In der Debatte um soziale Unruhen als mögliche Folge der Wirtschaftskrise warnt Bundespräsident Horst Köhler vor Panikmache: “Natürlich ist die Krise beherrschbar“, sagte Köhler am Wochenende und setzte damit einen anderen Akzent als seine SPD-Herausfordererin Gesine Schwan. Die IG Metall kündigte für den Fall massenhafter Entlassungen “breiten Widerstand“ an.
Köhler zeigte sich überzeugt, dass die Demokratie in Deutschland die Krise bestehen werde. "Was nicht geschehen sollte, ist: uns selbst erstens in Panik reden. Und zweitens in eine Situation reden, als könnten wir diese Krise am Ende nicht beherrschen - weder im Wirtschaftspolitischen noch im Sozialen", erklärte der Bundespräsident am Samstag im RBB-Inforadio.
Zur Wahl des Staatsoberhauptes am 23. Mai sagte der Kandidat von Union und FDP, er sei "sehr zuversichtlich, dass ich am Ende gewählt werde bei dieser Bundesversammlung". Seine Konkurrentin Schwan hatte angesichts der Wirtschaftskrise vor einer explosiven Stimmung in der Bevölkerung gewarnt.
IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte: "Wenn es massenhafte Entlassungen geben würde, wird es auf jeden Fall Widerstand geben, und zwar breiten Widerstand." In einer solchen Situation werde die IG-Metall ganz vorne dabei sein. Den Vorwurf der Panikmache wies er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" am Sonntagabend zurück.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Michael Sommer, sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", wenn Politik und Arbeitgeber in der Krise versagten, womöglich hunderttausende ihre Existenz verlören und auch noch die Beschäftigten die Zeche zahlen sollten, dann könnte der Unmut der Menschen auch in Deutschland andere Formen als bisher annehmen. Einen Aufruf der Gewerkschaften zu Massendemonstrationen schloss er nicht aus.
Nach der harschen Kritik an Schwans Äußerungen nahmen am Wochenende führende SPD-Politiker ihre Bundespräsidentenkandidatin in Schutz. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte am Samstag im MDR, Schwan habe lediglich darauf hingewiesen, dass sich bei einer Verschärfung der Krise die Atmosphäre in Deutschland verschlechtern könne. "Ich halte das nicht für eine überzogene Dramatisierung", sagte er.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) befürchtet Gefahren für den Rückhalt von Demokratie und Marktwirtschaft besonders in den neuen Ländern. In der "Bild am Sonntag" warnte er davor, die Skepsis gegenüber der Marktwirtschaft zu unterschätzen.
Dagegen bekräftigten Politiker von Union und FDP ihre Kritik an Schwan. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Sonntag im Deutschlandfunk, es gebe keinen Anlass, zum jetzigen Zeitpunkt eine Debatte über mögliche soziale Unruhen zu führen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte in der "Rheinpfalz am Sonntag", Schwan müsse sich fragen lassen, ob sie die Chancen ihrer zweiten Kandidatur erhöhen wolle, "indem sie eine explosive Lage herbeiredet, die verantwortungsvolle Politiker gerade verhindern wollen".
Die Wirtschaftskrise macht einer Umfrage zufolge einer großen Mehrheit (72 Prozent) der Deutschen Angst. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) rechne deswegen mit sozialen Unruhen in Deutschland, ermittelte Emnid im Auftrag der "BamS". Rund ein Drittel der Befragten (32 Prozent) gab an, sich angesichts der Krise auch persönlich an Demonstrationen oder Protesten beteiligen zu wollen. 65 Prozent lehnen dies ab.