Mama Ärztin, Papa Unternehmer. Doch im Leben des einst gut behüteten Fritz Gelowicz ging irgendwann alles schief. Er ließ sich zum Attentäter ausbilden.
Düsseldorf. Auf den ersten Blick kommt Fritz Gelowicz aus einer heilen Welt. Der Sohn einer Ärztin und eines Unternehmers wuchs in München und Ulm in der oberen Mittelschicht auf. Jetzt hat Fritz Gelowicz im Prozess gegen die „Sauerland-Gruppe“ vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht aus seinem Lebenslauf berichtet. Dabei lieferte der 29-Jährige beunruhigende Antworten und Hinweise auf die Frage, wie ein Kind aus dem deutschen Bürgertum zum glühenden Dschihadisten und Anführer einer islamistischen Terrorzelle werden konnte.
Die Erwartungen seines Vaters konnte Fritz Gelowicz schon als Kind nicht erfüllen. Weil er nach der Grundschule nur die Empfehlung zur Realschule bekam, musste er seinem Vater zuliebe die vierte Klasse wiederholen, um dann wie gewünscht doch noch auf dem Gymnasium aufgenommen zu werden. Schon in der siebten Klasse ist die nächste „Ehrenrunde“ fällig, und Fritz landet schließlich doch auf der Realschule. Eine Rechtschreib-Schwäche und Probleme mit den Lehrern sorgen dafür, dass er erst nach einem Wechsel auf eine Abend-Realschule seinen Abschluss schafft.
Seine Eltern lassen sich scheiden, als er 15 Jahre alt ist. In Opposition zu seinem Vater, einem überzeugten Atheisten, konvertiert Fritz mit 16 Jahren zum Islam. An Literatur hat er wenig Interesse, Bücher liest er „eher selten“.
Auf dem Berufs-Kolleg schafft Gelowicz dann sein Fach-Abitur. Nach dem Zivildienst versucht er auf der Berufs-Oberschule, doch noch das Ziel seines Vaters zu erfüllen und das allgemeine Abi zu schaffen – und scheitert erneut. Er jobbt bei seinem Vater, bis er 2001 an der FH Ulm ein Studium zum Wirtschaftsingenieur aufnimmt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wendet Gelowicz sich noch stärker dem Islam zu, wird fundamentalistisch, meidet Kontakt zu Frauen und hört keine Pop-Musik mehr.
Im Multikulturzentrum von Ulm wird er von einem radikalen Prediger beeinflusst, den er noch heute als eher moderat verteidigt. 2005 bricht Gelowicz das Studium ab und reist zur Pilgerfahrt nach Mekka und Medina. Anstatt in die Fußstapfen seines Vater zu treten und die Unternehmensnachfolge anzustreben, bricht Gelowicz nun vollständig mit seiner Herkunft. In Syrien versucht er, am Dschihad (Heiliger Krieg) teilzunehmen, dessen blutige Videos er im Internet konsumiert. Es gelingt ihm nicht, in den Irak oder nach Tschetschenien zu gelangen. Schließlich landet er in der pakistanischen Region Waziristan und schließt sich der Islamischen Dschihad-Union an. Die bildet ihn zum Gotteskrieger aus und überzeugt ihn, den bewaffneten Kampf nach Deutschland zu tragen.
Wie sehr ihn der Leistungsdruck und die Erwartungen seines Elternhauses in die innere Opposition und schließlich zum Islam getrieben haben, hätten die psychiatrischen Gutachter gerne näher gewusst. Doch der geständige und ansonsten auskunftsbereite Anführer der „Sauerland-Gruppe“ weigerte sich, mit den Psychiatern zu reden.