Niemals in der über 60-jährigen Geschichte Nachkriegsdeutschlands verlief eine Wahl so undemokratisch wie die zum Bundespräsidenten 2009.
Während am 23. Mai parteiproportional bestimmte Wahlmänner und -frauen über den neuen "ersten Bürger" entscheiden und mit einem knappen Rennen gerechnet wird, sind die Deutschen so eindeutig entschieden wie selten in Umfragen: 80 Prozent würden sich bei einer Direktwahl des Bundespräsidenten für Horst Köhler entscheiden, ganze sieben Prozent für Gesine Schwan, 3 Prozent für Peter Sodann als Kandidaten der Linken. Selbst unter den SPD-Wählern würden nur 20 Prozent für Schwan, 66 Prozent aber für Köhler stimmen, würde das Grundgesetz ihnen diese Möglichkeit einräumen. Der Frust ist so groß, dass die Deutschen die Wahl am Sonnabend als völlig unzeitgemäß bezeichnen: Drei von vier Deutschen wollen das Staatsoberhaupt in Zukunft lieber direkt gewählt sehen. Schon vor einem Jahr deutete sich Ungemach an, als nur jeder vierte SPD-Wähler eine Schwan-Kandidatur befürwortete. Das waren weniger, als allein die SPD an Stimmen bei der Sonntagsfrage bekommen hätte. 70 Prozent der SPD-Anhänger waren dafür, dass ihre Partei lieber eine zweite Amtsperiode Köhlers unterstützt hätte.
Weder junge noch alte, hoch oder niedrig Gebildete unterstützen die ostdeutsche Professorin. Und selbst in den neuen Ländern wünschen sich nur 11 Prozent eine Bundespräsidentin Schwan. Nicht erst seit den letzten Wochen, als sie ständig die "deutsche Wut" als "Wahlkampfthema" beschwor.
Grund für die harsche Kritik auch der SPD-Anhänger an Kandidatin und Nominierungsverfahren ist nicht nur die im Gegensatz zu Köhler empfundene Parteilichkeit Gesine Schwans, die gerade gegenüber Horst Köhler bemerkenswert ins Auge fällt. Es ist vor allem die Belastung durch Schwans Abhängigkeit von den Stimmen der Linken: 44 Prozent der Deutschen, sogar 45 Prozent der SPD-Wähler sind davon überzeugt, dass sich dieses negativ auf das höchste Staatsamt auswirken würde. Vor allem aber auf die Bundestagswahl in vier Monaten. SPD-Anhänger wollen nach dem hessischen Polit-GAU zuallerletzt eine Neuauflage von Linksdiskussion und Machterzwingung um jeden politischen Preis. Zudem unterstützen immer mehr Deutsche die Amtsführung Horst Köhlers: Nach wechselvollem Start waren 2006 nur 66 Prozent mit seiner Amtsführung zufrieden, ein Jahr später unterstützten ihn im glaubhaften Ringen gegen die Freilassung Christian Klars bereits vier von fünf Deutschen. Aktuell erreicht der Bundespräsident mit 85 Prozent seinen Zufriedenheitshöchstwert. Das ist eine bessere Quote, als seinem Vorgänger Rau zugestanden wurde. Köhler erreicht damit das Niveau Herzogs und von Weizsäckers.
Das besondere Markenzeichen Köhlers ist seine Überparteilichkeit - und gerade deshalb kritisieren die Deutschen die vornehmlich parteilichen Motiven geschuldete Schwan-Nominierung: 69 Prozent bundesweit, selbst 63 Prozent der SPD-Anhänger attestieren Köhler, seine Entscheidungen nach Gewissen und nicht nach Parteibuch zu treffen, eine ähnlich hohe Überparteilichkeit wurde noch nie einem Präsidenten zugestanden. Horst Köhler ist also auch ein Kandidat der Sozialdemokratie, genügend oft hat er seine Partei in die Schranken gewiesen, die Wirtschaft kritisiert, sich in puncto Verdrossenheit auf eine Stufe mit den Wählern gestellt. Kompetent halten ihn 81 Prozent, innovativ immerhin sechs von zehn Deutschen.
Selten genug, dass ein wichtiger politischer Repräsentant so durch seine politische Arbeit gewinnt: Vor dem Präsidentenentscheid 2004 sahen nur 49 Prozent Köhler, immerhin 31 Prozent Gesine Schwan lieber im höchsten Staatsamt, vor einem Jahr waren es bereits 75:15, nun führte der Amtsinhaber deutlich mit 80:7. Kein Wunder, dass sich 82 Prozent (62 Prozent der SPD-Wähler) eine zweite Amtsperiode Köhlers wünschen, 2006 waren es nur 61 Prozent. Obwohl es für sechs von zehn Deutschen an der Zeit wäre, dass eine Frau das höchste Staatsamt ausübt. Selbst der Geschlechtsbonus nützt Gesine Schwan wenig.