Gesine Schwan lehnt den Ausdruck Unrechtsstaat für die DDR ab. Nun droht der SPD-Präsidentschaftskandidatin ein neuer Stimmenverlust aus den eigenen Reihen.
Berlin. Der SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan droht wegen einer umstrittenen Äußerung zur DDR erneut ein Stimmverlust aus den eigenen Reihen bei der Bundesversammlung am Samstag. Der ostdeutsche SPD-Abgeordnete Stephan Hilsberg sagte dem Berliner „Tagesspiegel“: „Wie ich abstimme, überlege ich mir jetzt noch mal.“ Schwan hatte der Zeitung zuvor gesagt, sie lehne den Begriff Unrechtsstaat für die DDR ab, weil er diffus sei: „Er impliziert, dass alles unrecht war, was in diesem Staat geschehen ist. So weit würde ich im Hinblick auf die DDR nicht gehen.“
Die Abkehr „vom Begriff Unrechtsstaat ist für mich nicht hinnehmbar“, sagte Hilsberg. Er wertete Schwans Äußerungen als „Verharmlosung“ der Diktatur: „Und wer Diktaturen verharmlost, bereitet den nächsten den Boden.“ Schwan tritt als SPD-Kandidatin bei der Neuwahl des Staatsoberhauptes am 23. Mai gegen Amtsinhaber Horst Köhler an. In der jüngsten Vergangenheit war mehrfach über mögliche Abweichler aus der SPD spekuliert worden, die Schwan unter Umständen ihre Stimme verweigern könnten.
Zuvor hatte sich SPD-Fraktionschef Peter Struck zuversichtlich gezeigt, alle 222 Mitglieder seiner Fraktion würden für Schwan stimmen. Das neue Staatsoberhaupt wird am kommenden Sonnabend gewählt. Schwan tritt gegen Amtsinhaber Horst Köhler an. Köhler kann auf die 614 Stimmen von CDU/CSU, FDP sowie der Freien Wähler aus Bayern bauen. Damit hätte er eine Stimme mehr als die für einen Sieg im ersten oder zweiten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit. Die Bundesversammlung setzt sich auch den 612 Abgeordneten des Bundestages sowie einer gleich großen Zahl von Mitgliedern zusammen, die von den Landesparlamenten entsandt werden.
Unterdessen hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die Debatte um die Bewertung des DDR-Regimes kritisiert. „Die DDR ist seit 1990 mausetot. Wir müssen sie nicht noch mal beerdigen“, sagte er dem "Spiegel“. Viele Ostdeutsche seien entnervt, weil es immer nur darum gehe, ob jemand dafür oder dagegen gewesen sei, Täter oder Opfer. Der Streit, ob die DDR ein Unrechtsstaat sei, der von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) in einem Interview mit dem "Abendblatt" angestoßen wurde, betreffe nicht die Lebenserfahrungen der Menschen. Er fördere nur die DDR- Nostalgie. „Es ist doch klar, dass diese Diskussion die Leute anwidert“, sagte Platzeck.