sei es für die Reedereien entscheidend, neue Zielgruppen zu gewinnen und den Kundenstamm kontinuierlich auszubauen, fasst Papathanassis zusammen. Das Ziel: die Unternehmen vom „konservativen Kreuzfahrtimage der Vergangenheit“ zu lösen und den neuen Passagierbedürfnissen gerecht zu werden.

Auch interessant

Tourismusforscher: „Wir erleben eine Revolution im Tourismus“

Tatsächlich haben sich diese Bedürfnisse deutlich verändert: „Wir erleben eine Revolution im Tourismus“, sagt Papathanassis. „Wo früher Erholung im Vordergrund stand, geht es heute verstärkt um Erlebnisse und Abenteuer.“ Für die Kreuzfahrtbranche bedeutet das ein Kurswechsel.

„Wenn die heutige junge Generation – derzeit etwa Mitte 40 – den Kreuzfahrtmarkt dominiert, wird sie ganz andere Ansprüche haben als die heutigen älteren Gäste“, erklärt der Tourismusforscher. „Reedereien müssen also schon jetzt die zukünftigen Bedürfnisse im Blick haben, um langfristig erfolgreich zu sein.“ Schon die kommende Generation der 50- bis 70-Jährigen werde in ihrem Reiseverhalten deutlich jünger sein als die jetzige.

Diese Entwicklung stelle die Reedereien gleich vor mehrere Fragen: Welche Urlaubswünsche wird diese Generation in Zukunft haben? Mit welchen Ansprüchen kommt sie an Bord? „Eine 50-Jährige von heute unterscheidet sich deutlich von einer vor 20 Jahren“, so Papathanassis. Mit steigender Lebenserwartung und einer längeren Phase der Gesundheit und Aktivität sei das Alter allein längst kein verlässlicher Maßstab mehr.

Group Of Friends Having Party On A Sailboat
Mit Clubs und Musikfestivals an Bord wollen Kreuzfahrt-Reedereien die Erfahrung auf See an jüngeres Publikum anpassen. © Getty Images | Tashi-Delek

Auch interessant

Mehr als PR nötig: Junge Gäste fordern echte Klimaschutzmaßnahmen

Mit der Verjüngung der Kreuzfahrtgäste wächst der Druck auf die Branche allerdings auch in anderen Bereichen: Gerade unter jüngeren Reisenden sind Kreuzfahrtschiffe wegen ihrer fehlenden Nachhaltigkeit oft als Umweltschleudern verschrien. „Jüngere Reisende sind sensibilisiert für ökologische Fragen und erwarten konkretes Engagement, das über reine PR-Maßnahmen hinausgeht“, sagt der Experte.

Obwohl viele Reedereien auf alternative Antriebe wie Flüssigerdgas (LNG) und emissionsarme Technologien setzen, üben Umweltschutzorganisationen wie der Naturschutzbund weiterhin Kritik aus. LNG reduziert zwar CO₂-Emissionen, verursacht jedoch hohe klimaschädliche Methanemissionen.

Tourismusforscher Alexis Papathanassis ist sich sicher: Trotz umfangreicher Modernisierungsmaßnahmen an Bord müssen die Reedereien künftig „noch stärker auf nachhaltige Innovationen setzen, um junge und umweltbewusste Zielgruppen auch zu halten.“

Auch interessant